Nachrichten im Hochformat Wie kann das Story-Format auf Social-Media-Kanälen journalistisch genutzt werden?

von Theresa Möckel

Abstract: Für welche journalistischen Anlässe eignet sich die Story auf Social-Media-Plattformen? Was erwarten die zumeist jungen Nutzer von einer Story? Der Beitrag zeigt auf, was die Story bei narrativen und journalistischen Formaten bietet. Die Autorin hat nachrichtliche Storys analysiert, eine Muster-Story erstellt und einer ausgewählten Zielgruppe vorgelegt sowie per Online-Umfrage evaluiert. Auf der Basis dieser Umfrage erarbeitet sie eine Handreichung für den Einsatz der Story im Journalismus.

Einleitung: Storyformate im Journalismus

Das Smartphone eröffnet neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen, sie zu produzieren und den Zuschauer einzubinden (vgl. Atkinson 2016). Auf vielen Social-Media-Plattformen lässt sich mittlerweile ein zentrales, verbindendes Element finden: die Story, ein visuelles Konzept aus kurzen aufeinanderfolgenden Videoclips mit digitalen Erweiterungen. Ihr wurde bisher aus Sicht der Journalistik wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wie lässt sich die Story für journalistische Zwecke einsetzen? Wie können Inhalte in kurzen Videoclips dargestellt werden? »Welche Story im Netz ist publizistisch wertvoll? Wer nutzt Instagram oder andere Netzwerke für neue journalistische Formate?« sind unter anderem Fragen, die sich auch die Jury des Grimme Online-Awards stellt (Anonym 2018).

Eingeführt wurden die Snapchat-Geschichten Anfang Oktober 2013. Sie trugen laut Philipp Steuer wesentlich zum Erfolg der App bei (Steuer 2016: 39). Dabei spielten auch journalistische Angebote eine gewisse Rolle: »Amerikanische Qualitätsmedien wie CNN machen vor, dass sich auf Snapchat nachrichtliche Themen präsentieren lassen – unaufgeregt, anschaulich, kompakt. Und ganz ohne Smileys.« (Müller-Lancé 2017). Zunächst als Besonderheit der App Snapchat gestartet, ist die Story längst auch auf Facebook und seinen Tochter-Plattformen zu finden. Vor allem auf Instagram ist sie mittlerweile sehr beliebt (vgl. Firsching 2018).

Im deutschsprachigen Raum sieht man die ARD-Tagesschau-Korrespondenten live vor Ort, beispielsweise mit Storys von der Kongresswahl in den USA oder von der Fastnacht in Mainz. Ganz anders, Fotocollagen ähnlich, sind die Storys des stern. Sie umfassen mehrere Bilder mit kurzen Erklärungen in einem Satz und Verlinkungen, die zum dazugehörigen stern-Artikel weiterleiten. Ebenfalls mit Verlinkungen, dafür mit kurzen Videoclips, arbeiten ntv und Welt.

Die Story bringt eine Reihe von Einschränkungen und technische Spezialitäten mit sich. Sie ist normalerweise nur 24 Stunden abrufbar, die Clips werden einzeln veröffentlicht und müssen vorab entsprechend sorgfältig geplant werden. Außerdem dürfen die Clips bestimmte Längen nicht überschreiten (Videoclips beispielsweise nur bis zu zehn Sekunden). Daraus ergeben sich wiederum neue Gestaltungsmöglichkeiten. Die veränderte Vermittlung von Inhalten zwingt Medienproduzenten dazu, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Interviews müssen anders vorbereitet werden, da die Interviewpartner für eine Antwort nur zehn Sekunden zur Verfügung haben.

Eva Schulz, Snapchat-Reporterin für funk,[1] berichtete auf der Media Convention Berlin 2017 von den zunächst negativen Reaktionen ihrer Kollegen, wenn es darum geht, via Snapchat Nachrichten zu vermitteln:

