Narrative zu polizeilichem Vorgehen Eine kritische Diskursanalyse der Berichterstattung über die #BlackLivesMatter-Bewegung in den sozialen Medien

Von Alfred J. Cotton III und Jeffrey Layne Blevins | Die Ermordung George Floyds durch den Polizeibeamten Derek Chauvin am 25. Mai 2020 führte im Sommer 2020 weltweit zu Protesten. Bereits zwei Monate zuvor war Breonna Taylor bei einem Einsatz des Louisville Metro Police Department durch Polizeischüsse zu Tode gekommen. Der Hashtag #BlackLivesMatter wurde in den sozialen Medien zum Trend und entfachte eine landesweite Bewegung für soziale Gerechtigkeit neu – und das alles zeitgleich zu einer globalen Pandemie. Wir untersuchen in einer kritischen Diskursanalyse, wie Mitglieder der Black-Lives-Matter-Bewegung in Berichten vier US-amerikanischer Zeitungen zitiert, als Quellen genannt oder (mis-)identifiziert wurden.

Die Wahrheit ans Licht bringen Selbstverständnis und Berufspraktiken mitteleuropäischer Auslandskorrespondent:innen, die über den Krieg in der Ukraine berichten

Von Teodora Trifonova und Joy Jenkins | Untersucht werden die Berufspraktiken von Auslandskorrespondent:innen, die für mitteleuropäische Medien über den Krieg in der Ukraine berichten. Ausführliche Interviews mit Vertreter:innen führender Medienorganisationen in Bulgarien, Rumänien und Ungarn (N = 11) zeigen, dass die Korrespondent:innen den ukrainischen Behörden als Informationsquelle misstrauen und lokalen ukrainischen Fixern skeptisch gegenüberstehen. Sie sehen sich in einem Konflikt zwischen ihren persönlichen Überzeugungen und journalistischen Standards, da sie dem Krieg gegenüber nicht neutral sind, aber versuchen, in ihrer Berichterstattung objektiv zu bleiben. In allen drei Ländern sei der Einfluss Russlands seit Kriegsbeginn spürbar.

Diversity im Journalismus Eine empirische Analyse von Geschlecht, Alter und Herkunft im deutschen Zeitungsjournalismus

Von Roxane Biller, Seraina Cadonau und Marion Frank | Für vielfältige und sensible journalistische Berichterstattung braucht es personelle Diversität in den Redaktionen. Vorangegangene Studien (vgl. u. a. Niggemeier 2018; Hasebrink et al. 2021; Spiller 2018) zeigen die Relevanz der Thematik. Forschungsleitende Frage dieses Beitrages ist, ob die Zusammensetzung von Zeitungsredaktionen so divers ist, dass sie die Bevölkerung widerspiegelt. Dabei stehen die drei Diversitätsmerkmale Geschlecht, Alter und Herkunft im Mittelpunkt. Das Interesse gilt auch den Unterschieden zwischen Zeitungen verschiedener politischer Ausrichtung und zwischen den Ebenen Redaktion und Führungsposition. Insgesamt konnten 1503 Datensätze aus sechs Zeitungsredaktionen überregionaler Publikationen ausgewertet werden, die aus öffentlichen Sekundärdaten in Ergänzung persönlich abgefragter Primärdaten erhoben wurden. Die Auswertung ergibt, dass junge Menschen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte und Frauen im deutschen Zeitungsjournalismus unterrepräsentiert sind. Zusammenhänge wurden zwischen der politischen Ausrichtung und der Herkunft der Mitarbeitenden sowie zwischen der Hierarchieebene und der Altersstruktur festgestellt. Folglich sind deutsche Zeitungsredaktionen derzeit nicht ausreichend divers besetzt.

