Max Weber und das ›Trump-Zeitalter‹ Zur Relevanz und Aktualität des Soziologen und Medienforschers aus Anlass seines Todes vor 100 Jahren

von Siegfried Weischenberg

Abstract: Einer der größten Deutschen aller Zeiten ist er genannt worden, wichtigster Sozialwissenschaftler überhaupt, bedeutender Inspirator und Irritierer bei Versuchen, die moderne Gesellschaft zu beobachten und zu beschreiben. Auch noch genau 100 Jahre nach seinem Tode werden seine Werke in aller Welt beachtet. In den USA, aber auch in China gilt vor allem die Protestantische Ethik als Stück mit nicht nachlassender Strahlkraft – ein bis heute unerreichter holistischer Versuch, die Triebkräfte in der amerikanischen Gesellschaft zu analysieren. Max Weber war ein Universalgelehrter: Nationalökonomie, Rechts- und Religionsgeschichte, Politik, Musik und auch die Massenmedien; über all dies und anderes hat er nach peniblen (empirischen) Studien Profundes publiziert. Die Welt-Karriere des ›bürgerlichen Marx‹ begann jedoch erst allmählich nach seinem frühen Tod im Jahre 1920. Es war zunächst vor allem seine Witwe, die durch geschicktes Publikations-Management und Networking seinen Ruhm mehrte. Inzwischen kümmert sich eine große Schar von ›Weber-Forschern und -Forscherinnen‹ in vielen Ländern um die Entschlüsselung seines Werks. Dieses ist und bleibt rätselhaft. Da gibt es zwar die knackigen Begriffe, Kategorien und Zitate, die Weber hinterließ. Doch was er wirklich meinte, ist auch nach diversen Bänden der gigantischen Max-Weber-Gesamtausgabe in manchen Teilen nicht deutlich geworden. So bleibt der ›Entzauberer‹ unser Begleiter im neuen Jahrhundert. Dies gilt gerade auch für seine Beschäftigung mit Medien und Journalismus. Wie wichtig sie im 20. Jahrhundert sind, erkannte er als einer der ersten. Die Beobachtungsstrategien und Kategorien, welche er zu ihrer Erforschung präsentierte, besitzen bis heute – im ›Trump-Zeitalter‹ der Mediatisierung und kommunikativen Penetrierung – Relevanz und Aktualität.

Als Max Weber am 14. Juni 1920, also vor genau 100 Jahren, im Alter von 56 Jahren an den Folgen der Spanischen Grippe starb, hinterließ er drei ›Witwen‹. Da gab es die Gattin, seine Nichte zweiten Grades, mit der in einer Art ›Kameradschaftsehe‹ gelebt hatte. Dann die deutlich jüngere Geliebte Mina Tobler, eine Schweizer Pianistin, mit der er sich in Heidelberg zu ›musikalischen Studien‹ – im weitesten Sinne – traf. Und schließlich Else Jaffé-von Richthofen, seine ehemalige Promovendin, Ehefrau eines Kollegen und jahrelang (auch) Geliebte seines Bruders, des Soziologen Alfred Weber. Sie war Max Webers große Liebe; mit ihr unterhielt er in seinen letzten Lebensjahren eine Beziehung, die von seinen Biographen und -Biographinnen als ›innig‹ und ›rauschhaft‹ beschrieben wird.

Wer war Max Weber?

Webers Privatleben war ähnlich unübersichtlich wie sein erratisches Werk, das auch im Rahmen der aufwändigen Max-Weber-Gesamtausgabe (MWG) bibliographisch kaum zu bändigen ist. Nach rund vier Jahrzehnten soll sie nun 2020, pünktlich zum 100. Todestag, mit 47 Bänden endlich komplett vorliegen. Fast alle Gründungsherausgeber sind inzwischen gestorben. Die blauen Bände der MWG sehen übrigens ähnlich aus wie die der Marx-Engels-Werke (MEW); sie sind allerdings wesentlich teurer.

Das pompöse Unternehmen ist einem Mann voller Widersprüche gewidmet. Max Weber war eine zerrissene Person: einerseits wissenschaftlicher Titan und altruistische Führernatur, ungewöhnlich klug, vernünftig und unprätentiös, und andererseits egozentrischer Polemiker, chronischer Besserwisser und ehrpusseliger Erbsenzähler. Er war gleichermaßen faszinierend wie irritierend. Dies gilt für die Person ebenso wie für das Werk, welches er hinterließ.

Der Philosoph Karl Jaspers hatte ihn seinerzeit, nach dem Ende der Kaiserzeit, sogar für das Amt des Reichspräsidenten vorgeschlagen. Friedrich Ebert (1871-1925), der dann 1919 von der Nationalversammlung in Weimar zum ersten Präsidenten der Republik gewählt wurde, starb fünf Jahre nach Max Weber; die Gräber der beiden auf dem Bergfriedhof Heidelberg liegen nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss (1884 -1963) gehörte zu den Verehrern Webers, wie allein verschiedene Nekrologe und Erinnerungen aus seiner Feder über den Soziologen zeigen, dem er als junger Mann begegnet war. Er charakterisierte ihn kurz nach dessen Tod als genial, aber auch maßlos.

In seiner Jugend war Weber ein dicklicher, Bier trinkender, Zigarren rauchender und Mensuren schlagender Student gewesen; in seiner Werte- und Gefühlswelt blieb er dem 19. Jahrhundert verhaftet. Doch sein Denken war modern, was sich z. B. auch bei seinem Eintreten für die Rechte der Frauen zeigte.

