Neues Spiel, neue Regeln Eine Untersuchung von redaktionellen Richtlinien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Newsroom

Von Kim Björn Becker | Mit der Einführung des Sprachmodells ChatGPT hat die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) einen Hype erfahren – auch im Journalismus, dessen professioneller Umgang mit Sprache breite Anwendungsfelder eröffnet. Mit den neuen Möglichkeiten entstehen für Medienorganisationen aber auch Fragen zum Umgang mit KI. Erste Redaktionen haben auf die Herausforderung mit der Veröffentlichung eigener KI-Richtlinien reagiert: Mit ihnen wollen sie klarmachen, nach welchen Prinzipien sie die Algorithmen nutzen. Die Arbeit stellt durch eine vergleichende Untersuchung der Dokumente von sieben internationalen Medien ein grundsätzliches Verständnis dafür her, in welchen Bereichen Redaktionen Chancen sehen und welche Fallstricke sie adressieren. Insgesamt wurden jeweils zwei Organisationen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten sowie je eine aus den Niederlanden, Großbritannien und Kanada in die Untersuchung eingeschlossen. Die Auswertung zeigt, dass Nachrichtenagenturen sich eher konziser formulierte Regeln geben, während öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten einen umfassenderen Regulierungsanspruch verfolgen. Dabei setzen die Redaktionen unterschiedliche Schwerpunkte. Während fast alle Medien sich in ihren Leitlinien mit der Kontrolle von KI durch den Menschen sowie Fragen der Transparenz befassen, stehen Anforderungen an vertrauenswürdige Algorithmen weniger im Mittelpunkt. Die Untersuchung zeigt, dass Medien sich zwar bereits mit wesentlichen Fragen der neuen Technik beschäftigen, es in Newsrooms aber noch blinde Flecken beim Umgang mit KI gibt.

»Fear and balanced« – ausgewogene Berichterstattung für Angstbürger*innen Die Welt, wie foxnews.com sie sieht

Von Fred Vultee | Anhand einer Datenbank mit foxnews.com-Homepages aus den Jahren 2022-23 werden in dieser Diskursanalyse die Themen, Storys und Akteur*innen bewertet, die zusammen das Weltbild des Fox-Publikums prägen. Ergänzt wird diese thematische Bewertung durch eine Untersuchung von Textmerkmalen zur Frage, wer wie und unter welchen Bedingungen zu Wort kommen darf. Es geht um die Beantwortung einer Frage, die seit mehr als zwei Jahrzehnten im Raum steht: »Was ist Fox News?«

Trennung von Anzeigengeschäft und Journalismus Wie aktuell ist Karl Büchers Konzept für eine Pressereform von 1919?

Von Horst Pöttker | Der Beitrag soll für Grundprobleme der journalistischen Qualitätssicherung sensibilisieren, indem er Karl Büchers weitgehend vergessenes Reformkonzept von 1919 vor dem Hintergrund der aktuellen Medienentwicklung heute auf seine gesellschaftspolitische Sinnhaftigkeit, seine Vor- und Nachteile im Vergleich zu anderen, großenteils von Bücher damals bereits erwähnten Konzepten der journalistischen Qualitätssicherung, seine Anwendbarkeit auf verschiedene Medien sowie auf seine politische, rechtliche und ökonomische Durchsetzbarkeit hin analysiert. Am meisten Durchsetzungschancen, so die These, hat die Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Organisationsprinzips vom Rundfunk auch auf andere Medienbereiche.

Wie Sprach-KI die Journalismusausbildung verändern kann Ein Werkstattbericht

Von Gabriele Hooffacker | Was generative Sprach-KI leisten kann und wird, ist in Ansätzen zu erkennen. Den Journalismus, den »Beruf zur Öffentlichkeit« (Pöttker 2010), wird sie verändern. Wie sieht Journalismus-Lehre unter diesen Bedingungen aus? Welche Kompetenzen sollten vermittelt werden, welche Kenntnisse und Fähigkeiten konkret? Anstelle einer theoretischen Abhandlung versucht dieser Essay eine Annäherung über eine gemeinsame Erkundung des Themas mit Studierenden. Er gibt einen Werkstattbericht, formuliert mögliche Lernziele für Studierende wie für Lehrende und ermutigt dazu, über erforderliche Kompetenzen für den Beruf zur Öffentlichkeit nachzudenken.