»Kollegen reagieren so: Immer Panik-Emoji, weil sie erstmal sagen ‚Was? Das ist ja hochkant!‘ Damit können sie überhaupt nichts anfangen. ‚Also wie soll man denn da erzählen?!‘ Es ist super kurz. Ich habe nur zehn Sekunden pro Snap, es ist umständlich, es ist total unflexibel, weil ich chronologisch erzählen muss. Ich kann mir nicht nachträglich mein Material arrangieren. […] Und dann, das ist gerade für Journalisten im Internet total ungewohnt: es gibt kein Massenfeedback – keine Likes, keine Favs, keine Shares, keine Viewzahlen, die öffentlich sind. Nicht mal eine Followerzahl. […] Es gibt keine Notifications. Das ist etwas, wo Snapchat wirklich das Nutzerverhalten in der U20 Generation komplett neu prägt. […] Da geht es vor allem auch nicht so stark um Viralität. Snapchat ist eine der wenigen Plattformen oder die einzige momentan, die nicht von Algorithmen gesteuert wird und das ist als ‚Creator‘ ein Riesen-Geschenk.« (Schulz 2017)

Der Nachteil der kurzen Verfügbarkeit kann laut Richard Gutjahr auch ein Vorteil sein. Er fragte sich, warum er Nachrichteninhalte herstellen solle, die nach 24 Stunden nicht mehr verfügbar seien. Ein Snapchat-Nutzer beantwortete seine Frage mit der Gegenfrage: »Wie oft schauen Sie Nachrichten von vorgestern?« (zit. nach Steuer 2016: 79) Bei Snapchat-Storys ist naturgemäß ein hohes Maß an Aktualität vorhanden. Auch Vorteile wie Flexibilität, Mobilität und Nähe zum Zuschauer, von welchen bereits andere Formate des mobilen Journalismus profitieren, lassen sich auf die Story übertragen.

»Als Reporter-Werkzeug mag Snapchat einige Schwächen haben. Jedoch eines schafft die App grandios: sie vermittelt eine Form von Nähe und Unmittelbarkeit, wie kaum ein anderes Medium oder Social Network. Da es auf Snapchat nur bedingt möglich ist, Videos nachzubearbeiten, wirken Snaps in ihrer Hemdsärmeligkeit oft authentischer als Fernsehen oder sogar YouTube.« (Steuer 2016: 80)

Auch Untersuchungen zum Nutzungsverhalten von Smartphones sprechen dafür, die Story als Format für journalistische Beiträge zu nutzen. In der aktuellen Untersuchung des Reuters-Instituts, für die mehr als 74.000 Menschen aus 27 Ländern befragt wurden, ist die Nutzung des Smartphones für den Konsum von Nachrichtenangeboten in den Jahren 2013-18 von 56% auf 62% gestiegen. Außerdem verzeichnet speziell die Übermittlung in Form von Online-Videos hier seit mehreren Jahren einen stetigen Anstieg. Der Bedarf an Nachrichteninhalten für unterwegs, auch in Form von Bewegtbild, wird vorerst nicht sinken, denn auch in Deutschland nimmt der mobile Nachrichtenkonsum zu (vgl. Nic Newman with Richard Fletcher et al. 2018).

Trotz der Verbreitung auf unterschiedlichen Netzwerken gibt es für die Erstellung von Storys eine einheitliche Grundstruktur. »Alle Inhalte, die du über den Tag verteilt in der Story veröffentlichst, werden als langer Filmstreifen aneinandergereiht und ergeben so eine lange Geschichte. Daher auch der Name.« (Steuer 2016: 34)

Fragestellung und Methodik

Als Ziel dieser Untersuchung sollten Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von journalistischen Beiträgen im Story-Format entwickelt werden. Der Aufbau der Studie folgt einem »Mixed Methods«-Ansatz und umfasst eine Analyse in Verbindung mit einer anschließenden Online-Umfrage (vgl. Döring/ Bortz 2016: 72). Bei der Analyse des Formats hochkant[2] auf Snapchat wurden sechs ausgewählte Storys anhand unterschiedlicher Kriterien betrachtet. Daraus wurden Schlussfolgerungen für die Erstellung einer Muster-Story abgeleitet und die erste Version des Leitfadens für das Erstellen von Nachrichtenbeiträgen, die im Format einer Story produziert werden.

Die von der Autorin erstellte Muster-Story hat die Ergebnisse der Analyse zur Grundlage (vgl. Döring/Bortz 2016: 184) und wird mit Hilfe einer Online-Umfrage quantitativ ausgewertet. Diese Art von Vorstudie kann der Generierung und Präzisierung von Hypothesen dienen; in dieser Untersuchung führt sie zur Präzisierung der Leitfaden-Kriterien für die inhaltliche und optische Struktur und die Gestaltung von Storys.