Als junger Erwachsener wurde Max Weber schnell auf eine Professur berufen. Dann erkrankte er schwer, wurde zum Nervenbündel, das schon bald das Hochschulamt aus gesundheitlichen Gründen niederlegte und von seiner vermögenden Frau versorgt wurde. Lange Zeit schien dem zwar renommierten, aber eigenartig agierenden Privatgelehrten nichts wirklich zu gelingen. Dann jedoch schaffte er den Aufstieg zum Protagonisten der jungen deutschen Soziologie, gefragten Vortragsredner und Publizisten. Schließlich die Rolle des außerehelichen Liebhabers und kurzzeitig die Übernahme einer Professur in München – ehe eine Lungenentzündung seinem Leben ein schnelles Ende setzte.

Im Wissenschaftsbetrieb blieb er ein (hoch angesehener) Outsider; so etwas scheint es heute gar nicht mehr zu geben. Professorale Eitelkeiten schienen ihm fremd zu sein – und ebenso die professoralen Kollegen und Kolleginnen. Viele von ihnen seien »Canaillen«, schrieb er in einem Brief an einen anderen Wissenschaftler. Sympathisch und nur zu berechtigt war seine frühe Warnung vor einer ausufernden Bürokratie, die jenes »Gehäuse der Hörigkeit« herstellt, von dem bei ihm mehrfach, in unterschiedlichen Zusammenhängen, die Rede ist.

Von seinen Zeitgenossen wurde Weber auch deshalb verehrt, weil er sich in schwierigen Zeiten und unter komplizierten Umständen nicht anpasste – niemals, nirgends. Unvorstellbar, dass er sich so feige verhalten hätte wie die republikanischen Kongressabgeordneten beim Impeachment-Verfahren gegen Donald J. Trump. Weber ging keinem Konflikt aus dem Wege; überzog dabei freilich auch manches Mal. Er war kein ›Maulheld‹ – wie so viele Intellektuelle, die er als »Literaten« attackierte und wahlweise mit Verbalinjurien wie »Phrasendreschmaschine«, »lackierte Plebejer« oder »Tintenfassromantiker« bedachte.

Immer wieder habe er sich mit allen Kräften aber für die Ehre anderer Menschen eingesetzt, berichtete seine Witwe in ihrer Weber-Biographie (Marianne Weber 1926). Auch sein zweiter Biograph Karl Jaspers (1958) hob die altruistischen Züge des Helden seiner frühen Jahre hervor: vor dem Kriege als Wissenschaftler und während des Krieges als ritterlich Fürsorgender. Ständigen Kampf um Gerechtigkeit hob er als General-Motiv hinter seinem Handeln hervor.

Die Weber-Literatur ist inzwischen unüberschaubar; man schätzt, dass es allein mehr als fünftausend englischsprachige Publikationen über ihn und sein Werk gibt. ›Weber-Forscher‹ ist zum Fulltime-Job geworden. Mit seinen griffigen Formeln taucht Max Weber sogar in TV-Serien wie The West Wing (mit Martin Sheen als US-Präsident) und in dem Karnevalsschlager »Ich bin so froh, dass ich nicht evangelisch bin« von Jürgen Becker (Mitternachtsspitzen) auf; das ist quasi die Kurzfassung seiner Studie Die protestantische Ethik und der ›Geist‹ des Kapitalismus.

Die ›Protestantische Ethik‹ – Webers (vielleicht) größter Hit

Die Analysen Max Webers zur aufkommenden modernen Gesellschaft wirken (inkl. aller Irrtümer) bis heute nach, und man mag sich wünschen, dass es einen Beobachter gibt, der »Unsere postmoderne Moderne« (Welsch 1993) mit ähnlichem Scharfblick beobachten und beschreiben könnte, wie Weber dies vermochte. Der modernen Gesellschaft gegenüber empfand er eine Art von Hassliebe. Einerseits registrierte er mit klarem Blick ihre hohen Kosten für den einzelnen Menschen. Andererseits faszinierte ihn die in seiner Zeit entstehende neue Welt – so, wie ihn die Neue Welt faszinierte, die er im Herbst 1904 bei seiner fünfmonatigen Reise kreuz und quer durch die USA kennengelernt hatte. Seine auf Nordamerika gemünzte wirkungsmächtige Studie über die ›Protestantische Ethik‹ war da schon weitgehend fertiggestellt.

Ihr Thema ist das, was als ›Weber-These‹ berühmt wurde und stets gleichermaßen aktuell wie umstritten blieb, ihm aber gerade in den USA dauerhaft Aufmerksamkeit sichert: der enge Zusammenhang zwischen Protestantismus und Kapitalismus, ja, seine Entfesselung durch die Kraft der Religion. Die stark calvinistisch geprägte Lebensführung des ›asketischen Protestantismus‹ habe, so postulierte Weber in diesem Aufsatz, prägenden Einfluss auf die berufliche und ökonomische Gesinnung der Akteure gehabt.

Seinen Aufsatz über die ›Protestantische Ethik‹ hatte Max Weber erstmals in den Jahren 1904 und 1905 publiziert; er erregte damit sofort große Aufmerksamkeit und provozierte zum Teil heftige Reaktionen. Diese wiederum veranlassten ihn zu vier ausführlichen ›Antikritiken‹ – wütende Attacken, die ab 1907 in verschiedenen Bänden des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik publiziert wurden.