Über gewöhnliche Wörter und ungewöhnliche Dinge Eine Analyse der Verständlichkeit deutscher TV-Nachrichten

Von Sophie Wannenmacher | Wie verständlich sind TV-Nachrichten? Für diesen Beitrag wurden dreißig Nachrichten-Meldungen analysiert, die zwischen November 2022 und Dezember 2022 gesendet wurden. Die analysierten Meldungen und Moderationen stammen aus folgenden Nachrichtensendungen: 20 Uhr-Ausgabe der tagesschau im Ersten (ARD), Sat.1 Abendnachrichten (der neue Name lautet seit Juni 2023 :newstime [vgl. Weis 2023]), RTL Aktuell, logo! im Kinderkanal und heute im ZDF um 19 Uhr. Neben Untersuchungen anhand dreier Verständlichkeitsmodelle wurden auch das Sprechtempo und weitere sprachliche Parameter im Detail analysiert und miteinander verglichen. Die Analysen zeigen, dass logo! und heute die beiden verständlichsten Sendungen sind. Danach folgen die Sat.1 Nachrichten und RTL Aktuell. Die tagesschau ist im Durchschnitt und innerhalb des beobachteten Zeitraums am wenigsten verständlich.

Qualitätsdefizite im Medizin- und Gesundheitsjournalismus Eine explorative Fallsammlung mit Schwerpunkt Covid-19 und Corona-Pandemie

Von Timo Rieg | Anhand von Berichterstattungsbeispielen aus dem Gesundheits- und Medizinjournalismus wird die praktische Bedeutung der Qualitätskriterien Richtigkeit, Genauigkeit, formale Vollständigkeit, Relevanz, Meinungs- und Perspektivenvielfalt, Maßstabsgerechtigkeit und Berichtigung diskutiert. Als Maßstab dient dabei das mit der Berichterstattung erbrachte Orientierungsangebot. Die vorgestellten Einzelfälle zeigen Defizite auf, die sich überwiegend ohne nennenswerten Mehraufwand mit journalistischen Arbeitsroutinen vermeiden lassen. Der Beitrag will so einen Impuls für die Selbst- und Fremdreflexion der Medienpraxis geben.

Die Matrix der Mediasierung Journalismus in einem neuen medialen Ökosystem

Von Thomas Birkner | Die Wechselbeziehungen und Interaktionen zwischen Politik und Medien werden in der Kommunikationswissenschaft breit diskutiert, und Medialisierung und Mediatisierung sind dabei zu beliebten und fruchtbaren Konzepten für die empirische Forschung geworden – in der Journalistik allerdings kaum. Der vorliegende konzeptionelle und theoriegeleitete Beitrag geht jedoch von der These aus, dass die Herausforderungen, denen sich der Journalismus heute gegenübersieht, mit Prozessen zusammenhängen, die wir in der Kommunikationswissenschaft mit den Konzepten Medialisierung und Mediatisierung erforschen. Hier werden diese Konzepte in die Journalismusforschung integriert. Dabei wird die Argumentation in vier aufeinander aufbauenden Schritten dargelegt. Erstens wird Journalismus in seinem interaktiven Medienökosystem verortet. Zweitens werden die beiden unterschiedlichen Traditionen von Medialisierung und Mediatisierung differenziert. In einem dritten Schritt werden Medialisierung und Mediatisierung jeweils erweitert und in einer Matrix zusammengeführt. Im abschließenden vierten Schritt wird bereits existierende empirische Journalismusforschung innerhalb dieser Matrix angeordnet, wobei wir uns auf die Wechselbeziehungen und Interaktionen zwischen mediatisiertem Journalismus und den medialisierten sozialen Systemen Politik, Wissenschaft und Sport konzentrieren. Schließlich werden neue Forschungsperspektiven eröffnet.

Gewalt gegen Frauen – Eine konstruktive Annäherung Wie durch Konstruktiven Journalismus eine verantwortungsvolle Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen erreicht werden kann

Von Christina Fleischanderl | Die Daten der 2022 veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) in Deutschland sind eindeutig: Sogenannte Partnerschaftsgewalt hat zugenommen, von wem sie ausgeht und wen sie trifft, ist klar. Bei 80,3% der Delikte wurde Frauen in verschiedenster Weise Gewalt angetan (vgl. BKA 2022: 33). Wie jedoch über diese Gewalt gegen Frauen berichten? Erhoben wird durch die Analyse überregional verbreiteter deutscher und österreichischer Zeitungen der Status quo der Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen. Expert*inneninterviews geben Aufschluss über Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten. Ausgehend vom Konzept des Konstruktiven Journalismus und einer Frame-Analyse ausgewählter Artikel werden Empfehlungen erarbeitet für eine ganzheitliche Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen – ob in Breaking News oder in der Hintergrundberichterstattung.