Für die Analyse wurden nach Werner Faulstich (2008),[3] folgende Kategorien verwendet: Handelnde Personen, Kamera, Ton, Inhalt, Text und Grafik.

  • Bei der Kategorie Kamera ist zwischen Front- und Handykamera zu unterscheiden. Handelt es sich bei der untersuchten Aufnahme um einen Clip/ein Foto, das mit Hilfe der Frontkamera gemacht wurde, ist von einem Selfie die Rede.
  • Mit Ton wird nicht der Ton der Clips allgemein beschrieben, sondern in welcher Form das gesprochene Wort im Clip vorkommt. Hier wird die Unterscheidung zwischen ON (der Reporter/bzw. die Audioquelle sind im Bild zu sehen) und OFF (der Reporter/bzw. die Audioquelle sind nicht im Bild zu sehen) getroffen.
  • In der Kategorie Inhalt werden die optischen und auditiven Inhalte notiert.
  • Text betrachtet ausschließlich die Einblendungen in Schriftform. Sollte der Text besondere Funktionen erfüllen, wird auch dies mit vermerkt.
  • Schließlich werden unter dem letzten Punkt Grafik alle verwendeten grafischen Elemente, z.B. Emojis, Sticker oder Geofilter, betrachtet. Aufgrund ihrer comichaften Erscheinung sind gerade Emojis bzw. alle zusätzlich verwendeten grafischen Elemente kritisch zu betrachten, wenn es um neutrale und informierende Berichterstattung geht. Untersuchungen gab es diesbezüglich noch nicht, allerdings konnten israelische Wissenschaftler der Ben-Gurion-Universität bereits nachweisen, dass die Verwendung von Emojis im Rahmen der Unternehmenskommunikation eher inkompetent wirkt (vgl. Glikson/Cheshin/van Kleef 2018).

Erstellen einer Muster-Story und Online-Umfrage

Unter Hinzunahme der Tipps von Snapchat-Reporterin Eva Schulz aus ihrem Vortrag auf der Media Convention Berlin 2017 mit dem Titel »Do’s und Don’ts für journalistisches Storytelling auf Snapchat« (Schulz 2017) ließen sich in einem ersten Schritt diese Handlungsempfehlungen ableiten:

  • frühe Ziel- und Themennennung,
  • Nutzung von Texteinblendungen,
  • sparsame Verwendung von Off-Text und
  • Zuschauerbindung schaffen

Zur Evaluation wurden die Handlungsempfehlungen in einer Muster-Story[4] in Form von Varianten angewandt. Diese Varianten (s. Abbildung 1) beziehen sich auf die Punkte Kombination mehrerer Elemente (insbesondere die Nutzung von Emojis), Nutzung von Texteinblendungen und die Verwendung von Off-Texten.

Es soll überprüft werden, inwieweit die Verwendung von Emojis im Rahmen von Berichterstattungen toleriert wird, denn in den Storys der Analyse werden sie zwar mehrfach verwendet, jedoch spricht ihr optisches Erscheinungsbild nicht von vornherein für einen ernsthaften Charakter. Die Texteinblendungen sollen dahingehend überprüft werden, ob diese eher inhaltlich unterstützend oder transkribierend eingesetzt werden sollten.

In der Analyse zeigten sich beide Varianten ausgeglichen. Ein Vorteil des Transkripts ist beispielsweise die Möglichkeit, den Inhalt ohne Ton zu konsumieren. Hingegen ist ein Vorteil von unterstützendem Text, dass er, beispielsweise durch eine Frage, den Zuschauer dazu bringen kann, den Ton – auch für alle folgenden Clips – einzuschalten. Schließlich soll überprüft werden, ob die sparsame Verwendung von Off-Texten gerechtfertigt ist oder ob der Zuschauer vielleicht entgegen den Storys in der Analyse gerne mehr Off-Texte anstelle von Selfies anschauen würde.

Da eine Muster-Story erstellt wurde, war eine besondere Anforderung für das Online-Umfragetool die Einbindung von Videoelementen. Eine einfache Umsetzung bot das Erstellen der Umfrage auf onlineumfrage.com (Marbot 2014). Der Fragebogen durchlief Konzeptions- und Pre-Testphase und wurde schließlich für insgesamt zwei Wochen freigeschaltet. Um die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen zu erreichen,[5] wurde er vorrangig an Schüler, Studierende, und Berufseinsteiger verschickt. Die Zielsetzung von etwa 100 Befragten wurde mit n=99 erreicht. Es handelt sich um keine Zufallsstichprobe, die Ergebnisse der Umfrage sind daher nicht repräsentativ. Sie geben aber einen Eindruck der Nutzersicht.