Religiöser Einfluss als zentrale Triebkraft des Kapitalismus – das ist zwar eine plausible und attraktive, aber steile These, die inzwischen vor allem viele Ökonomen anzweifeln. Ausgangspunkt der Studie war die Frage gewesen, wie die Vorstellung entstanden ist, dass der Mensch seine berufliche Pflicht erfüllen muss. Durch religiöse Leidenschaft, so glaubte der – nach eigenem Bekunden religiös »unmusikalische« – Protestant Weber habe der Kapitalismus anfangs seine Nachhaltigkeit gewonnen. Dann aber habe sich die Sorge um die äußeren Güter als »ein stahlhartes Gehäuse« erwiesen. Das ist seine berühmt gewordene Metapher zu den Folgen des Erwerbtriebs im Kapitalismus für den Lebensstil des oder der Einzelnen, die er am Ende seiner Studie präsentierte.

Wer die heutige US-amerikanische Gesellschaft mit ihrer Mischung aus ungebremstem Erwerbsstreben und ungezügelter Bigotterie aus ungläubigen Augen beobachtet, sollte zu diesem Werk, mehr als hundert Jahre nach seiner Entstehung, greifen. Es enthält Erklärungen zum ›Spirit of capitalism‹, die zu verstehen helfen, was da im ›Trump-Zeitalter‹ vor sich geht.

In welch extremer Weise Religion in der US-amerikanischen DNA enthalten ist, kann man aktuell wieder im Präsidentschaftswahlkampf beobachten – ein Hochamt der Glaubens-Bekenntnisse involvierter Akteure. Zwei Jahrhunderte nach dem Gründervater Thomas Jefferson wird das Land wie keine andere Demokratie westlichen Typs von Betbrüdern und -schwestern beherrscht. Jefferson aber war ein Mann der Aufklärung gewesen, allenfalls eine Art Agnostiker, der sich Zeit seines Lebens fulminant für die strikte Trennung von Staat und Kirche eingesetzt hat.

Weniger denn je wäre heute ein(e) Atheist(in) als Präsidentschaftskandidat(in) in diesem Land – dessen Bevölkerung mehr als 150 Jahre nach Charles Darwin zu mindestens 40 Prozent dem Kreationismus huldigt – vorstellbar. Insofern hat Webers Entzauberungsprogramm dort nicht gezündet. Auch prominente TV-Moderatoren wie z. B. Chris Cuomo (CNN) lassen kaum eine Gelegenheit aus, öffentlich zu bekennen, dass sie »men of faith« sind. Natürlich weiß auch der fanatische Kapitalist Trump, dass seine Wahlchancen sinken würden, wenn er nicht nur die streng gläubigen Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Mitt Romney, seinen republikanischen Parteifeind, der religiösen Heuchelei beschuldigen, sondern auch offenbaren würde, dass seine eigene Religiosität nur einen Gott kennt: ihn selbst. Der chronische ›Dealmaker‹ betet Geld und Erfolg an und bewegt sich zumindest insofern auf Erden in der Logik der ›Protestantischen Ethik‹, die Max Weber seinerzeit auf luzide Weise beschrieben hat. Das darin eingebaute Postulat der Askese befolgt er freilich nur in Hinblick auf Alkohol und Tabak…

Die ›Protestantische Ethik‹ bedeutet, mit den Worten des Soziologen und Weber-Forschers Dirk Kaesler (2006), den Beginn einer der ›Großen Erzählungen‹. Mit ihrer Hilfe hätten sich Menschen überall auf der Welt einen Reim auf ihre Geschichte und Zukunft zu machen versucht. Diese Erzählung von der ›Wahlverwandtschaft‹ von Protestantismus und Kapitalismus stelle quasi die Gegenthese zur Großen Erzählung des Karl Marx vom Aufstieg und zwangsläufigen Ende des Kapitalismus dar. Sie ließ auch anderen Orts aufhorchen: Seit Jahrzehnten schon ist Max Weber auch eine wichtige Referenz für Diskurse über den chinesischen Sonderweg zu einem ›kapitalistischen Kommunismus‹. In China rangierte sein Werk über die ›Protestantische Ethik‹ 2006 sogar oben auf der Bestsellerliste für Sachbücher.

Die Aufräumarbeiten und die ›Weber-Renaissance‹

Marianne Weber (1870-1954) überlebte ihren Mann um mehr als drei Jahrzehnte. Gleich nach seinem Ableben hatte sie sich an die Herkulesaufgabe gemacht, seine wissenschaftliche Hinterlassenschaft zu ordnen und für den Nachruhm zu sorgen. Dazu gehörte zunächst die Kompilation von Schriften zum Opus-Magnum Wirtschaft und Gesellschaft, das im Rahmen der MWG wieder in seine ursprünglichen Bestandteile zerlegt worden ist. Auch alles Weitere erwies sich als Steinbruch. Ein Steinbruch, der bald hundert Jahre lang den ›Hinterbliebenen‹ Rätsel aufgegeben und immense Aufräumarbeiten beschert hat: Zuerst seiner Witwe, dann seinen Jüngern und ›Erben‹, die sich bis heute um die Entschlüsselung seiner ›Entzauberung der Welt‹ kümmern. Das führt auch zu viel Streit über das, was Weber wirklich meinte.

Querelen löst schon die Frage nach der ›Verortung‹ des gelernten Juristen, Professors für Nationalökonomie, des Wirtschafts- und Religionshistorikers, Nestors der Soziologie und Mentors des Journalismus und der Kommunikationswissenschaft aus. Weber ließ sich nicht so ohne Weiteres rubrizieren. Schon seine Zeitgenossen und Zeitgenossinnen irritierte , was in seinem Charakter wohl die Oberhand hatte – die Neigung zum Heldenhaften, Einseitigen, Schroff-Unerbittlichen oder zum Demokratisch-Humanen, Nachsichtigen, Vermittelnd-Unparteiischen? Für Beides lassen sich viele Belege finden.