Streitbar und umstritten Erinnerung an Karl Kraus

Von Walter Hömberg | Anfang April 1899 erschien in Wien eine neue Zeitschrift. Das feuerrote Titelblatt zeigt vor der Silhouette der Stadt eine riesengroße Fackel. Im Einleitungsbeitrag unterstreicht der Herausgeber die kämpferische Ansicht: »Das politische Programm dieser Zeitung scheint somit dürftig; kein tönendes ›Was wir bringen‹, aber ein ehrliches ›Was wir umbringen‹ hat sie sich als Leitwort gewählt.« Als Herausgeber der Fackel ist Karl Kraus Kennern der Pressegeschichte noch heute ein Begriff. Die einen verehren ihn als größten Satiriker des 20. Jahrhunderts, als brillanten Zeitdiagnostiker, sensiblen Lyriker und hellsichtigen Theaterautor. Für andere ist er ein gnadenloser Polemiker, ein unbarmherziger Spötter, ein heilloser Egozentriker, Besserwisser und Rechthaber, ein Querulant und Nestbeschmutzer. Der Wiener Literat Hans Weigel urteilt: »Seine Kritik war sakrosankt – Kritik an ihm war Majestätsbeleidigung.«

Der Weg zur Versöhnung Wie Leser:innen auf die Entschuldigungen von sieben Zeitungen für ihre rassistische Berichterstattung reagieren

Von Anna E. Lindner, Michael Fuhlhage, Keena Shante Neal und Kirby Phillips | Im Zuge der »Abrechnung mit dem Rassismus« im Jahr 2020 entschuldigten sich viele Institutionen für ihre Mitschuld am systemischen Rassismus. Die Nachrichtenbranche bildete da keine Ausnahme. Dieser Beitrag untersucht die Entschuldigungen der Zeitung Montgomery Advertiser, die sich bereits zwei Jahre vor dem Jahr der »Abrechnung« entschuldigte, sowie die sechs weiterer Blätter, die zwischen 2020 und heute Entschuldigungen veröffentlichten: Los Angeles Times; Kansas City Star; Baltimore Sun; Philadelphia Inquirer; Seattle Times; and Oregonian. Die vorliegende Studie untersucht die Entschuldigungen dieser Publikationen für ihre rassistische und andere problematische Berichterstattung unter dem Blickwinkel der christlichen Grundsätze der Versöhnung. Deren Ziel ist, vergangenes Unrecht auf den Tisch zu bringen und die Beziehungen zwischen Tätern und Geschädigten wiederherzustellen. Darüber hinaus untersuchen wir, wie die Öffentlichkeit auf diese Erklärungen und Entschuldigungen reagiert hat. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Meinungsäußerungen in öffentlichen Foren, insbesondere von People of Color jener Gemeinschaften, die durch diese Medien geschädigt wurden; von Journalist:innen, die selbst Minderheiten angehören, Redaktionsmitgliedern und anderen an der Berichterstattung Beteiligten sowie von prominenten Vordenker:innen zum Thema Rassismus. Die Analyse der breitgefächerten Reaktionen auf die Entschuldigungen zeigt, welches Meinungsbild in den durch Rassismus geschädigten Gemeinschaften vorherrscht und welche künftigen Schritte hin zu einer gerechteren und faireren Berichterstattung möglich sind.

Gehaltlose Kritik Wie Journalismus Überwachungstechnologien fördert

Von Robert W. McMahon | Konsumgüter mit Überwachungsfunktionen verbreiten sich immer mehr, während zugleich der Journalismus unter stetig stärker werdenden wirtschaftlichen Druck gerät. Daraus ist ein fruchtbarer Boden entstanden, in dem Überwachungskapitalismus gedeiht und Journalismus zu seinem Erfüllungsgehilfen wird. Wie die Untersuchung eines Korpus mit journalistischen Texten nahelegt, lässt sich diese Komplizenschaft an einem Berichterstattungsstil erkennen, den wir hier als »gehaltlose Kritik« konzipieren.