Von Fred Vultee
Abstract: Anhand einer Datenbank mit foxnews.com-Homepages aus den Jahren 2022-23 werden in dieser Diskursanalyse die Themen, Storys und Akteur*innen bewertet, die zusammen das Weltbild des Fox-Publikums prägen. Ergänzt wird diese thematische Bewertung durch eine Untersuchung von Textmerkmalen zur Frage, wer wie und unter welchen Bedingungen zu Wort kommen darf. Es geht um die Beantwortung einer Frage, die seit mehr als zwei Jahrzehnten im Raum steht: »Was ist Fox News?« (Bauer et al. 2021)
Einführung
Bei seiner ersten Lektüre der Chicago Tribune Mitte des vergangenen Jahrhunderts fand Pressekritiker A. J. Liebling im Jahr 1950 »ein Land düsteren Schreckens« vor, in dem einige Akteur*innen und Ereignisse ihren Pendants in der realen Welt zwar »oberflächlich ähnelten« aber man weiß ja nie. Nach seinem ersten Schock
»schleicht der Leser der Tribune dann angespannt auf den Zehenspitzen aus der Tür, in der Erwartung, jeden Moment an der nächsten Straßenecke von sexbesessenen Räubern überfallen zu werden. Er hütet sich gut vor dem geschmeidigen Gerede von Fremden mit britischem Akzent und ist allzeit bereit, hinter die nächstbeste schützende Wand zu springen, sobald er eine Lenkrakete aus Nordsibirien nahen hört, die ja jeden Moment einschlagen kann« (Liebling 1975: 234-235).
Lieblings fantasievoll geschilderte Erfahrung mit der Tribune spiegelt die Wegkreuzung von Nachrichtenurteil und öffentlicher Meinung wider, die dem Agenda-Setting-Prozess zugrunde liegt. Ein Thema wie ›Wirtschaft‹ wirkt zwar vertraut, ist aber dennoch ungewohnt, weil die narrativen Elemente mittels anderer Attribute – Hauptakteur*innen und Kausalfaktoren – anders strukturiert werden. Andere Themen wiederum (ob nun verräterische Briten oder »go woke, go broke«, ein Slogan, der im Untersuchungszeitraum in sieben verschiedenen Schlagzeilen auftaucht) wirken auf den Unbedarften, als kämen sie von einem anderen Planeten. Ähnlich ergeht es einem heute bei einem Besuch auf foxnews.com, der Homepage des beliebten rechtsgerichteten Fox News Channel. Wenn sich etwa die Vizepräsidentin während einer internationalen Krise mit Verbündeten trifft, ist das zwar schon eine wichtige Story, doch wird sie als Beispiel für wiederkehrendes politisches Fehlverhalten dargestellt: »Harris lacht wieder, wenn sie mit schwierigen Fragen konfrontiert wird« (»Kamala Harris zerrissen«, 2022). Befremdend wirkende Themen, wie eine angebliche Kampagne zur landesweiten Einführung gerechtigkeitsorientierter Rechtstheorien an Grundschulen, werden als Top-Storys aufgemacht, da sie vertraute, dramatische Helden-Bösewicht-Strukturen wiedergeben (»Youngkins Telefonhotline zur Meldung von Critical Race Theory in Virginia versetzt Demokraten in Aufruhr«, 2022).
In diesem Beitrag wird mittels Diskursanalyse einer Datenbank von foxnews.com-Homepages eine Fox-Agenda rekonstruiert: Sie ist nicht nur ein Ort, an dem sich (potenzielle) Wähler*innen über Themen und Kandidat*innen informieren, wie in der ursprünglichen Agenda-Setting-Studie (McCombs/Shaw 1972), sondern ein Ort, wo ihnen versichert wird, dass ihr Weltbild von gestern auch heute noch gilt. Nach James Carey geht es bei dieser ritualisierten Form der Kommunikation weniger um die Information selbst als vielmehr um »die Konstruktion und Aufrechterhaltung einer geordneten, bedeutungsvollen kulturellen Welt« (2009: 15). Der Besuch der Vizepräsidentin ist nicht etwa deshalb eine Neuigkeit, weil er uns über Bündnisverhalten in Krisenzeiten Aufschluss gibt, sondern weil sich die bekannten Twitter-Autoritäten dazu bemüßigt fühlen, das Verhalten Schwarzer Frauen zu überwachen, die aus der Reihe tanzen.
Theorie und Praxis: »Was ist Fox News?«
Das Phänomen Fox News wurde bereits unter vielen Gesichtspunkten erforscht: Klassische Propagandastudien (Conway et al. 2007), vergleichende Framing- und Sourcing-Praktiken (Aday 2010), der Einfluss des Senders auf die Einhaltung von COVID-Maßnahmen (Simonov et al. 2020) und auf das Wahlverhalten (DellaVigna/Kaplan 2008) sowie Fox als »ideologisches Clearinghouse« für Narrative über das bedrohliche Andere (Vultee 2009). Wie Aday (2007) anmerkt, nimmt Fox mit seinem Niveau an Parteilichkeit eine Sonderstellung ein, selbst wenn man den für US-Medien üblichen Negativitäts-Bias bei der Auswahl und Autorität von Quellen mit einrechnet. Zu Lieblings Zeit allerdings fiel die von ihm festgestellte konservative »America First«-Einstellung der Tribune nicht nur in den Mainstream, sondern sie war das dominante Weltbild.
Bauer et al. (2021) werfen die Frage »Was ist Fox News?« auf, ohne sie jedoch abschließend zu klären. Stattdessen bieten sie eine Reihe von Perspektiven für die Analyse parteiischer Nachrichten und warnen Wissenschaftler*innen davor, sie als reine Propaganda abzutun. Und trotz schriller Schlagzeilen über Todesfälle hier und da, das Liebesleben von Promis und Verbrechen gegen die gesellschaftliche Ordnung ist Fox mehr als nur ein modernes Boulevardblatt. Im klassischen Stil der Boulevardpresse (Kobré 1995) bedient sich die Fox-Website großzügig nebeneinander gestellter Bilder als Erzählmittel, hält sich aber auch an etablierte Routinen der »objektiven« Praxis: Meinungen werden durch Anführungszeichen abgesetzt, »Experten*innen« -Meinungen zitiert oder Gatekeeping-Routinen eingehalten, wonach selbst missliebige Akteur*innen zu Wort kommen (Tuchman 1972; White 1950). Zumindest oben auf der Fox-Homepage werden Meinungsäußerungen sorgfältig gekennzeichnet, um sie von den Nachrichten zu unterscheiden, obwohl ja auch die Nachrichten selbst parteiisch sind. Und wenn die Fox-Routinen von Salienz, Auswahl und Dimensionierung für das Stammpublikum ein schlüssiges, natürlich wirkendes Weltbild zeichnen (Entman 1991; 1993), warum soll das dann propagandistischer sein als etwa die US-Presse der Vietnam-Ära, in der Journalist*innen nicht nur »zeremonielle Hüter von Konsenswerten« waren, sondern diese auch verteidigen sollten, nämlich gegen »diejenigen, die den politischen Konsens verletzen oder herausfordern« (Hallin 1984: 21)?
Wie Entman (1991) feststellte, gibt es keine einzelne Story (bzw. Schlagzeile, Zitat oder andere Darstellungsform), die ein Nachrichtenmedium fest in dem einen oder anderen Ende des politischen Spektrums verankert. Dieses Projekt liefert einen Diskussionsbeitrag über parteiische Nachrichten durch eine umfassende Analyse der Fox-Homepage als Ort des Gatekeeping und Agenda-Setting: die Prozesse, durch die Ereignisse in die öffentliche Arena gebracht und dann in eine Hierarchie eingeordnet werden, in der sich die Salienz der dargestellten Themen und die kontextgebenden Elemente widerspiegeln – die Identifizierung von Problemen und ihrer Ursachen und die impliziten moralischen Urteile und Lösungen (Entman 1993).