Ergebnisse

Als Grundlage für die Zusammenfassung in Form des Leitfadens soll zunächst auf die Ergebnisse der Online-Umfrage eingegangen werden. Beinahe die Hälfte (42 Prozent) aller Befragten gab an, einen Snapchat-Account zu besitzen. Allerdings: Eine Mehrheit von 56 Prozent nutzt die App »gar nicht«. Dies ist jedoch für den zu untersuchenden Gegenstand – die Story – nicht hinderlich, da Storys auf den anderen aufgeführten sozialen Netzwerken Anwendung finden. Demzufolge ist es nicht überraschend, dass der Begriff »Story« im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken 95 Prozent der Teilnehmer bekannt war.

Auf die Frage, welche Inhalte mit der App-Nutzung verbunden seien, gaben 90 Prozent an, aktuelle Erlebnisse von Bekannten/Freunden zu verfolgen, 59 Prozent persönliche Erlebnisse mit Followern/Freunden zu teilen, 28 Prozent Werbung und an letzter Stelle mit 10 Prozent tagesaktuelle Nachrichten mit Storys in Verbindung zu bringen. Auch die Frage nach Bekanntheit und Beispielen von Nachrichteninhalten spiegelt dieses Ergebnis wider. Nur 12 Teilnehmer gaben an, Nachrichtenagenturen und Journalisten zu kennen, die ihre Inhalte im Story-Format publizieren. Am häufigsten genannt wurden hier die Tagesschau, Sky Sport News und Vice.

Um über die Art der Verwendung von Texteinblendungen Aussagen treffen zu können, wurden die Umfrageteilnehmer nach der Lautstärke ihrer Medieninhalte gefragt. Eine knappe Mehrheit gab an, den Ton der Medieninhalte auf ihrem Smartphone dauerhaft leise gestellt zu haben. Diese Feststellung verdeutlicht, dass eine deskriptive Verwendung von Texteinblendungen bzw. Text als Transkript von Interview- und Umfrageantworten zu verwenden ist, um eine Nutzung ohne Ton zu ermöglichen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wurde diese Fragestellung wiederholt innerhalb der Muster-Story mit Hilfe zweier Varianten aufgegriffen. Die in der Muster-Story dargestellte Variante 1 enthielt eine Texteinblendung als Frage und die Aufforderung, den Ton einzuschalten, während Variante 2 die Texteinblendung als Transkript der Antwort für die Nutzung der Story ohne Ton darstellte.

Hier entschieden sich die Umfrageteilnehmer mit 68 Prozent für die erste Variante, was einen Widerspruch zur Angabe der Nutzung der Medieninhalte ohne Ton aufzeigt. Als Schlussfolgerung aus der Kombination dieser beiden Ergebnisse lässt sich feststellen: Die Mehrheit hat zwar den Ton ihrer Medieninhalte leise gestellt, tendiert jedoch trotzdem eher zu Texteinblendungen, die dazu anregen den Ton einzuschalten, um auch die auditiven Inhalte der Story hören zu können.

Die zweite Vergleichsuntersuchung, die mit Hilfe der Muster-Story ermittelt werden sollte, beleuchtete die auditive Darstellung von Inhalten in Verbindung mit der Verwendung von Selfies. Variante 1 zeigte einen Video-Snap[6] mit live aufgenommenem Off-Text der Reporterin. Das Gesehene wurde zusätzlich auditiv beschrieben. In der zweiten Variante, einem Selfie-Snap, war die Reporterin bildeinnehmend zu sehen. Das passende Bild zum Text der Reporterin war jedoch nur im Anschnitt und in den Hintergrund gerückt zu sehen. Inhaltlich waren beide Snaps identisch. Die Teilnehmer der Umfrage entschieden sich mit einer Mehrheit von 77 Prozent für die erste Variante. Diese Feststellung konnte zusätzlich bestätigt werden mit der Frage danach, wie viele Selfie-Snaps die Zuschauer für angemessen hielten. Am häufigsten wurde hier die Obergrenze von maximal drei angegeben. Dies bestätigt die Annahmen in der ersten Version des Leitfadens.