Sechs Jahre nach dem Tod ihres Mannes legte Marianne Weber dann die spröde Biographie Ein Lebensbild vor, welche viele Jahre lang als Standardwerk über den Soziologen galt und kurz vor ihrem Tode noch einmal überarbeitet wurde. Mina Tobler (1880-1967) und Else Jaffé (1874-1973) waren dann noch als Ehrengäste dabei, als die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (DGS) im April 1964 zu Ehren Webers aus Anlass seines 100. Geburtstags in Heidelberg ihren 15. Soziologentag ausrichtete, der legendär wurde. ›Wertfreiheit‹ – wie schon beim 1. Soziologentag 1910 in Frankfurt a. M. – und Kapitalismuskritik – im Vorfeld der Studentenbewegung – waren dabei die zentralen Themen. Zu den Stars gehörten damals Talcott Parsons, Raymond Aron, Herbert Marcuse und Theodor W. Adorno; der junge Jürgen Habermas machte durch einen unsachlichen Diskussionsbeitrag auf sich aufmerksam.

Zu diesem Zeitpunkt war der Stern Webers noch nicht so richtig aufgegangen – trotz des jahrzehntelangen Engagements seiner Witwe und zahlreicher Elogen auf Person und Werk. Zu den Laudatoren hatten dabei nicht nur Wissenschaftler wie Jaspers gehört, sondern neben Theodor Heuss auch Konrad Adenauer, die zentralen deutschen Politiker in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Erst in den 1970er-Jahren setzte dann eine Art von ›Weber-Renaissance‹ ein, gepaart mit einer Popularisierung seines Œuvres, nachdem der eigenwillige Wissenschaftler, verhinderte Politiker und temporäre Publizist lange Zeit doch eher ein Geheimtipp der Scientific Community gewesen war. Inzwischen scheint für ihn heute kein Superlativ gewaltig genug: Er gilt manchen als einer der größten Deutschen aller Zeiten – und auf jeden Fall als »German Genius« (Watson 2010). In solchen Dimensionen wird heutzutage nur Donald J. Trump gelobt, allerdings vor allem von sich selbst.

Vielleicht war Max Weber tatsächlich einer der letzten Universalgelehrten. Das Spektrum der vielen Themen, denen er sich im Laufe seines nicht sehr langen Lebens widmete, das immer wieder durch Krankheiten bestimmt wurde, reicht von der Agrarverfassung der Antike über die Handelsgesellschaften des Mittelalters und die ostelbischen Landarbeiter, die religiösen Wurzeln des Kapitalismus und den Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft bis hin zu den Erscheinungsformen der Presse und des Journalismus.

In den Jahren vor seinem Tode steuerte er zum Schatz zentraler Texte über die moderne Gesellschaft noch die vielzitierten Vorträge über Wissenschaft und Politik als Beruf(ung) bei. In Politik als Beruf hatte er um Verständnis für die Schwierigkeiten geworben, denen ernsthafte journalistische Arbeit ausgesetzt ist, und mit der Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik Kategorien vorgelegt, an denen sich moralische Diskurse (nicht nur) über politisches Handeln bis heute reiben. Als er damals vor Münchner Studenten auftrat, waren Augenzeugen fasziniert von der ›Aura eines alttestamentarischen Propheten‹, die ihn bei seiner freien Rede umgeben habe.

Sich auf diesen Max Weber und sein Werk einen Reim zu machen, ist bis heute keinem seiner Biographen wirklich gelungen, auch wenn die letzten Versuche, publiziert im Jahre seines 150. Geburtstags, durchaus beeindrucken. (Kaesler 2014, Kaube 2014) Ein anderer hat in einem dickleibigen Buch alles auf eine Karte gesetzt: die unterdrückte Sexualität in einer unbefriedigten Ehe. (Radkau 2005)

So manches, was Weber geschrieben und gesagt hat, ist heute quasi Gemeingut – zitierfähig bei fast jeder Gelegenheit, und gerade von Politikerinnen und Politikern (wie z. B. Helmut Schmidt) immer wieder gern genommen. Hit-Status erlangten nun diverse seiner luziden Wortschöpfungen und Formeln: Idealtypus, Verantwortungsethik, Charisma, die harten Bretter, welche der Politiker bohren muss, und zwar »mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich«, sowie – und vor allem – die Entzauberung der Welt.

Die ›Presse-Enquête‹ – das gescheiterte Großprojekt

Die berühmte Entzauberungs-Formel – als Basisdiagnose und Perspektive seiner Soziologie – ist auch auf Webers Vorschläge für eine ›Mediensoziologie‹ anwendbar, die in dem 1910 beim Ersten Deutschen Soziologentag vorgestellten Projekt einer ›Presse-Enquête‹ enthalten sind. Damals und danach haben die Soziologie und später die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft eine große Chance verpasst: Auf den Schultern des Riesen wäre früh ein Weitblick auf die ›Mediengesellschaft‹ unserer Tage möglich gewesen, ja sogar auf die toxische öffentliche Kommunikation im ›Trump-Zeitalter‹. Denn die damals von Weber formulierten Fragestellungen beschrieben weitgehend erschöpfend den wissenschaftlichen Zugriff auf Prozesse der Selbstbeobachtung der Gesellschaft mit Hilfe von Medien und Journalismus; sie erscheinen anschlussfähig für das postmoderne Bewusstsein von Paradoxien der ›Massenmedien‹ wie Perversionen der ›Sozialen Medien‹.