Auf der zweiten Ebene des Agenda-Settings – der Framing-Ebene (Kim et al. 2002) – verleihen die Attribute dieser Themen oder ihrer Akteur*innen Fox seine unverwechselbare Gestalt. McCombs und Shaw (1993) beschreiben die Agenda als eine Metapher, anwendbar auf eine beliebige Anzahl von Kommunikationsprozessen, bei denen Themen oder Objekte um Aufmerksamkeit wetteifern. In einem Wahlkampfbericht wird eine sorgfältige Balance der Salienz beider Kandidat*innen gewahrt, doch die Themen, anhand derer sie bewertet werden, und die Bausteine, woraus diese sich zusammensetzen, haben ganz unterschiedliche Prioritäten und wirken wahrscheinlich unterschiedlich auf verschiedene Teile des Publikums. Die Studie von 1972 über Agenda-Setting ergab, dass Nachrichtenagenturen zwar ihre eigenen Standpunkte vertreten (und »manchmal extrem voreingenommen sind«), dass aber ein Konsens über die Salienz von Themen auf der Makroebene herrscht, basierend auf weithin geteilten Normen über Nachrichtenwerte (McCombs/Shaw 1972: 184). Die Metapher der Agenda wird vielfach unterhalb dieser Ebene angewandt – Akteur*innen und ihre Rollen, Problemstellung und Lösungen sowie die damit verbundenen moralischen Lehren – was erklärt, warum Nachrichtenorganisationen ihrem Publikum verschiedene Darstellungen präsentieren.
Diese Unterscheidungen waren bei der von McCombs und Shaw (1972) untersuchten Wahl von 1968 nicht neu. Im März 1941, fast ein Jahrzehnt bevor Liebling die Welt der Leser*innenschaft der Chicago Tribune skizzierte, beschäftigte die Öffentlichkeit vor allem die Frage der Unterstützung Großbritanniens gegen Nazideutschland angesichts der offiziellen Neutralität der USA. Die Tribune bezeichnete allerdings das Programm, das in Befürworter*innenkreisen als Lend-Lease bekannt war, als »Diktatorengesetz«. Das sind laut der Theorie der Versicherheitlichung (Buzan et al. 1998; Vultee 2022b) die Zutaten, womit sich die Bedrohungen eines Kulturkriegs zu einem »Krieg gegen den Terror«, im Jahr 1968 zur Domino-Theorie oder 1941 zu einem drohenden Weltkrieg hochkochen lassen. Kenntlich werden sie in den Texten und Praktiken, aus denen der Nachrichtendiskurs besteht.
Methoden
Eine Diskursanalyse lässt sich am besten als eine Reihe von Methoden konzeptualisieren, die unter anderem dazu dienen, die »ideologischen und politischen Dimensionen von Medienbotschaften« zu identifizieren (van Dijk 1993: 109). Sie kann qualitative und quantitative Ansätze umfassen und leitet aus Grammatik, Wortwahl und sogar aus dem Unausgesprochenen in Nachrichtendarstellungen Schlüsse ab (z. B. Cameron 1998). Dieses Projekt stützt sich auf eine Datenbank mit Momentaufnahmen der Startseite von foxnews.com aus dem Jahr 2022 und den ersten beiden Monaten des Jahres 2023: 3.064 Seiten mit insgesamt 15.320 Berichten, wobei auch andere, nicht in der Datenbank katalogisierte Fox-Berichte herangezogen werden.
Die Fox-Homepage aus diesem Zeitraum weist eine konsequente Hierarchie auf: Es werden fünf Hauptberichte angezeigt, wobei der oberste doppelt so breit ist wie die anderen. Vier Berichte bilden die »Lesediagonale« aus den Journalismus-Lehrbüchern des 20. Jahrhunderts, bevor eine Auflistung von Nebenberichten beginnt. (Das Design wurde Anfang März 2023 geändert. Nun werden sieben Hauptberichte angezeigt, gefolgt von Werbebotschaften und gesponserten Inhalten). Die Seiten wurden sechs- bis achtmal pro Tag erfasst. So ließen sich die beständigen Themen sowie die sogenannte »Stickiness« untersuchen: wie lange sich ein bestimmter »einmaliger« Bericht in einer Folge von Momentaufnahmen unter den ersten fünf Beiträgen hält. (Ein Bericht gilt als »einmalig«, wenn der Text gleich bleibt, selbst wenn sich Überschrift und Illustration ändern. So lässt sich genauer messen, wie viele Meldungen ein Ereignis an einem Tag oder in einer Woche generiert). Jeder Bericht hat eine in die Illustration eingebettete Hauptüberschrift, die oft die Stimmung oder die moralische Lehre wiedergibt, und eine Unterüberschrift, die die Elemente des Berichts erklärt oder andeutet. Zu den hierfür erfassten Variablen gehören Uhrzeit und Datum, Position auf der Seite (1-5), Bild, Quelle, Überschrift und Untertitel sowie die Frage, ob die Story die »vierte Wand« der Bühne zu durchbrechen scheint und dem Publikum eine Deutung vorgibt, wie etwa eine Hauptüberschrift mit dem Titel »Leere Versprechungen« zu einem Artikel über die von der Regierung Biden angekündigten Grenzkontrollmaßnahmen. Da eine Meldung mit hoher »Stickiness« vom Nachmittag bis zum nächsten Morgen auf der Seite erscheinen kann, werden mehrfach vorkommende Formulierungen mit der gleichen Story oft zu einem Fall zusammengefasst.
Mit der Software Provalis WordStat wurden erste Themen durch Themenmodellierung extrahiert und eine Keyword-in-Context-Suche durchgeführt. Hiermit wurden Schlüsselakteur*innen, propositionale Strukturen und die syntaktischen Elemente ermittelt, die bestimmten, gegen welche Akteur*innen zum Beispiel offen gewettert werden darf und welche eher passiv zerrissen oder verhöhnt werden müssen.
Storys und Akteur*innen auf foxnews.com
Die Themenextraktion aus Haupt- und Unterüberschriften mit einer Obergrenze von 20 Themen ergab Schlagwortgruppen, die sich in Themenbereiche gruppierten und alle einen Eigenwert von über 2 aufwiesen. Diese Liste war kein Maß für die Häufigkeit der Themen, sondern für ihre Kohärenz. Das kohärenteste Thema, die Suche nach Geheimdokumenten im Anwesen des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in Florida, umfasste nur fünf Schlüsselwörter: ›Lago‹, ›Mar‹, ›Razzia‹, ›Trump‹ und ›FBI‹. Ein ähnliches, aber weniger kohärentes Thema über den demokratischen Präsidenten Joe Biden umfasste die Begriffe »geheim«, »Skandal« und »Dokumente«, reichte aber bis zum Sohn des US-Präsidenten, Hunter Biden, und der Pressesekretärin des Weißen Hauses. Es gab noch zwei weitere Biden-bezogene Themen. Bei einem ging es um den geplanten Erlass von Studiendarlehen (in 28 einmaligen Berichten im Untersuchungszeitraum wurde »Almosen für Studenten« in einer Überschrift verwendet). Bei dem anderen Thema standen wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt (»Preise«, »Benzin«, »Inflation«, »Öl«, »Rekord«, »Amerikaner« und der allgemeine Begriff »Regierung«; »Biden-Regierung« kommt in der Tat als dritthäufigster Begriff im Datensatz 224-mal in Überschriften und Unterüberschriften vor).