Schließlich wurde mit Hilfe der letzten beiden Varianten untersucht, wie die Verwendung von Emojis einzuschätzen ist. Hierzu wurde ein Snap in Variante 1 mit Emojis verziert. In Variante 2 hingegen wurde der gleiche Snap ohne Emojis gezeigt. Das Ergebnis ist auch hier sehr eindeutig, da sich 73 Prozent für die zweite Variante ohne Emoji entschieden.

Das Meinungsbild von Storys betreffend stimmten die Befragten der Aussage zu, dass Storys besonders viel Nähe zum Zuschauer vermitteln, da sie (in Form des Smartphones des Reporters) mitten im Geschehen stehen Aufgrund der automatischen Löschung innerhalb von 24 Stunden seien Storys der Aktualität der Nachrichten förderlich. Große Zustimmung erhielt die Forderung, sich kurz zu fassen: »Umso länger eine Story ist, desto weniger ist der Zuschauer gewillt, sie komplett zu schauen« wurde von 39 Prozent der Befragtem mit »trifft völlig zu«, von 24 Prozent mit »trifft zu« beantwortet.

Das Nutzen von Nachrichteninhalten im Story-Format wird insgesamt (noch) als ungewohnt empfunden. Allerdings gibt mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) an, sich vorstellen zu können, in Zukunft Storys für die Nachrichtennutzung zu verwenden. Im Anschluss wurde nach den Bedingungen gefragt, die eine Story erfüllen sollte, um als sehenswert eingestuft zu werden.

Abschließend werden nun in den folgenden Abschnitten die evaluierten Empfehlungen des Leitfadens beschrieben und begründet.

Anpassung der Vorbereitung

Für Beiträge im Story-Format müssen sich Journalisten anders vorbereiten als für einen klassischen Fernsehbeitrag, da die Story nicht geschnitten werden kann. Das Thema wurde im Rahmen der Online-Umfrage nicht beleuchtet, da hier das Publikum im Mittelpunkt stand. Doch kann basierend auf den Erfahrungen der Autorin eine kurze Einschätzung vorgenommen werden: Die Anpassung des Vorgesprächs an die Besonderheiten des Formats erwies sich als zwingend. Die meisten Interview- und Umfragepartner waren nicht verwundert über das Smartphone als Aufzeichnungsgerät oder die zeitliche Begrenzung ihrer Antworten. Sie konnten meist bereits im ersten Anlauf gut formulierte Antworten innerhalb des Zeitlimits geben.

Frühe Ziel- und Themennennung

Da sich die frühe Ziel- und Themennennung bereits aus der Theorie der Fernsehnachrichten ableiten lässt und in ausnahmslos allen Storys der Analyse aufgetreten ist, wurde dieses Gestaltungs- und Inhaltsmerkmal direkt auf die Muster-Story angewandt. Anders als bei klassischen Fernsehformaten, die mitunter die Highlights und die besten Bilder der Beiträge bereits zu Beginn einer Sendung zeigen, ist dies bei Storys nicht möglich. Dies würde zu einer Dopplung von Clips führen, welche irritierend auf den Zuschauer wirken könnte. Eine frühe Ziel- und Themennennung hilft dem Zuschauer zu erfahren, was ihn in einer Story erwartet. Ebenso ist bereits am Anfang der Story die Einleitung nicht zu lang zu gestalten. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Zuschauer knappe Storys bevorzugen.

Kombination mehrerer Elemente

Es wurde die Verwendung von Emojis sowie Foto- und Videoclips untersucht. Der Einsatz von Fotos in Verbindung mit Texteinblendungen zeigte sich als gute Möglichkeit, längere Texte zu vermitteln, da hier keine Ablenkung durch einen bewegenden Hintergrund erzeugt wurde. Dennoch sollten Fotos im Vergleich zu Videoclips sparsam eingesetzt werden. Einer der Umfrageteilnehmer brachte unter der Frage nach den Bedingungen für eine gute Story sogar an, dass diese ganz auf Fotos verzichten solle, da sie irritierend wirkten. Die Verwendung von Fotos sollte allerdings in Maßen erfolgen, da Fotos aufgrund des fehlenden Tons und der fehlenden Bewegung als irritierend wahrgenommen werden.

Zum Einsatz von Emojis zeigten die Ergebnisse der Umfrage, dass hier wenig Toleranz auf Seiten des Publikums besteht: Sie wirken meist unseriös auf den Zuschauer. Wenn überhaupt, sollten Emojis zurückhaltend eingesetzt werden.