Doch die einschlägigen Fächer zeigten – das gilt zumindest für dieses Thema – ihre (damalige) Impotenz und bewiesen danach Ignoranz gegenüber einer theoriegeleiteten empirischen Untersuchung von Medien und Journalismus. Webers Plan für eine solche Untersuchung geriet dann für lange Zeit in Vergessenheit, ehe einige wenige Sozial- und Kommunikationswissenschaftler darauf zurückkamen.

Die Presse-Enquête hatte in jenen Monaten vor dem Soziologentag für Weber höchste Priorität besessen, wie seine vielen Briefe zu diesem Thema zeigen. Er suchte personelle und finanzielle Unterstützung, denn das Unternehmen würde nicht nur arbeitsaufwändig, sondern auch teuer sein. Am 20. Oktober 1910 präsentierte er dann in seinem ›Geschäftsbericht‹ ein Bündel von speziellen Forschungsfragen; sie kreisten um die Themen Medien und Öffentlichkeit, Medienökonomie, Merkmale der Medienakteure, Medien- und Journalismussysteme im internationalen Vergleich und journalistische Praxis (insbesondere Nachrichtensammlung und -selektion). Wenn man diese (insgesamt 20) Forschungsfragen ordnet und in modernere Terminologie überträgt, so zeigt sich, dass sie nur zum kleineren Teil zeitgebunden waren; sie erscheinen universell und bis heute aktuell.

Die Bedeutung dieses Forschungsplans, der geradezu die Dimensionen eines ›Sonderforschungsbereichs‹ aufweist und deshalb von dem Weber-Biographen Joachim Radkau sozusagen als ›Totgeburt‹ bezeichnet worden ist, wird inzwischen fachlich als sehr hoch eingestuft. Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass Weber in den USA zu den wichtigsten Referenzen für die dortige empirische Medienforschung gezählt wird.

Webers Fragestellungen sind dann aber (erst) mehr als 20 Jahre nach der Frankfurter Tagung und mehr als 10 Jahre nach seinem Tod nach und nach von der einschlägigen Wissenschaft bearbeitet worden – und zwar zuerst von der nordamerikanischen Kommunikationsforschung und dort insbesondere von Forschern mit europäischen Wurzeln (u. a. Lewin und Lazarsfeld).

Die geplante Studie war ein ›Entzauberungsprogramm‹, das auch dem ›rationalisierten‹, in Ansätzen damals schon ›taylorisierten‹ Journalismus galt: seiner sozialen Funktion und seinen ökonomischen Bedingungen, seinen Prozeduren, Rollen und Folgen – und all den damit zusammenhängenden Paradoxien, die für den Journalismus kennzeichnend sind. (Pörksen/Loosen/Scholl 2008).

Der Mediensoziologe und seine Spuren

Warum das ambitionierte Unternehmen letztlich gescheitert ist – darüber gehen die Meinungen in der Literatur auseinander. Einigkeit besteht immerhin darüber, dass Webers Pyrrhus-Sieg beim ›Heidelberger Professorenstreit‹ eine wichtige Rolle gespielt hat. Durch seinen damaligen Kampf gegen den Quellenschutz und seine Vernichtung des Journalistik-Professors Adolf Koch hatte er die Unterstützung der deutschen Presse und der Journalisten für das Projekt verloren. Letztlich waren es die kleinen (juristischen) Kriege Webers, die es vor dem großen Krieg scheitern ließen.

Von dem Plan Webers blieben schließlich nur eine kleine Redakteurs-Befragung übrig, bei der die ausgefüllten Fragebögen aber verschwanden, sowie ein paar Dissertationen – und mehr oder weniger deutliche Spuren in diversen empirischen Studien, die zum Teil erst Jahrzehnte später durchgeführt wurden. Diesen Spuren waren in den vergangenen Jahren spezielle Forschungsprojekte gewidmet.

Seine Beschäftigung mit den Massenmedien hatte sich indessen nur als Episode erwiesen. Auch bei diesem Thema gab es dann eine lange Verzögerung zwischen Webers Aktivitäten und ihrer Rezeption durch die einschlägige Wissenschaft. Erst in den 1950er-Jahren fing die damalige Publizistikwissenschaft an, sich für Webers Forschungsideen zu interessieren, die er damals in Frankfurt vorgestellt und denen er sich eine Zeitlang mit großem Engagement gewidmet hatte. Endlich hatte man erkannt, dass sich Weber auch als Referenz für das eigene Fach eignete, um dessen Renommee es nie zum Besten gestanden hatte. Zuerst Fritz Eberhard und Elisabeth Noelle-Neumann und später Hanno Hardt und Arnulf Kutsch machten darauf aufmerksam, dass Max Weber im Rahmen seiner inspirierenden Bemühungen um die Soziologie als neue akademische Disziplin nachhaltig dafür plädiert hatte, die seit Ende des 19. Jahrhunderts aufkommenden Massenmedien und ihre Akteure, die Journalisten und Journalistinnen, ins Visier zu nehmen.