Andere Themen spiegeln die von McCombs und Shaw (1972) identifizierten Themen wider, wie etwa Außenpolitik und »Recht und Ordnung«. Das Thema mit der zweithöchsten Kohärenz ist der Russland-Ukraine-Krieg, gefolgt vom Thema Massenmorde (vor allem der Messermord an vier Studierenden der Universität von Idaho, aber auch Stichworte wie »Schießerei« und »Schule«) und einem anderen Thema aus dem Bereich Recht und Ordnung mit einem ganz deutlichen Fox-Beigeschmack: Es enthält nicht nur die Schlagwörter »Verbrechen«, sondern auch »Bürgermeister*innen«, »Demokrat*innen« und »Stadt« – und, im Einklang mit dem Trend konservativer Südstaaten, Migrant*innen per Bus in Städte des Nordens zu verfrachten, die Schlüsselwörter »illegal«, »Einwanderer*innen«, »Grenze« und »Bus«. »Demokratisch regiert« und »Demokratisch regierte Stadt« stehen im Datensatz in Bezug auf Häufigkeit auf den Rängen zehn und dreizehn.
»Elon Musk« und »Supreme Court« sind die vier- und fünfthäufigsten Begriffe in den Überschriften. Musks chaotischer Erwerb von Twitter und die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, einen grundlegenden Präzedenzfall zum Abtreibungsrecht zu kippen, sind ebenfalls stark kohärente Themen (das Wort »Supreme« als Hinweis auf einen Zusammenhang mit dem Supreme Court ist ein häufiges Schlagzeilensignal: »Supreme Battle«, »Supreme Slapdown«, »Supreme Shockwave«, »Supreme Protests«, »Supreme Anticipation« – all diese Formulierungen beziehen sich auf Berichte über das Oberste Verfassungsgericht.) Die Wahl 2022 ist ebenfalls ein kohärentes Thema, auch wenn keine häufigen Formulierungen damit verbunden sind. Mehrere kohärente Themen gehören eher in die Welt der Regenbogenpresse: der Rechtsstreit zwischen Johnny Depp und Amber Heard sowie das schwierige Sport- und Liebesleben des US-amerikanischen Football-Stars Tom Brady. Bei anderen Themen tritt die ideologische Ausrichtung von Fox jedoch deutlicher hervor, insbesondere bei kulturellen Konflikten (einschließlich der COVID-Maskenpflicht, dem »Krieg gegen Eltern« und anhaltenden Ressentiments von der Wahl 2016). Der Tod von Königin Elizabeth II. und der Übergang in der britischen Thronfolge war überall ein Thema. Bei Fox ist es jedoch ein separates und weniger kohärentes Thema als die Aktivitäten von Prinz Harry und seiner US-amerikanischen Frau, der Schauspielerin Meghan Markle (»Prinz Harry« und »Meghan Markle« rangieren in der Häufigkeit auf den Plätzen 28 und 29). Der Erwerb von Twitter durch Musk ist Teil eines größeren Themas, das sich auch auf die »Twitter-Akten« bezieht (Rang 30 unter den häufigsten Schlagzeilenbegriffen). Diese gelten bei Fox als Beweis für die Absprachen zwischen Biden-Kreisen und der Privatwirtschaft zur Zensur und Unterdrückung von Personen, die aus Sicht von Fox Held*innen sind. Auch Geschlechtsidentität taucht als kohärentes Thema auf, wobei die Schlüsselwörter darauf hinweisen, dass es sich bereits in der dritten Trump-Kampagne 2023 als Kulturkampfthema abzeichnet: »Trans«, »Schwimmer*innen«, »Sportler*innen«, »Sport«, »Frauen« und »Schule«.
»Außenpolitik« war damals für alle drei Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf 1968 ein Thema großer Salienz und auch bei diesem Thema zeichnet sich eine klare Fox-Agenda ab. Ein China-bezogenes Thema mit den Begriffen »Spion*in«, »Ballon«, »China«, »Pelosi«, »Taiwan« und »Rakete« legt nahe, welche Art von China-bezogenes Ereignis nicht zur Story wird. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 13. März 2023 erläuterten Biden und die Premierminister des Vereinigten Königreichs und Australiens den AUKUS-Vertrag, der den Einfluss Chinas einzudämmen versucht, unter anderem durch Lieferung US-amerikanischer Atom-U-Boote an Australien. Dieses Thema erscheint kurz als »Watch live« -Videoclip. In der Überschrift wird zwar die chinesische »Bedrohung«, nicht aber die Gegenmaßnahme erwähnt. (Auf der Homepage vom 13. und 14. März standen zwei Berichte über UFOs und einer über einen LKW-Fahrer, der eine »geisterhafte Gestalt« am Straßenrand fotografierte). Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich, ein NATO-Verbündeter mit Nuklearwaffen, schafften es im relevanten Zeitraum zwischen dem 9. und 24. April (die Wahl fand am 10. April statt, die Stichwahl am 24. April) nicht einmal unter die ersten fünf Meldungen auf den erfassten Seiten. Als am 25. April der Sieger feststand, wurde auf Platz 4 gemeldet: »Bidens Anruf bei Macron bleibt in der Wahlnacht unbeantwortet.« Unter den Berichten, die in diesem Zeitraum einen Platz in den Top fünf fanden, waren zwei über Hunter Biden (die siebthäufigste Schlagzeile) und zwei über seine Frau, vier über Bidens Entscheidung, nicht in die Ukraine zu reisen, und Berichte über COVID-Scheinheiligkeit, emotionale Ausbrüche seitens der Medien und Schulbuchbeschränkungen in Florida, zusammen mit 10 einmaligen Storys über Elon Musk und 19 über den Verleumdungsprozess von Depp und Heard. Die Politikwissenschaft beklagt, die US-Presse sei in Bezug auf internationale Themen eine »realismusfreie Zone« (Walt 2008). Fast unumgänglich ist hier der Schluss, dass das nationale Interesse für die Fox-Nachrichten weniger wichtig ist als die Frage, ob ein Ereignis politische Gegner*innen gut oder schlecht aussehen lässt.
Manche Nachrichten sind freilich einfach nur Nachrichten. Die frühe Berichterstattung von Fox über den Einmarsch in der Ukraine wirkte wie typische US-Berichterstattung über einen internationalen Konflikt. Sie war zwar stark personalisiert, doch suggerierte die Nachrichtenpräsentation eine klare Abgrenzung zwischen Angreifer und Opfer, im Gegensatz zu einigen Kommentatoren bei Fox (z. B. Carlson 2022). Die Salienz des Themas Ukraine schwand jedoch im Untersuchungszeitraum dramatisch. Im Oktober 2022 erscheinen nur drei Meldungen (eine über eine Twitter-Umfrage von Musk) mit dem Wort »Ukraine« in der Überschrift. Im November waren es zwei, im Dezember vier (dem Monat, in dem der ukrainische Präsident Selenskyj Washington besuchte) und acht im Februar 2023, dem Monat, in dem Biden die Ukraine besuchte. An jedem Tag im März 2022 war mindestens ein Ukraine-Bericht unter den ersten fünf Meldungen.