Texteinblendungen

Für die Nutzung von Texteinblendungen besteht eine Abhängigkeit zur Einstellung der Lautstärke auf den Smartphones der Zuschauer. In der Umfrage war das Verhältnis zwischen lautlosen und auf laut gestellten Geräten relativ ausgeglichen. Demzufolge ist tendenziell die transkribierende Verwendung von Texteinblendungen zu empfehlen, da sie es ermöglichen, den Clip ohne Ton zu konsumieren. Allerdings fiel die Entscheidung der Umfrageteilnehmer beim Variantenvergleich der Muster-Story genau entgegengesetzt aus. Hier entschied sich eine Mehrheit von 69 Prozent für die Version mit der eingeblendeten Frage, welche als Anreiz, den Ton der Medieninhalte auf laut zu stellen, konzipiert war. Eine eindeutige Empfehlung kann hier aufgrund der Umfrageergebnisse also nicht ausgesprochen werden. Den Medienproduzenten steht offen eine der beiden Variationen oder beide zu verwenden.

Aufeinanderfolgende Darstellung von Interviewantworten

Da sich die aufeinanderfolgende Darstellung von Interviewinhalten wieder der Produktionsseite der Erstellung von Nachrichtenbeiträgen als Story zuwendet, wurde hier kein Ergebnis in der Online-Umfrage erzielt. Die Einschätzung der Autorin im Rahmen der Erstellung der Muster-Story bestätigte allerdings, dass diese Art der Darstellung bei der Produktion von Vorteil ist. Aufgrund der geringen Clip-Länge würde ohne eine thematisch zusammengehörige Reihenfolge der Clips der Bezug zur vorher gestellten Interviewfrage verloren gehen, wenn z.B. Antworten zur gleichen Frage verstreut in der Story auftreten würden. Durch die aufeinanderfolgende Darstellung von Interviewantworten erschließt sich dem Zuschauer der Zusammenhang direkt, und die Frage muss nur einmal formuliert werden.

Verwendung von Off-Texten

Für die Überprüfung der Verwendung von Off-Texten war in einer der beiden Varianten lediglich ein Schnittbild mit einem dazu aufgenommenen Off-Text der Autorin zu sehen. Als Gegenbeispiel wurde die gleiche Szene im Selfie-Modus aufgenommen. Bei der Gegenüberstellung im Rahmen der Muster-Story entschieden sich 76 Prozent der Umfrageteilnehmer für die Variante mit Off-Text. Dies bestätigt auch den Wunsch der Zuschauer nach persönlicher Zurückhaltung der Reporter.

Sparsamer Einsatz von Selfies

Die Frage nach der Toleranz für Selfies aus Zuschauersicht war ebenfalls Bestandteil der Umfrage. Die Befragten wurden um einen konkreten Zahlenwert der maximal aufeinanderfolgenden Anzahl von Selfies befragt. Bei einer Gesamtheit von 99 Teilnehmern gaben 35 an, maximal drei Selfies hintereinander als angemessen zu empfinden. Diese Angabe wurde gemacht ohne dass Vorabinformationen aus der Analyse bereitgestellt wurden. Auch in der Frage nach den Bedingungen, die eine Story erfüllen sollte, wurde oft der sparsame Einsatz von Selfies gefordert. Als Begründung hierfür brachten Umfrageteilnehmer u.a. an, dass Selfies zu sehr den Reporter und nicht das Thema/das Ereignis in den Mittelpunkt rückten und die Verwendung von Selfies als Selbstdarstellung des Reporters betrachtet werde.

Bereitschaft zu Spontaneität

Spontaneität ist ein weiterer Punkt, der als besondere Anforderung an den Reporter einer Story zu betrachten ist. Spontane Begegnungen mit Menschen vor Ort bzw. Ereignisse beim Erstellen der Muster-Story führten dazu, dass die endgültige Fassung der Muster-Story von ihrem ursprünglichen Konzept stark abwich. Die Bereitschaft zur Spontaneität ist deshalb ein Hilfsmittel, um die Inhalte der Story authentischer zu gestalten.