Einflüsse des ›Mediensoziologen Weber‹ sind, so lässt sich inzwischen zeigen, über die Jahrzehnte – sowohl in der Theorie als auch in der Empirie zum Thema ›Medien und Journalismus‹ – in vielfältiger Weise nachweisbar. Der Rekurs erfolgte dabei zum einen direkt, wenn seine Fragen, Kategorien oder Begriffe (z. B. Idealtypus, Charisma, Verantwortungsethik) aufgegriffen und sein (international) vergleichender methodischer Zugriff übernommen wurden. Sein Einfluss wurde aber auch indirekt wirksam – etwa über den Umweg der Referenz auf Gesellschaftstheoretiker, die selbst in starkem Maße auf Weber rekurrieren. Am Beispiel von Habermas, Luhmann und Bourdieu lässt sich hier zeigen, wie dies in den aktuellen Theoriedebatten der Kommunikationswissenschaft seinen Niederschlag findet – etwa beim Diskurs über System/Akteur-Konstellationen in der Journalismusforschung. (Weischenberg 2012, 2014)

Im Jahre 1930, ein Jahrzehnt nach Webers Tod und zwei Jahrzehnte nach der Präsentation seines Presse-Projekts, hatte sich der ihm gewidmete 7. Deutsche Soziologentag in Berlin noch einmal mit dem Thema ›Presse und Öffentlichkeit‹ beschäftigt. Auch dies war eine bemerkenswerte Veranstaltung – im Vorfeld der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Carl Schmitt, ihr geistiger Wegbereiter, wartete dabei in der Diskussion mit seiner radikalkonservativen Auffassung von Pressefreiheit als ›polemischem Begriff‹ auf. Und Ferdinand Tönnies, seit ihren Anfängen immer noch Vorsitzender der DGS, erregte den Zorn anwesender Zeitungswissenschaftler, darunter Emil Dovifat, als er ihr Fach als »Hühnerwissenschaft« titulierte; diese pejorative Bezeichnung ist haften geblieben.

War Max Weber (auch) ein Journalist?

Zu den vielfältigen Bemühungen um eine Identifizierung Max Webers gehört die Suche nach Antworten auf die Frage, ob er (auch) ein Journalist war. Nun hat er zweifellos eine Zeitlang und immer mal wieder in journalistischen Medien publiziert, z. B. in seinem ›Leib- und Magenblatt‹ Frankfurter Zeitung (1915 -1919), in den Münchener Neuesten Nachrichten (1916/1917), in der Berliner Börsen-Zeitung (1919) und früh schon in der Allgemeinen Zeitung München (1898). Und gewiss ist auch die Feststellung zutreffend, dass er sich Zeit seines Lebens für Medien und Journalismus interessierte und dass es da vielfältige Verbindungen gab. Tatsächlich besaß er als Wissenschaftler und Publizist eine seltene Kombination aus theoretischen und praktischen Kompetenzen.

Ob aber tatsächlich von einer ›Medien-Karriere‹ Webers die Rede sein kann, wie gelegentlich behauptet wird, muss bezweifelt werden. ›Journalist‹ war für ihn nicht einmal peripher eine Berufsrolle. Anders als Karl Bücher hatte er auch nicht in der Redaktion der Frankfurter Zeitung gearbeitet – wo dieser mehrere Jahre lang in fester Anstellung tätig gewesen war. Ende November 1918 verbrachte Weber zwar tatsächlich einige Wochen in den Räumen des Blatts, jedoch nicht als Journalist, sondern als ›politischer Berater‹; in dieser Zeit entstanden dann einige Zeitungsbeiträge über Deutschlands künftige Staatsform.

Schon im Mai/Juni 1917 hatte er in der Frankfurter Zeitung eine vierteilige Artikel-Folge über »Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland« publiziert. Dass Max Weber kurz vor seinem Tode beruflich vielleicht noch umsatteln wollte und sich die Tätigkeit bei einer Zeitung vorstellen konnte, wie seine Witwe später berichtete, war wohl eher akutem Frust über seine ungeliebte, nach jahrelanger Abstinenz gerade erst wieder übernommene Rolle als Hochschullehrer geschuldet, als einer ernsthaften (späten) Karriere-Planung.

Allerdings hatte Weber – zumal, wenn er sich zu aktuellen politischen Themen äußerte – eine gewisse Affinität zum Genre des Zeitungsartikels. Doch erweist er sich gerade in diesen Beiträgen als jemand, der – wie heute zahlreiche ›Medienprofessoren und -professorinnen‹, die es in die Medienöffentlichkeit zieht – aus der Perspektive des Wissenschaftlers beobachtet, auch wenn er sozusagen Journalismus simuliert. Gewiss stellt sich Weber aber in seinen aktuellen Beiträgen – jedenfalls thematisch – der ›Forderung des Tages‹ und bedient insofern redaktionelle Erwartungen. Der Aufbau folgt oft eher thesenartiger Vortrags-Rhetorik als Regeln journalistischer Genres; der Stil erscheint leitartikelnd-emotional und auf jeden Fall alles andere als ›werturteilsfrei‹. Seine Zeitungsartikel sind Exempel für den Zeitgeist, aus dem heraus Weber damals in der Öffentlichkeit wirkte. (Hufnagel 1971)

Der zornige ›Wirklichkeitswissenschaftler‹

Max Weber war bekennender ›Wirklichkeitswissenschaftler‹. Seine Forschung trug der ›Realität‹ Rechnung – zumindest insofern, als er ihre Komplexität aus unterschiedlichen Beobachtungs-Perspektiven empirisch zu erfassen und beschreiben versuchte. Dabei hatte er zunächst stets die (moderne) Gesellschaft im Visier und fragte nach den Folgen ihrer Eigentümlichkeiten. Dies geschah dann so originell, aber eben auch erratisch, dass die vielen Anhänger und Anhängerinnen Webers in den Jahrzehnten nach seinem Tod glaubten, bei ihm alles Mögliche abholen und dem eigenen Werk einverleiben zu können. Auch dies zeigt die Suggestivkraft seiner Ideen – zur Geschichte der Religionen, zur Entstehung des Kapitalismus, zu Macht und Herrschaft, zur Rationalisierung, Bürokratisierung sowie Existenz sozialer Institutionen und insgesamt zur Entzauberung der Welt (durch Wissenschaft), wobei er als Erster die Notwendigkeit erkannt hat, die aufkommenden Massenmedien als Einflussgröße einzubeziehen und auf ihre Merkmale und Wirkungen hin zu untersuchen.