Das kritische Korrektiv fehlt Erwartungsgelenkte Verzerrungen in der Berichterstattung über den Sozialstaat in Deutschland

Von Georg Cremer | Verbreitete Bilder zur sozialen Lage und zur Sozialpolitik in Deutschland haben – unabhängig davon, wie valide ihre empirische Basis ist – Folgen für die Berichterstattung. Sie prägen, welche Entwicklungen als berichtenswert angesehen und wie sie interpretiert werden. Damit verstärkt die Berichterstattung verfestigte Einschätzungen. Dies ist häufig nachteilig für eine lösungsorientierte Reformdebatte, da Probleme nicht differenziert und zielgruppengenau in den Blick genommen werden. Auf Seiten der Medien fehlt häufig das kritische Korrektiv, insbesondere dann, wenn Pressemeldungen von Sozialverbänden den Vorerwartungen entsprechen und die abgeleiteten Forderungen der Verbände einer guten Sache zu dienen scheinen. Selbst bei stark verzerrten Darstellungen gibt es Hemmungen bei Politikerinnen und Politikern, öffentlich eine Gegenposition zu vertreten, weil damit das Risiko verbunden ist, den Vorwurf zu erhalten, soziale Probleme ›kleinreden‹ zu wollen. Auch fehlendes statistisches Handwerkszeug im Umgang mit komplexen Sozialstatistiken spielt eine Rolle.

Die Top 10 des Buchjournalismus Hinweise auf lesenswerte Bücher von Journalist*innen

Von Fritz Hausjell und Wolfgang R. Langenbucher | Die Idee, die besten Bücher von Journalist*innen auszuwählen und vorzustellen, ist ein Projekt des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, mitbegründet von Hannes Haas (1957-2014), zusammengestellt von Wolfgang R. Langenbucher und Fritz Hausjell. Es startete mit der ersten Ausgabe im Jahre 2002 in der von Michael Haller begründeten Vierteljahreszeitschrift Message. Nach deren Einstellung wurden die Auswahlen ab 2015 im Magazin Der österreichische Journalist dokumentiert. 2020 und 2021 kam es in Folge der Covid-Pandemie zu einer Unterbrechung. Mit der Journalistik ist 2022 ein neuer Publikationsort gefunden worden.

Gunter Reus: Der andere Claudius. Anmerkungen zu einem oft verkannten Publizisten

Rezensiert von Horst Pöttker | »Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen…«, Matthias Claudius‘ Abendlied hat es zu einer Popularität gebracht, die zahlreiche Parodien u. a. von Dieter Höss und Dieter Hildebrandt hervorgebracht hat. Die von Peter Rühmkorf beginnt mit den Zeilen: »Der Mond ist aufgegangen. / Ich, zwischen Hoff- und Hangen, / rühr an den Himmel nicht.« Selbst solche schrägen Anklänge weisen auf den Teil seines Werks hin, der Claudius als empfindsamen, gelegentlich auch frömmelnden, jedenfalls Gott ergebenen Dichter erscheinen lässt, wie er durchaus in die literatur- und kulturgeschichtliche Epoche seiner Lebenszeit (1740-1815) passte.

Markus Wolsiffer: Das Nachrichtenverständnis junger Menschen. Definitionen und Erwartungen im Kontext aktueller journalistischer Information

Rezensiert von Nadine Klopfenstein Frei | Wenn ein promovierter Journalist ein Buch über das Nachrichtenverständnis junger Menschen schreibt, so mag man das ein oder andere zugespitzte Argument oder zumindest eine spitze Feder erwarten. Doch Markus Wolsiffer hat sich beim Verfassen seines Buches Das Nachrichtenverständnis junger Menschen in wissenschaftlicher Zurückhaltung geübt. So hat der Autor seine Dissertation zu einem schönen Gesamtwerk über das Nachrichtenverständnis von Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren zusammengefasst, das zudem eine Übersicht über die Nachrichtenforschung und deren zugrundeliegenden Theorien gibt.