Zuschauerbindung schaffen

In der Muster-Story wurden die Zuschauer aufgefordert Feedback zu senden. Dies konnte jedoch nicht als letzter Snap verwendet werden, da an dieser Stelle der Dank für die Teilnahme an der Umfrage folgen musste. Da die Muster-Story aufgrund der zu geringen Followerschaft seitens der Autorin nicht öffentlich gepostet wurde, lässt sich hier keine Schlussfolgerung darüber ableiten, ob Zuschauer auf den Aufruf hin geantwortet hätten oder ob dieser Aufruf zu einer höheren Bindung für den Zuschauer führte. Allerdings wurde im Rahmen der Umfrage nach der Bereitschaft den Reportern der Storys zu antworten gefragt. 54% und damit die Mehrheit gab an, sie könnten sich vorstellen, eine private Antwort an den Reporter zu senden.

Fazit

Die Hälfte der getroffenen Empfehlungen lässt sich unter der Überschrift optische Gestaltung zusammenfassen. Hier spielen die Kreativität und Experimentierfreude des Reporters eine wichtige Rolle: sei es die Kombination mehrerer Elemente, die Nutzung von Texteinblendungen, die Vorstellung handelnder Personen, die sparsame Verwendung von Off-Texten oder der Einsatz von Selfies. Bei der Kombination mehrerer Elemente muss abschließend die Empfehlung der sparsamen Nutzung von Foto- im Vergleich zu Video-Clips getroffen werden.

Die zweite Hälfte der Handlungsempfehlungen weist vorrangig inhaltlichen Charakter auf. Ein klares Briefing für Interview- und Umfragepartner ist Voraussetzung für gelungene O-Töne, die nicht durch die Zeitbegrenzung abgeschnitten werden. Die Bereitschaft zur Spontaneität zeigte sich sowohl in der Analyse als auch in der Umsetzungsphase der Muster-Story als wichtiges Hilfs- und Stilmittel.

Schließlich ist die Zuschauerbindung ein Punkt, der sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch inhaltlich begründen lässt. Die Reporter haben die Chance, direktes Feedback auf die veröffentlichten Storys zu erhalten oder Themen nachzugehen, die die Zielgruppe besonders interessieren. Ein Aufruf zur Interaktivität zum Ende einer Story sollte demzufolge eingebunden werden.

Da das wesentliche Erscheinungsbild von Storys – die 24-stündige Verfügbarkeit der Inhalte, die zeitlich begrenzten Clips, das Hochkant-Format und das optische Auftreten – auf allen Plattformen sehr ähnlich ist, können die hier für Snapchat getroffenen Aussagen über optische und inhaltliche Gestaltung auch auf Storys auf anderen Plattformen übertragen werden.

Facebooks CPO Chris Cox verkündete bereits im letzten Jahr, dass die Storys auf dem Weg sind, andere Nachrichten-Feeds zu überholen (vgl. Bogost 2018). Cristina Wilson geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet auf NiemanLab.org »Wenn wir als Instagram-Nutzer durchschnittlich 24 bis 32 Minuten damit verbringen, Stories zu betrachten, müssen wir als Produzenten sie als das behandeln, was sie sind – der neue Fernseher.« (Wilson 2018)

Über die Autorin

Theresa Möckel (*1995) ist seit Ende 2018 im Masterstudiengang Fernsehjournalismus an der Hochschule Hannover eingeschrieben. Davor absolvierte sie den ingenieurwissenschaftlichen Medientechnik-Bachelorstudiengang an der HTWK Leipzig und war gleichzeitig für floid aktiv, das Fernsehen der HTWK Leipzig. Das dort ins Leben gerufene Video-Format »FLOG« entwickelte sie zusammen mit ihrer Kommilitonin Kyra Prohaska, um Inhalte flexibel per Smartphone produzieren und schnell veröffentlichen zu können. Kontakt: moeckel.theresa@gmail.com

Der Beitrag bezieht sich auf die Bachelorarbeit Short mobile Journalism – Kriterien für journalistische Beiträge im Story-Format am Beispiel von »hochkant« auf Snapchat und fasst die dort vorgenommenen Untersuchungen und Ergebnisse zusammen.

Literatur

Anonym (2018): »Mehr ›Stories‹ und noch mehr von allem.« http://www.grimme-online-award.de/presse/pressemeldungen/d/mehr-stories-und-noch-mehr-von-allem/

Atkinson, Sarah (2016): »Wie dein Smartphone das Kino verändert. In: Netzpiloten, 26. November 2018. http://www.netzpiloten.de/smartphone-kino/

Bogost, Ian (2018): » Why ›Stories‹ Took Over Your Smartphone«. 12. Januar 2019. http://www.theatlantic.com/technology/archive/2018/05/smartphone-stories-snapchat-instagram-facebook/559517/

Döring, Nicola; Jürgen Bortz (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

Faulstich, Werner (2008): Grundkurs Fernsehanalyse. Paderborn: Fink.