Weber leistete sich, auch öffentlich, etwas sehr Seltenes: Zorn. Er besaß Zivilcourage und bewies dies sowohl als Wissenschaftler (etwa bei der Förderung jüdischer Wissenschaftler gegen heftige Widerstände) wie als politischer Publizist. Zu fast jedem Thema und bei fast jeder Gelegenheit vertrat er seine Meinung – oft ›querdenkend‹ und bisweilen bis ins Extrem der juristischen Auseinandersetzung. Sein Rezept dabei: Der gelernte Jurist beleidigte Leute so lange, bis sie ihn verklagten – so dass es zum Prozess kam, bei dem er auftrumpfen konnte. Dieses Rezept funktionierte freilich nicht bei dem ihm besonders verhassten Kaiser Wilhelm II., der seine Attacken schlicht ignorierte.

Weber, der »Institutionalist« (Pöttker 2019), hätte aufmerksam beobachtet und mit allem, was seine polemischen Mittel hergaben, bekämpft, wie Donald J. Trump heute in den USA die sozialen Einrichtungen zerlegt, die der Integration und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft dienen. Sein ›War against the Media‹ war der erste und markanteste Versuch einer De-Institutionalisierung auf allen Ebenen. Seither versucht er, insbesondere das Rechtssystem aus den Angeln zu heben.

Mit Verspätung, aber dafür umso fulminanter, ist Max Weber ein Thema für aktuelle Medien und ihre Journalisten und Journalistinnen geworden. Auch hierzu fehlt zwar umfassende systematische Forschung. Es fällt jedoch auf, dass man sich der Werke Webers bedient, wenn es darum geht, Komplexes zu etikettieren oder eine Stichflamme zu entzünden – in Deutschland und anderswo. Max Weber konnte so in den vergangenen zwei Jahrzehnten sogar für eine ›breite Öffentlichkeit‹ zum Thema werden. Inzwischen haben nicht nur populäre Medien Werk und Person ›popularisiert‹; sogar Fachkollegen und -kolleginnen interessieren sich für den Menschen Weber – und seien die zu referierenden Begebenheiten noch so kleinteilig und unwichtig.

In den 1980er-Jahren ist der Name Weber den Journalisten und Journalistinnen in den USA noch kaum bekannt gewesen. Dann aber ›explodierte‹ seine Reputation in den Medien geradezu. Dies geschah freilich strikt nach den Mechanismen des Journalismus – der aus allem ›Journalismus‹ macht. Eine qualitative Analyse von Quellen aus den Jahren 1998 bis 2000 zeigt, wie Webers theoretische Überlegungen und Kategorien so publikumsnah präsentiert wurden, dass der Soziologe plötzlich zu einer Art Ikone werden konnte. Die ›Medienikone‹ zahlt dafür freilich den Preis der Verfremdung, Verkürzung oder sogar Verdrehung ihrer Ideen und der Instrumentalisierung für persuasive Zwecke. Den freihändigen Gebrauch Weber‘scher Kategorien in den Medien zeigten dabei insbesondere die Begriffe ›Protestantische Ethik‹, ›stahlhartes Gehäuse‹, ›Bürokratisierung‹ und ›Charisma‹. (Sica 2004)

Wie aktuell Weber ist, demonstriert – für die normative Auseinandersetzung mit Medien und Journalismus – das Potential seiner Unterscheidung zwischen Verantwortungs- und Gesinnungsethik, die am Beispiel des ›Investigativen Journalismus‹ plausibilisierert werden kann. Hier leitet im Allgemeinen eine verantwortungsethische, zweckrationale Orientierung das Verhalten der Akteure; wenn es darum geht, mit bestimmten – womöglich grenzwertigen – Mitteln ein ›gutes Ziel‹ zu erreichen (wie z. B. die Aufklärung über Mängel oder Vergehen im politischen System), werden bei der Recherche gesinnungsethische, wertrationale Prinzipien zurückgestellt.