Attribution und Aspekte: Wie Ereignisse zu Storys werden
Wie Liebling in Bezug auf die Tribune feststellte, kann eine Zeitungsausgabe vertraut wirken, selbst wenn die Akteur*innen radikal andere Dinge mit radikal anderen Motiven zu tun scheinen als bei einem konkurrierenden Medium. Dieses Muster spiegelt sich auch in der COVID-Pandemie wider, die in einer Datenanalyse von Mitte 2022 als Teil eines »Kulturkriegs« identifiziert wurde, zu dem auch das Thema Bildung und Floridas Kampf gegen Disney World gehörten. Ein ausgeprägtes Attribut von COVID ist Scheinheiligkeit, eine exklusive Eigenschaft derer, die bei Fox als Bösewichte stilisiert werden. Die Formulierung »Regeln für dich« oder ihre längere Version »Regeln für dich, nicht für mich« taucht im Untersuchungszeitraum in neun einmaligen Schlagzeilen auf. Anthony Fauci, der damalige Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, kommt in COVID-Berichten häufig vor, aber meist als Angriffsfläche für rechtsdenkende Kritiker*innen bei seinen Auftritten im Senat, als arroganter Wendehals, der sich selbst nicht um die Wissenschaft schert (»Fauci will, dass alle der Wissenschaft folgen, tut es aber selbst nicht«), und als überbezahlter Beamter, dessen Macht beschnitten werden muss. Er erscheint im Untersuchungszeitraum in 60 einmaligen Berichten, manchmal auch als »Dr. Wendehals« oder »Spin Doctor« (in vier Schlagzeilen). In Schlagzeilen, in denen COVID selbst erwähnt wird, geht es oft um gescheiterte Strategien, politische Wendemanöver oder Falschdarstellungen von Daten, entweder durch die Regierung Biden oder in von Liberalen regierten Städten oder Bundesstaaten, oder angebliche Verfehlungen der Medien. Nichts davon überrascht an sich, da es ja eine gängige Berufsnorm im Journalismus ist, die Mächtigen zur Rechenschaft zu ziehen. Bezeichnend ist allerdings, wie wesentlich diese Aspekte die Berichterstattung prägen. Die Attribute des Themas Bildung – die Berichte, die Figuren darin und die moralischen Lehren, die sie beinhalten – bilden ebenfalls eine ganz neue Welt: ein »Krieg gegen Eltern«, in dem sich arrogante Schulbehörden jeder Debatte verweigern, in dem die Sexualgewohnheiten Erwachsener oder »Critical Race Theory« Grundschulen als Unterrichtsthema aufgezwungen werden und die Bundesregierung Eltern verfolgt, als wären sie Terrorist*innen.
Nicht alle Berichte zum Thema Recht und Ordnung sind ideologisch gefärbt. Die Morde an der Universität von Idaho, die sich in einem stark Republikanisch geprägten Bundesstaat ereigneten, waren Ende 2022 ein beherrschendes Thema, das vom 14. November bis zum 18. Dezember mindestens einmal täglich unter den fünf wichtigsten Meldungen erschien (an 29 dieser Tage war es mindestens einmal der Aufmacher). Parteipolitische Aspekte werden in diesen Schlagzeilen nicht erwähnt. Bei anderen Meldungen aus dem Themenbereich Kriminalität werden Verbrechen jedoch immer ganz klar dem Versagen der politischen Führung zugeschrieben. Von 63 eindeutigen Schlagzeilen, in denen »Demokratisch regierte« Orte oder Bundesstaaten erwähnt wurden, befassten sich 39 mit Kriminalität, sechs mit Obdachlosigkeit und sechs mit Migration.
Wie bestimmte Ereignisse ganz oben auf die Homepage gelangen, richtet sich auch danach, wie Fox davon erfährt. Laut Kodierung stammt insgesamt etwa die Hälfte der Berichte, die während des Untersuchungszeitraums unter den ersten fünf Plätzen auftauchen, von der eigenen Redaktion (das ist die Standardeinstellung, wenn keine externe Quelle angegeben ist oder wenn Material aus anderen Medien die eigene Berichterstattung ergänzt). In der zweitgrößten Kategorie mit etwa 26 % wurden andere Medien als Quelle angegeben, darunter die traditionellen Prestigemedien, prominente wie auch obskure neue Medien (wovon einige an die US-amerikanische rechtsextreme »Ungezieferpresse« [vermin press] der Vorkriegszeit erinnern) und lokale Nachrichtenorganisationen – insbesondere lokale Fox-Sender, von denen häufig vereinzelte lokale Kriminalitätsmeldungen stammen. Getrennte Kodierungskategorien werden für Meldungen mit Fox-Verfasser*innenzeile verwendet, die eine Nachrichtenagentur wie Reuters oder AP in einer Endnote nennen (etwa 5 %), sowie für Meldungen aus externen Quellen, die Fox »bestätigt« oder »bestätigen kann« (etwa 2 %). Die dritthäufigste Quelle mit etwa 11 % sind soziale Medien. Dies umfasst unter anderem Enthüllungen zu Prominenten, Aktivitäten von »Influencer*innen« oder – häufiger – Reaktionen der sozialen Medien auf Ereignisse oder Akteur*innen (in 15 Schlagzeilen im Untersuchungszeitraum »bricht« Twitter »aus« oder »explodiert« ). Etwa 4 % der Beiträge stammen aus Fox-Sendungen, vor allem Talkshows; und etwa 1 % sind Kommentare, die fast immer eindeutig als »Meinung« gekennzeichnet sind. Es gibt lediglich geringfügige Unterschiede zwischen Berichten, die nur einmal vorkommen, und solchen, die mehrfach vorkommen.
Fast zwei Drittel der Beiträge auf den vorderen Plätzen stammen von der eigenen Redaktion, gefolgt von Beiträgen aus anderen Medien (ca. 16 %) und sozialen Medien (ca. 9 %) sowie von Nachrichtenagenturen (ca. 5 %). So wurden im Untersuchungszeitraum vierzehn Hauptartikel von der Website Politico übernommen. Fox greift regelmäßig auf eben jene Medien zurück, die es verhöhnt. Artikel aus allen Quellen werden im Tagesverlauf häufig nach oben oder unten verschoben. Allein im November 2022 wurden 25 Artikel auf den vorderen Plätzen als Berichte von sozialen Medien ausgewiesen. Diese Artikel spiegeln eine Reihe von Lieblingsthemen von Fox wider, darunter das Fehlverhalten der liberalen Medien, die »Verteilung von Studierendenkrediten«, Hunter Biden und insbesondere Elon Musk, der in sieben Artikeln auftaucht. In einigen davon äußern sich »Twitter-Nutzer*innen« ähnlich wie Elon Musk (eine Google-Suche zeigt, dass in diesem Monat in 12 Artikel »Konservativen auf Twitter« zugeschrieben wurden); in anderen reicht schon ein einziger Musk-Tweet – oder selbst ein einziges Emoji – für einen Artikel aus. Auch aus lokalen Nachrichten besetzt Fox die Rollen seines anhaltenden Dramas: nicht nur Helden und Schurken (»Bewaffnete Männer zielten auf die falsche Frau in Chicago, und jetzt überlebt einer von ihnen vielleicht nicht« ), sondern auch mit Opfern des Kulturkriegs (»Katholische Erzdiözese wegen religiöser Überzeugungen zu Geschlechterfragen unter Beschuss« ).
Weiter verstärkt werden Themen wie Kriminalität, Schulen und Obdachlosigkeit durch wiederholte Auftritte, nicht nur von Fachleuten (ein und derselbe Russland-Experte taucht im März 2022 in 21 Beiträgen auf), sondern auch von »echten Menschen«, die den Beiträgen eine authentische Stimme verleihen. So fühlte sich ein 83-jähriger Vietnamveteran in den Straßen von Saigon sicherer als in Portland, Oregon; und zwar viermal zwischen Februar und Mai 2023; derselbe Drogenberater taucht zwischen Januar und März 2023 in zehn Berichten über Obdachlosigkeit in Seattle auf; derselbe Verfechter von Elterninteressen erörtert zwischen April 2021 und März 2023 in 13 Berichten Verfehlungen der Schulen.
