Die Bedeutung der Wirtschaft für Staat und Gesellschaft ist weitgehend unstrittig. Auch für jeden einzelnen spielen ökonomische Entwicklungen eine wichtige Rolle: Denn dabei geht es um Themen wie die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes, steuerliche Belastungen oder die Kaufkraft des Geldes. Umso bemerkenswerter ist, dass die Wirtschaftsberichterstattung von breiten Teilen der Bevölkerung nur wenig geschätzt wird. Nach einer Studie des Allensbacher Instituts für Demoskopie von 2015 belegt das Zeitungsressort Wirtschaft in der Abfrage der Präferenzen einen unrühmlichen 10. Platz, weit hinter Lokales, Politik, Sport und Kultur. Viele andere Studien stützen diesen Befund.
Barbara Brandstetter und Steffen Range gehen in ihrem kompakten Buch Wirtschaft aus der Reihe Basiswissen für die Medienpraxis der Fragestellung nach, warum für viele Menschen der Wirtschaftsjournalismus so unpopulär ist. Doch die beiden Autoren beantworten nicht nur diese Frage und geben Tipps, wie ein besserer aussehen könnte. Sie zeichnen vielmehr knapp und mit klaren Strichen eine Landkarte des Wirtschaftsjournalismus in Deutschland.
Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel: Einführung (1), Aufgaben des Wirtschaftsjournalismus (2), Akteure und Formate (3), Analysen und Fallbeispiele aus wissenschaftlicher Sicht (4), Wirtschaftsjournalismus – Perspektiven und Ausblick (5) sowie Service (6). Im ersten Kapitel wird kurz auf die Geschichte des Wirtschaftsjournalismus eingegangen, im zweiten auf verschiedene Denkschulen und Mediengattungen. Im dritten Kapitel geht es um Quellen, Darstellungsformen und die Sprache in den Wirtschaftsmedien. Das vierte Kapitel resümiert die bisherige – eher geringe – Forschung zu Wirtschaftsjournalismus in Deutschland. Im fünften Kapitel werden rund 15 Thesen zum Wirtschaftsjournalismus von morgen aufgestellt. Der Service-Teil umfasst relevante Literatur und Recherchequellen für Wirtschaftsjournalisten sowie ein Verzeichnis mit Weiterbildungsinstitutionen, Journalistenpreisen und Stipendien.
Das Buch ist sehr gut lesbar. Kleine Exkurse zu spannenden Fällen der Unternehmensberichterstattung oder kurze Interviews mit führenden Wirtschaftsjournalisten lockern das Werk angenehm auf. Anders als bei vielen “How-to“-Ratgebern legen die Autoren ihre Quellen in wissenschaftlicher Manier offen. Dadurch gewinnt das Buch an Glaubwürdigkeit und ist somit nicht nur für Praktiker, sondern auch Studierende und Wissenschaftler eine relevante Publikation zum Thema. Der Anspruch der Reihe, sowohl wissenschaftlich fundierte als auch praxisorientierte Bücher vorzulegen, wird von den Autoren eingelöst.
Einziger Wermutstropfen: Die Quellen sind nicht immer auf der Höhe der Zeit. Warum die Unique User Zahlen diverser Onlinezeitungen vom September 2015 publiziert werden, wenn es viel aktuellere Zahlen gibt, erschließt sich dem Leser nicht (vgl. 52). Und auch einige der im umfangreichen Literaturverzeichnis aufgeführten Bücher gibt es mittlerweile in neueren Auflagen (z.B. Gehrau, Die Beobachtung, 2002, 2017).
Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Autoren ein ebenso fundiertes wie kompaktes Werk gelungen ist. Es bleibt zu hoffen, dass es einen Beitrag dazu leistet, den Wirtschaftsjournalismus bei breiteren Teilen der Bevölkerung an Wertschätzung gewinnen zu lassen.
Diese Rezension ist zuerst in rezensionen:kommunikation:medien (r:k:m) erschienen.
Über den Rezensenten
Ralf Spiller ist Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Macromedia Hochschule, Köln.
Über das Buch
Barbara Brandstetter, Steffen Range: Wirtschaft. Basiswissen für die Medienpraxis. Reihe: Journalismus Bibliothek, Bd. 4. Köln [Herbert von Halem] 2017, 254 Seiten, 18,50 Euro.