Firsching, Jan (2018): »Snapchat Statistiken für 2018: Nutzerzahlen, versendete Snaps & Verweildauer.« 21. April 2018. http://www.futurebiz.de/artikel/snapchat-statistiken-nutzerzahlen/

Glikson, Ella; Arik Cheshin; Gerben A. van Kleef (2018): »The Dark Side of a Smiley.« Social Psychological and Personality Science 5.

Marbot, Lionel (2014): »Videos in eine Umfrage einbinden – Umfrage Online Blog.« 01. Juni 2018. http://blog.umfrageonline.com/2014/04/29/videos-in-eine-umfrage-einbinden/

Müller-Lancé, Kathrin (2017): »Snapchat und Journalismus: G20 mit Hasenohren.« 28. Febuar 2018. http://www.taz.de/!5434913/

Newman, Nic ; Fletcher, Richard(2018): »Digital News Report 2018.« http://media.digitalnewsreport.org/wp-content/uploads/2018/06/digital-news-report-2018.pdf?x89475

Schulz, Eva (2017): »9½ Do’s und Dont’s für Storytelling auf Snapchat – YouTube.« 27. April 2018. http://www.youtube.com/watch?v=wFGzvo6h8uE

Steuer, Philipp (2016): »Snap me if you can: Das Buch für alle, die Snapchat endlich verstehen wollen.« 2. Ausgabe, 2016

Wilson, Cristina (2017): » The Year of the Instagram Story«. 21. Januar 2019. http://www.niemanlab.org/2017/12/the-year-of-the-instagram-story/

Anmerkungen

1 funk ist das Content-Netzwerk des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks und vereinigt über 60 Formate, die für eine Zielgruppe der Altersspanne 14 bis 29 ausschließlich online distribuiert werden. Durch die Verbindung zu ARD und ZDF wird funk durch den Rundfunkbeitrag finanziert, garantiert keine Werbeinhalte und verfolgt den Bildungsauftrag.

2 hochkant ist ein Format, dass vom Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert wurde und im Rahmen des Content-Netzwerkes funk auf den sozialen Netzwerken Snapchat und Instagram, News und Nachrichtenbeiträge zur Verfügung gestellt hat. Thematisch bewegten sich dabei die Beiträge von Reportage, über Kommentare bis hin zur Kurznachricht. Seit der angekündigten Winterpause 2017 und der Jahreszusammenfassung gab es bisher allerdings keine neuen Storys.

3 Die Auswirkungen der technischen Anforderungen und Beschränkungen bei der Erstellung von Storys und daraus resultierende Anpassung der inhaltlichen und optischen Gestaltungen wurden berücksichtigt indem Faulstichs Kategorien verändert, ergänzt und an das zu untersuchende Format, die Story, angepasst wurden.

4 Gegenstand der Muster-Story war das Wave-Gotik-Treffen 2018 in Leipzig. Die Autorin besuchte im Rahmen dieser Veranstaltung das alljährlich stattfindende Picknick im Clara Park. Die dort entstandenen Aufnahmen wurden mit den in der App Snapchat zur Verfügung stehenden Bearbeitungsmöglichkeit optisch aufbereitet und anschließend im Rahmen der Online-Umfrage gezeigt.

5 Bei dieser Altersspanne handelt es sich um die größte Nutzungsgruppe der App Snapchat.

6 Im Rahmen der Muster-Story werden die einzelnen Clips mit »Snap« benannt. Dies ist die ursprünglich von Snapchat etablierte Bezeichnung für einen Clip innerhalb einer Story. Egal ob foto- oder videografisch.


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Zitationsvorschlag

Möckel, Theresa: Nachrichten im Hochformat. Wie kann das Story-Format auf Social-Media-Kanälen journalistisch genutzt werden?. In: Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung, 1, 2019, 2. Jg., S. 33-44. DOI: 10.1453/2569-152X-12019-3638-de

ISSN

2569-152X

DOI

https://doi.org/10.1453/2569-152X-12019-3638-de

Erste Online-Veröffentlichung

April 2019