»Schurken, Opfer und Tugendhafte«
Im Jahr 2005 untersuchten Conway et al. die in den Meinungsbeiträgen »Talking Points Memo« des damaligen Fox-Kommentators Bill O’Reilly auftretenden Charaktere. Dazu nutzten sie den Rahmen der Propagandastudien aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, um die Akteur*innen im »Kampf zwischen Gut und Böse« zu kategorisieren (2007: 197). Dieses Drama und seine Besetzung mit »Schurken, Opfern und Tugendhaften« dauert bis heute an. Terrorismus steht heute viel weniger im Vordergrund als noch 2005 und das Justizsystem – insbesondere »von Soros finanzierte Staatsanwälte« oder die Bundesbehörden, die gegen Donald Trump ermitteln – wird häufiger zu den Bösewichten gezählt. Das Militär und Ersthelfer*innen im Allgemeinen sind nach wie vor tugendhaft (»Familie dankt Feuerwehrleuten für Rettung der amerikanischen Flagge aus verheerendem Inferno«). In einigen Fällen, wie im »Krieg gegen die Polizei« oder dem Kampf gegen Wokeness im Militär, treten sie sogar als Opfer auf. Auch amerikanische Durchschnittsbürger*innen können zu Held*innen werden (»Als Diebe in Demkoratisch regierter Stadt den Van einer Band plünderten, kamen die Fans zur Hilfe«), vor allem, wenn sie sich bei Schulratssitzungen zu Wort melden oder wenn der »gute Kerl mit der Knarre« einen Überfall oder einen Raub vereitelt. Fox erklärt aber auch einzelne Amerikaner*innen zu Bösewichten und greift sich wahlweise Professor*innen, Lehrer*innen oder Ärzt*innen heraus, wenn sie Grenzen im Kulturkampf überschreiten, von systemischem Rassismus sprechen oder für die sogenannte »Gender-Ideologie« in Schulen eintreten.
In seinem Streit mit Florida gibt Disney World ein Beispiel für einen nichtstaatlichen institutionellen Bösewicht: Disney genießt vermeintlich ungerechte Steuervorteile, enttäuscht Eltern mit »Wokeness«, verbreitet sexualisierte Botschaften für Kinder und unterdrückt seine konservativen Beschäftigten. Wie sehr das Drama um Disney die ganze Nation beschäftigte, wurde zwischen dem 30. März und dem 5. April deutlich, als Disney an jedem Tag bis auf einen unter den Aufmachern war – und allein am 1. April drei einmalige Aufmacher generierte.
Auch Medienakteure sind häufig institutionelle oder individuelle Bösewichte. Die Talkshow The View des Senders ABC wurde im Untersuchungszeitraum in 51 Schlagzeilen oder Untertiteln erwähnt (»Dim ›View‹«, »Radical ›View‹«, »Violent ›View‹«, »Bad ›View‹« ). Sie ist regelmäßig das Ziel konservativer Beschimpfungen und Verunglimpfungen (»slamming«, »blasting«, und »roasting« ). Ihren Moderatorinnen wird niederträchtiges liberales Verhalten (Panik, Aufregung, Chaos) zugeschrieben. Ähnliches wird dem konkurrierenden Kabelsender CNN zuteil (in Panik verfallen, austicken, im Chaos versinken). Einer der ehemaligen Moderatoren, Don Lemon, erscheint in 26 einmaligen Schlagzeilen, oft als »sauer« (5 Fälle), »bitter« (2 Fälle) oder »zwielichtig«. Entwicklungen bei oder Handlungen von CNN, einschließlich Grenzübertretungen wie die Kritik am tugendhaften Ron DeSantis, ergeben im Untersuchungszeitraum fünf einmalige Berichte. CNNs Berichterstattung oder Interviews werden 15-mal als Aufmacher verwendet. Die New York Times erscheint in 27 einmaligen Schlagzeilen, manchmal wegen Aussagen ihrer Kolumnist*innen oder weil sie Twitter oder die »linken Medien« zum »Schmelzen« gebracht hat; die Berichterstattung der Times kommt im Untersuchungszeitraum in 10 Hauptartikeln von Fox vor.
Künstler*innen, Sportler*innen und andere Berühmtheiten können in den Fox-Top-Storys mehrere Rollen übernehmen. Sportler*innen sind Schurken, wenn sie sich weigern, bei der Nationalhymne zu stehen; Sportlerinnen sind Opfer einer »Gender-Ideologie«, die sie dazu zwingt, gegen transsexuelle Gegner anzutreten, aber tugendhaft, wenn sie sich darüber beklagen. Schauspieler*innen können zu Opfern werden, wenn sie wegen ihrer religiösen Überzeugungen »auf die schwarze Liste gesetzt« oder »wegen ihrer Werte zum Schweigen gebracht« werden, wenn sie Hollywood verlassen, um ein »einfacheres« oder »christliches« Leben zu führen, oder wenn sie sich mit der »Elternpolizei« herumschlagen müssen (sechs Storys im Untersuchungszeitraum).
Das Verhalten von Sportler*innen oder Fans ist manchmal wichtiger als das Spiel selbst. Spieler*innen und Fans können sich über eine Schiedsrichterentscheidung ärgern oder empören (wie im Januar 2023 in aufeinanderfolgenden Schlagzeilen auf derselben Seite zu lesen war), wobei in keinem der beiden Berichte das Ergebnis des Spiels erwähnt wird. Ebenso kann eine »Basketball-Rauferei« (eine Schlägerei, bei der zwei Spieler während des dritten Viertels des Platzes verwiesen wurden) in die Top Fünf kommen, ohne dass das Endergebnis des Spiels erwähnt werden muss. Dabei brauchten weder Fox noch die Leser*innenschaft, die den Artikel kommentiert, die ethnische Herkunft der Spieler erwähnen:
»Können wir ihnen nicht einfach ein paar Erdnüsse zuwerfen?«
»Warum brauchen sie einen ganzen Monat für ihre Geschichte? Eine Minute ist mehr als genug.« (Das Spiel wurde während des Black History Month gespielt.)
»NBA. NICHTS ALS TIERE«
Auch mittels der Wortwahl lassen sich die üblichen Verdächtigen oft leicht identifizieren. Zwanzig einzelne Storys haben das Wort »Fauxpas« in der Überschrift; 11 dieser Fauxpas gehen auf das Konto von Biden (zwei davon auf das seiner Frau Jill Biden) und vier auf das von Vizepräsidentin Harris, zwei weitere wurden von Gewerkschaften und einem Fernsehprogramm begangen. Wenn in einer Schlagzeile von »Wortsalat« die Rede ist, geht es immer um Harris. In den Schlagzeilen von 80 Berichten werden Entwicklungen als platzende »Bomben« bezeichnet. Dabei geht es größtenteils um Kriminalität oder Gerichtsverfahren; wenn man den Zivilprozess Depp-Heard mitzählt, betreffen 25 % dieser Berichte Straf- und Gerichtsverfahren. In anderen Fällen geht es um saliente Themen, auch wenn Personen vorgeschoben werden: Hillary Clinton und die von Trump oft als »Russland-Hoax« bezeichnete Untersuchung brachten neun solche »Bomben« hervor; Musk/Twitter und Prominente im Allgemeinen jeweils acht, die Biden-Regierung sieben (10, wenn man die Hunter-Biden-Bomben mitzählt), die britische Königsfamilie sechs und der Oberste Gerichtshof fünf.
Zerreißen, wettern, höhnen: Wer das darf und wie
Die Unterscheidung zwischen Bösewicht, Opfer und Tugendhaftem erklärt auch, wie die Akteur*innen in den Storys auf der Fox-Homepage zu Wort kommen dürfen. Dies zeigt sich auch an der Grammatik – und zwar am Satzbau, und nicht etwa anhand der Vorgaben der Journalismus-Lehrbücher. Die Verbstimme gibt an, wer sich unter welchen Bedingungen äußern darf: Wer offen gegen politische Akteur*innen oder eine politische Maßnahme wettern darf und welche Akteur*innen und Maßnahmen man passiv verspotten oder verhöhnen muss. Im Großen und Ganzen sind es die Opfer und die Tugendhaften, die am meisten wettern und zerreißen, wobei die Schurk*innen – also Medien, die Regierung Biden, liberale Staatsanwält*innen – die Adressaten sind. Der Hauptunterschied zwischen dem Jahr 2022 und ähnlichen Ergebnissen aus dem Jahr 2021 ist die starke Präsenz eines internationalen Akteurs, nämlich Russlands, als Ziel von »Slamming«. Die Verben »wettern« und »zerreißen« (im Englischen »slamming« und »blasting«), die ja laut Medienlehrbüchern und Stilhandbüchern zu den beliebten »Aktionsverben« gehören (z. B. Mencher 1993) sind in allen professionellen Medien gängig, aber wer das tun darf, ist bezeichnend für die parteipolitischen Neigungen, die der Agenda eines Nachrichtenunternehmens zugrunde liegen: Wie stark gegen sämtliche bürokratischen Praktiken »gewettert« wird, und nicht nur gegen die einer Partei oder Neigung.