Insbesondere ein Satz aus Max Webers damaliger Frankfurter Grundsatzerklärung zur Funktion der Massenmedien trifft in Zeiten von Medienkrise und Medienkrieg (Weischenberg 2018) mehr denn je ins Schwarze – und dies gilt in diesen Zeiten noch mehr für die USA als für Europa: »Denken Sie sich die Presse einmal fort, was dann das moderne Leben wäre, ohne diejenige Art der Publizität, die die Presse schafft.« (Weber 1911)

Über den Autor

Dr. Siegfried Weischenberg (*1948) arbeitete zunächst rund zehn Jahre als Journalist, ehe er an die Hochschule wechselte, um beim Aufbau des Dortmunder Modellstudiengangs Journalistik mitzuwirken. Danach war er als Professor für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an den Universitäten von Dortmund (1979-1982), Münster (1982-2000) und Hamburg (2000-2013) tätig sowie als Gastprofessor u. a. in den USA, Russland und Südafrika. Vorträge und Lehrveranstaltungen in vielen weiteren Ländern, darunter China, Kambodscha, Indonesien, Südkorea, Ecuador, Chile, Israel, Türkei, Libanon, Belarus und Ukraine. Weischenberg publizierte mehr als 20 Bücher sowie zahlreiche Aufsätze in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, insbesondere zu den Themen Nachrichtenjournalismus, Politische Kommunikation, Medientechnologien und Systemtheorie; zusammen mit Kollegen untersuchte er zweimal den ›Journalismus in Deutschland‹ auf der Basis von repräsentativen Stichproben der Akteure. Von 1999 bis 2001 war er Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes. Er lebt in Hamburg und Port Alfred (Südafrika). Kontakt: weischenberg@gmail.com

Literatur

Aswerus, Bernd Maria: Die geistige Determinante im Kultur- und Sozialgeschehen bei Max Weber. Untersuchung zur Konzentrik der Gedankenkreise Max Webers unter Rücksicht auf den Versuch der Ortung seines Entwurfs einer Soziologie des Zeitungswesens in seinem Gesamtwerk. München [Phil. Diss., Universität München] 1955

Averbeck-Lietz, Stefanie: Soziologie der Kommunikation. Die Mediatisierung der Gesellschaft und die Theoriebildung der Klassiker. Berlin, Boston [de Gruyter Oldenbourg] 2015

N.N.: Verhandlungen des Siebenten Deutschen Soziologentages vom 28. September bis 1. Oktober 1930 in Berlin. Tübingen [J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)] 1931

Bastin, Gilles: The mediatisation and anonymisation of the world in the work of Max Weber. In: Max Weber Studies, 9. Jg., 2009/1 & 2, S. 123-141

Hardt, Hanno: Social Theories of the Press. Early German & American Perspectives. Foreword by James W. Carey. Beverly Hills/London [Sage] 1979

Hufnagel, Gerhard: Kritik als Beruf. Der kritische Gehalt im Werk Max Webers. Frankfurt/M., Berlin, Wien [Ullstein] 1971

Jaspers, Karl: Max Weber. Politiker, Forscher, Philosoph. München [R. Piper] 1958 [1932]

Kaesler, Dirk: Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie. München [C.H. Beck] 2014

Kaesler, Dirk (Hrsg.): Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. 2. durchges. Aufl. München [C.H. Beck] 2006 [2004]

Kaube, Jürgen: Max Weber. Ein Leben zwischen den Epochen. Berlin [Rowohlt] 2014

Kutsch, Arnulf: Max Webers Anregung zur empirischen Journalismusforschung. Die Zeitungsenquête und eine Redakteurs-Umfrage. In: Publizistik, 33. Jg., 1988/1, 1988, S. 5-31

Marty, Christian: Max Weber, ein Denker der Freiheit. Weinheim, Basel [Beltz Juventa] 2019

Pörksen, Bernhard; Loosen, Wiebke; Scholl, Armi (Hrsg.): Paradoxien des Journalismus. Theorie – Empirie – Praxis. Wiesbaden [VS Verlag für Sozialwissenschaften] 2008

Pöttker, Horst: Institution – Handeln – Dynamik. Max Weber revisited. Vortrag beim Symposium ›Kommunikationswissenschaftliche Perspektiven des Institutionalismus II‹. Universität Zürich, 20./21.9.2019

Radkau, Joachim (2005): Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens. München, Wien [Hanser] 2005

Sica, Alan: Max Weber & the New Century. New Brunswick, London [Transaction Publishers] 2004

Stammer, Otto (Hrsg.): Max Weber und die Soziologie. Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages. Tübingen [J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)] 1965

Watson, Peter: The German Genius. London, New York [Simon & Schuster] 2010

Weber, Marianne: Max Weber. Ein Lebensbild. Tübingen [J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)] 1926

Weber, Max: Geschäftsbericht. In: Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages vom 19.-22. Oktober 1910 in Frankfurt/M. Tübingen [J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)] 1911, S. 39-62

Weischenberg, Siegfried: Max Weber und die Entzauberung der Medienwelt. Theorien und Querelen – eine andere Fachgeschichte. Wiesbaden [Springer VS] 2012

Weischenberg, Siegfried: The Disenchantment and Measurement of the Media World: Weber’s Universal Project, its Fate and its Legacy. In: Max Weber Studies,13. Jg., 2013/2 (July), 2013, S. 237-253

Weischenberg, Siegfried: Max Weber und die Vermessung der Medienwelt. Empirie und Ethik des Journalismus – eine Spurenlese. Wiesbaden [Springer VS] 2014

Weischenberg, Siegfried: Medienkrise und Medienkrieg. Brauchen wir überhaupt noch Journalismus? Wiesbaden [Springer] 2018

Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. Berlin [Akademie Verlag] 1993


Über diesen Artikel

Copyright

Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

Zitationsvorschlag

Siegfried Weischenberg: Max Weber und das ›Trump-Zeitalter‹. Zur Relevanz und Aktualität des Soziologen und Medienforschers aus Anlass seines Todes vor 100 Jahren. In: Journalistik, 1, 2020, 3. Jg., S. 3-16. DOI: 10.1453/2569-152X-12020-10303-de

ISSN

2569-152X

DOI

https://doi.org/10.1453/2569-152X-12020-10303-de

Erste Online-Veröffentlichung

Juni 2020