Sieht man von wörtlichen Verwendungen dieser Begriffe ab (wie bei Wetterereignissen oder Explosionen), so werden »slamming« und »blasting« im Allgemeinen passiv verwendet; bei »verspotten« und »verhöhnen« ist das noch viel stärker der Fall.
Die Hauptziele des aktiven »Slammings« sind liberale oder Demokratische politische Persönlichkeiten oder Institutionen und die Medien; diese sind auch die häufigsten Ziele des passiven Slammings. Die relativen Positionen können sich dabei aber im Zeitverlauf ändern. Aktives »Slamming« ist in erster Linie Aufgabe tugendhafter Akteur*innen. Dazu gehören politische Eliten (Kongressabgeordnete, ehemalige Gouverneur*innen, »GOP-Senatsanwärter*innen«) oder Beamt*innen oder Organisationen, die die öffentliche Sicherheit oder die Perspektiven bzw. die allgemeine »Tugendhaftigkeit« der Fox-News-Lieblinge vertreten (Polizeibehörden oder -gewerkschaften, Staatsanwält*innen, die National Rifle Association, Abtreibungsgegner*innen), gelegentlich aber auch gesellschaftliche Ad-hoc-Gruppen (kanadische »Freiheitskonvois« ). Aus der angeblich liberalen Perspektive ist aktives »Slamming« am häufigsten dann erlaubt, wenn der/die Sprechende abtrünnig geworden ist: Ein Autor für The Atlantic darf CNN dafür »slammen«, wie es den Präsidenten zitiert, ein »progressiver Journalist« kann die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (eine häufige Zielscheibe von Bashing, Slamming und Spott) für ihre Teilnahme an der Met Gala »slammen«, ein vorgeblich liberaler Kolumnist der New York Times kann »Verrückte slammen«, die für Sexualerziehung eintreten, und der allgegenwärtige liberale Kommentator Bill Maher darf Cancel Culture und Scheinheiligkeit »slammen«. Das Weiße Haus und die liberaleren Demokrat*innen dürfen sich nach Belieben gegenseitig »slammen«. In einer seltenen Ausnahme in diesem Datensatz durften Abtreibungsbefürworter*innen in einer einmaligen Schlagzeile die durchgesickerte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Abschaffung von Roe v. Wade »slammen«. Der Krieg in Europa schuf eine ungewöhnliche Ausnahmesituation, in der auch missliebige Akteur*innen einmal »slammen« dürfen. Biden darf zum Beispiel Wladimir Putin »slammen«, und die USA und die NATO dürfen russische Desinformation »slammen«.
Aktives und passives »Blasting« folgt ähnlichen Konventionen, allerdings mit anderen Ausnahmen. Profi-Sportorganisationen gehören in der Regel zu den Tugendhaften, aber wenn sie sich gegen ihre Unterstützer wenden (als etwa NASCAR ein Sponsoringverhältnis mit einer Kryptowährungs-Website aufkündigte, nachdem diese wiederholt Anti-Biden-Slogans genutzt hatte), dürfen sie passiv »geblastet« werden. Schurken dürfen aktiv und passiv geblastet werden (»Candace Owens blastet AOC [Alexandra Ocasio-Cortez] für görenhafte Antwort« und »AOC für Sch—antwort geblastet« ). Aktives Blasting steht einem breiteren Spektrum von Nicht-Eliten offen: Zum Beispiel kann ein Vater auf einer Schulratssitzung »Critical Race Theory in einer flammenden Rede blasten« oder ein einzelner Gastronom kann einen »hochrangigen Demokraten« blasten, der die COVID-Regeln ignoriert.
Spott folgt ähnlichen Regeln. Die konservativen Reihen werden mit einer Blasting-ähnlichen Methode unter Kontrolle gehalten. Wie auch die Polizei ist auch das Militär in der Regel eine unantastbare Institution. Betrachtet es jedoch (unter Demokratischer Führung) »Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion« als »Notwendigkeit«, darf selbst das Militär verspottet werden.
Obwohl diese Analyse allgemein subordinierte Formen des Spottes nicht betrachtet (wenn also in einem Nebensatz oder Relativsatz gespottet wird), sind einige dieser Fälle doch von Bedeutung: Die beiden Artikel »Arzt zerreisst Moderatoren, nachdem sie sich über die Lockerung von Infektionschutzregeln mokieren« und »Soziale Medien haben Spaß dabei, über Kamalas improvisierten Moment zu spotten« deuten darauf hin, dass Spott ähnlichen Regeln folgt, auch wenn er nicht die treibende Kraft des Hauptsatzes ist.
Sprachliche Akte: Stimme erheben und Schweigen brechen
In den Schlagzeilen vom 31. März und 1. April scheint ein »Disney-Mitarbeiter« gegen den Strom zu schwimmen: »Disney-Mitarbeiter hat überraschende Botschaft, was Beschäftigte wirklich über Floridas Elternrechtsgesetz denken«; »Disney-Mitarbeiter bricht sein Schweigen darüber, was Beschäftigte wirklich über das FL-Gesetz denken«; und »Disney-Mitarbeiter warnt eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen eines ›Linksrucks‹«. Wer sich von der Homepage zum Bericht durchklickt, erfährt, dass dieser Angestellte auch die Republikanische Nominierung für einen Sitz im Kongress von Florida anstrebt. Dies ist zwar eine im interaktiven Journalismus übliche Praxis, trägt aber zur Agenda der Attribute auf der Fox-Homepage bei bzw. kann als Faktor nicht ausgeschlossen werden.
»Schweigen brechen« beschreibt eine Handlung und setzt ein vorheriges Schweigen voraus. Auch wenn sich dies oft nicht im Text widerspiegelt – und das vorhergehende »Schweigen« manchmal nur ein paar Stunden währt – so wird doch impliziert, dass eine Wende eingetreten ist. Ähnliche Verben sind z. B. »die Stimme erheben«, »Alarm schlagen« und »brutal ehrlich sein« (am häufigsten in Bezug auf Demokratische Persönlichkeiten).
Das Schweigen kann auch mehrmals oder durch mehrere Akteure gebrochen werden. Nehmen wir den Fall der berühmten Ohrfeige, die Schauspieler Will Smith dem Moderator Chris Rock während der Oscar-Verleihung im März 2022 verpasst hat. Obwohl Smith sich schon bei der Entgegennahme seines Preises bei seinen Kolleg*innen entschuldigt hatte und die Angelegenheit nach seinem Rücktritt aus der Akademie ansprach, brach er am 29. Juli erneut sein Schweigen. Rock brach sein eigenes »Schweigen« in einem Hauptartikel kurz nach Mitternacht am 31. März; drei der fünf Hauptartikel in dieser Fassung der Homepage drehten sich um den Vorfall mit der Ohrfeige.
Andere Reaktionen auf dieses Ereignis unterstreichen die Unterscheidung zwischen Schurken und Tugendhaften. Die »woken Medien« gaben »White supremacy« die Schuld an der Empörung, die auf die Ohrfeige folgte. Eine CNN-Moderatorin wurde »dafür verspottet, wem sie die Schuld gibt«. Ein beliebter Akteur hingegen, der Kommentator Bill Maher (dessen Kommentare während des Untersuchungszeitraums 32-mal in den Top 5 der Nachrichten auftauchten), »vernichtet die Hollywood-Liberalen« für ihre Reaktion.
Das Schweigen kann auch ungebrochen bleiben. Damit lassen sich missliebige Akteure gut überwachen: Sowohl der Schwarze Basketballspieler LeBron James als auch der Disney-Konzern ernten Kritik, weil sie sich nicht zu China äußern. Wenn sich jedoch ein Schwarzer Künstler wie Dave Chapelle über die »Cancel Culture« äußert, bleibt er auf der Seite der Tugendhaften. Auch auf den ersten Blick unsichtbare Nachrichtenpraxis kann Hinweise darauf enthalten, wie der Wert von Nachrichten bestimmt wird.
Praktiken
Indikatoren für die Nachrichtenwert-Hierarchie sind bei Fox, wie stark personelle Ressourcen investiert werden (eine Nullsummenware) und der wahrgenommene Mehrwert für das Publikum, den eine Nachrichtenorganisation über den jeder beliebigen anderen Nachrichtenquelle hinaus stiften kann. Vor dreißig Jahren wäre ein Beispiel hierfür vielleicht eine Lokalzeitung gewesen, die einen zusätzlichen Nachrichtendienst (von der New York Times, der Los Angeles Times oder der Washington Post) abonniert, um sich von der Konkurrenz abzuheben, die sich nur auf einen allgemeinen Dienst wie die AP verlässt.
Wenn ein Nachrichtenunternehmen seine eigene Umfrageforschung durchführt, ist das eine erhebliche Investition in Zeit und Aufwand, und dennoch liefert die monatliche Fox-eigene Umfrage zur Zufriedenheit mit dem Präsidenten keine Schlagzeilen für die fünf Haupthemen. Das heißt nicht, dass die Zufriedenheit mit dem Präsidenten kein salientes Thema ist. In einer Schlagzeile vom Januar hieß es beispielsweise: »Joes Umfragewerte sind so schlecht, dass McEnany sie noch einmal überprüfen musste«. Hier wurde eine Quinnipiac-Umfrage zitiert, laut der 35 % der Befragten die Arbeit des Präsidenten guthießen; die Fox-Umfrage im selben Monat ergab eine Zustimmung von 47 %.
»Bidens Zustimmungswerte sinken in seit Beginn seiner Präsidentschaft ungekannte Tiefen« lautete eine Schlagzeile im Februar, die die »durchschnittliche« Zustimmung laut Real Clear Politics mit 39 % bemaß; die Fox-Umfrage ergab einen Zustimmungswert von 43 %. Ähnlich im März: »Bidens Zustimmungswerte sinken auf einen neuen Tiefpunkt, da die Amerikaner*innen an seiner Fähigkeit zweifeln, mit der russischen Invasion umzugehen« (NBC-Umfrage mit einer Zustimmung von 39 %; Fox-Umfrage vom März: 44 %; im Mai: »Joes neuer Tiefpunkt: Bidens miserable Zustimmungswerte sinken laut einer neuen Umfrage noch weiter« (Associated Press-Umfrage mit 39 % Zustimmung; Fox-Umfrage vom Mai, 45 %); im Juni: »Joe hat Sorgen: Bidens Zustimmungswerte sinken, da bei den Demokrat*innen Zweifel aufkommen« (USA Today/Suffolk-Umfrage mit 39 % Zustimmung; Fox-Umfrage vom Juni, 43 %).
Viele Nachrichtenorganisationen tun sich mit der Interpretation von Meinungsumfragen schwer. Über die eigenen Meinungsumfragen (im Gegensatz zur Interpretation der Arbeit anderer) berichtet Fox mit großer Vorsicht; zum Beispiel wendet es bei der Frage, ob ein*e Kandidat*in oder ein Thema in einer Umfrage »führt«, eine »Fehlermarge« auf beide Punkte einer Stichprobe an. Eine qualitativ hochwertige nationale Umfrage ist zwar teuer, doch wenn Umfrageergebnisse mit der institutionellen Agenda übereinstimmen (selbst wenn die Zustimmung Monat für Monat auf denselben Wert »abstürzt« oder »einbricht« ) wiegt das den Wert der Investition eindeutig auf.
Die Rolle der öffentlichen Meinung spiegelt sich auch in einer anderen Entwicklung wider, was zwar nicht nur bei Fox zu beobachten ist, sich dort aber auf besondere Weise äußert. »Digital Originals«, eine Neuauflage des alten Formats »Mann auf der Straße« oder »fragender Fotograf« aus der Blütezeit der Tribune, berührt zwei Schlüsselfragen: wie Meinung repräsentiert wird und welche Art von Stichprobe sie äußern darf. »Digital Originals« tauchten im Untersuchungszeitraum in 73 einmaligen Beiträgen auf; hier sind einige Beispielüberschriften mit Untertitel und Daten:
»Im freien Fall: Amerikaner benoten Biden, während Umfragewerte abstürzen« (19. Januar; 6 Personen mit Vornamen, eine ohne Namen)
»Mach deine Arbeit: Wähler im Süden sagen deutlich, was sie von ihrem Präsidenten erwarten« (22. Februar; fünf Befragte, die nur mit Vornamen genannt wurden, eine als »Frau aus Atlanta« )
»›Ein Haufen Blödsinn‹: Frustrierte Amerikaner, die an der Zapfsäule leiden, haben kein Vertrauen in Bidens Lösung« (10. März; vier Personen, die nur mit Vornamen genannt werden)
»›Er macht die Wirtschaft kaputt‹: Amerikaner äußern sich zu ihren Problemen mit der Inflation, nachdem Biden behauptet hat, seine Regierung helfe der Bevölkerung« (18. Juni; sieben Personen beim Lebensmitteleinkauf in New York und Virginia, die alle nur mit Vornamen genannt werden)
»›Wir marschieren auf der Stelle‹: Amerikaner äußern sich brutal ehrlich zum Zustand der Nation« (24. März; fünf Personen in Washington, DC, alle nur mit Vornamen)
»›Viele Menschen haben es schwer‹: Amerikaner sagen ihre ehrliche Meinung über Biden, während die Inflation auf Rekordhöhe steigt« (15. April; sechs Personen in Fond du Lac, Wisconsin, alle nur mit Vornamen)
Die Zitate, in der Regel vor laufender Kamera, sind leicht zu überprüfen und erwecken einen vertrautem Anschein von Objektivität; wie ein Bericht über eine zufällige Stichprobenumfrage spiegeln sie in der Regel ein Gleichgewicht der Standpunkte wider. Aber die »brutal ehrliche« Geschichte, die sie erzählen, ist von den Schlagzeilen geprägt.
Propositionen mit vielsagenden Konjunktionen
Van Dijk (1993) bezeichnet die Proposition als »die konzeptuelle Bedeutungsstruktur eines Satzes«; laut Huddleston und Pullum (2002) ist die Proposition das abstrakte Element, das einen Wahrheitswert trägt und somit dem Satz ermöglicht, eine Wahrheitsbehauptung aufzustellen. Dieser abstrakt anmutende Ausflug in die grammatikalische Seite der Diskursanalyse wird deutlicher, wenn man eine gängige Praxis der Verknüpfung von Ideen in Überschriften betrachtet. Da Schlagzeilen sowohl umfassend als auch prägnant sein müssen, ist es üblich, zwei Propositionen zu verbinden, die ähnliche Wahrheitswerte ausdrücken: Zum Beispiel: »Red Sox gewinnen, während die Yankees auswärts verlieren.« Der Trick besteht nun darin, mit der Konjunktion Propositionen von ungleichem Gewicht miteinander zu verknüpfen, wie z. B. ein messbares Ereignis mit einer Vermutung: Der Artikel »Lehrer meldet sich zu Wort, während die Gemeinde wegen Critical Race Theory explodiert« verbindet beispielsweise ein Ereignis mit einer Vermutung: Wie es sein sollte, selbst wenn es nicht so ist. So lassen sich Aussagen darüber treffen, wie die Dinge sein sollten – Benzinpreise sollten immer noch in die Höhe schießen und die Zustimmungswerte des Präsidenten sollten immer noch sinken –, um die in der Sachverhaltsaussage enthaltenen Attribute zu verstärken.
Eine Schlagzeile wie »Heldenhafte Feuerwehrleute werden gelobt, nachdem die Ursache des tödlichen Hochhausinfernos aufgedeckt wurde« wirkt völlig normal und ist es auch. Beide Aussagen – das Lob und die Ursachenklärung – stehen mit konkreten, messbaren Ereignissen in Verbindung. Das Attribut »heroisch« durchbricht die vierte Wand zugunsten des Tugendhaften (Ersthelfer*innen sind in Fox-Artikeln immer mutmaßlich Held*innen), aber diese Art von Wertung ist in Nachrichtenberichten ja auch üblich. »Biden muss vorsichtig sein, während Zustimmungswerte sinken und die extreme Linke Selbstvertrauen einbüßt« (unter der Hauptüberschrift »Wie tief kann man noch sinken« ) hingegen stützt sich auf sinkende Zustimmungswerte, was die Daten nicht bestätigen: Bidens Zustimmungswerte, die in einer Umfrage zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Schlagzeile bei 43 % lagen, bewegten sich in den beiden vorangegangenen Wochen konstant zwischen 40 und 44 %.
Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Schlagzeilen über Kriminalität (»Legal bewaffnete Autofahrer*innen in liberaler Stadt werden aktiv, während Autodiebstähle in den USA stark zunehmen« ), internationale Themen (»Die Welt hält den Atem an, während der ›schwache‹ Joe die Entsendung von Truppen in Erwägung zieht und seine Zurückhaltung gegenüber der NATO aufgibt« ) und Beziehungen zur konservativen Presse (»Wütender Biden verflucht Peter Doocy von Fox News, während seine Verbitterung gegenüber der Presse ein neues Niveau erreicht« ).
Dies kann auch auftreten, wenn beide Propositionen hypothetisch sind, da ein Nebensatz den Wahrheitsanspruch des Hauptsatzes untermauert. In »Neuer Mitarbeiter von Harris bereits in Bedrängnis, weil ihn ein alter Tweet einholt« ist die Rolle des alten Tweets eigentlich noch eine Vermutung, verfestigt aber die Aussage »in Bedrängnis«. (Es werden übrigens fast immer Demokrat*innen von der Vergangenheit »eingeholt« ).
Diskussion
Die Website von Fox News ist ein ganz eigenes Produkt, ähnlich der Tribune auf Lieblings Frühstückstisch: eigenwillig, parteiisch und mit klaren Feindbildern und Held*innen. Ob oder wie diese Merkmale Fox oder die Tribune vom parteiischen Journalismus oder sogar vom Journalismus insgesamt unterscheiden, ist der Kern der von Bauer et al. aufgeworfenen Frage »Was ist Fox News?« (2021). Sie fordern einen »reicheren Wortschatz«, um diese Nuancen besser herauszuarbeiten, und ein größeres Augenmerk auf die verschiedenen Zielgruppen, für die Nachrichtendarstellung unterschiedliche Bedeutungen annehmen kann: Laien, Fachleute oder Wissenschaft. In diesem Beitrag wurde versucht, die Themen und Akteur*innen herauszustellen, welche die Tagesnachrichten auf verschiedenen Bühnen auf so unterschiedliche Weise bespielen.
Es ist nicht leicht, jedes einzelne Beispiel parteiischer oder post-parteilicher Nachrichten sauber von »normaler« Berichterstattung zu trennen, da isoliert betrachtet Feindseligkeit gegenüber offiziellen Akteur*innen oder Misstrauen gegenüber ihren Handlungen unmöglich vom professionellen Konsens über die »Wächterrolle« der Presse zu unterscheiden ist. Wenn die Art der Quellenbeschaffung den eigenen Zeit- und Arbeitsaufwand der Nachrichtenorganisation entwertet – wenn etwa intern erstellte Umfragen zugunsten externer Umfragen ignoriert werden, solange Letztere das breitere Thema des Versagens und der Schwäche des Präsidenten unterstützen – ist das vielleicht, für sich genommen, nichts weiter als sorgfältiges Monitoring des Medienumfelds, um dem Publikum die neuesten relevanten Nachrichten zu liefern. Und bei der täglichen Berichterstattung über die Ukraine ist es durchaus angemessen, einen internen Experten um eine Einschätzung des psychologischen Zustands von Wladimir Putin zu bitten, statt die Auswirkungen der NATO-Munition auf russische Nachschublinien zu erörtern.
Erst im Kontext bilden diese Fälle Attribute, die eine Abweichung vom professionellen Ethos darstellen, die in der Chapel-Hill-Studie von McCombs und Shaws ein so kongruentes Bild zeichneten. Außen vor bleiben Narrative wie etwa eine Änderung der COVID-Richtlinien durch die Centers for Disease Control and Prevention, weil sich »die Wissenschaft« geändert hat, oder weil erkannt wurde, dass Wissenschaft und kulturelle Belange in der Risikokommunikation untrennbar miteinander verflochten sind (Douglas 1992). Und niemals kommt es vor, dass Twitter zugunsten einer Politik der Emissionssenkung »explodiert«. Die Vizepräsidentin ist nie eine politische Figur, sondern immer nur eine Figur der Lächerlichkeit; die Zustimmung zum Präsidenten sinkt ständig, selbst wenn sie steigt. Wie Carey (2009: 16) es ausdrückt, stellt die Fox-Agenda »eine Situation dar, in der nichts Neues gelernt, sondern in der eine bestimmte Sicht der Welt dargestellt und bestätigt wird«. Die angebliche Einführung von Critical Race Theory an Grundschulen ist nicht etwa eine Erfindung der Rechten, um Wutbürger*innen um ihr Geld zu bringen (Wallace-Wells 2021), sondern eine Bedrohung für die Zukunft der Gesellschaft selbst: »der Nachhaltigkeit … traditioneller Muster von Sprache, Kultur, religiöser und nationaler Identität und von Brauchtum« (Buzan et al. 1998: 119). Aber auch hier ist die Nachrichtenorganisation zur Stelle, die keinen Platz für die Saturday Night Live-Parodie über den Depp-Heard-Prozess und die Fäkalien-im-Bett-Geschichte hatte, oder auf andere Weise eine »dramatische Handlung« präsentierte, »bei der die Leserschaft wie Zuschauer eines Theaterstücks an einer Welt konkurrierender Kräfte teilhat« (Carey 2009: 16-17). Fox will den Mächtigen die Wahrheit sagen, solange sie dabei nicht ihren eigenen Verbündeten gegenüber die Wahrheit sagen muss.
Die Wiederholung dieser Narrative und ihre scheinbare Dringlichkeit – Critical Race Theory hängt schwer über dem neuen Schuljahr, die Tatenlosigkeit des Präsidenten bringt China der Weltherrschaft täglich näher, Städte brechen unter der selbst verursachten Last von Kriminalität und Obdachlosigkeit zusammen – unterstützen die Theorie der Versicherheitlichung (Buzan et al. 1998), wonach kulturelle Sicherheit sofortige Korrekturmaßnahmen erfordert, weil später kein Handeln mehr möglich ist. Eine Herausforderung bei der Kost von Fox News besteht darin, dass sie durchweg in extragroßen Portionen serviert wird. Welche Seite auch immer gerade die Oberhand hat, es gibt keine Verschnaufpause im ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse.
Über den Autor
Fred Vultee (*1955), PhD, ist Professor für Journalismus an der Wayne State Universität in Detroit, USA. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Nachrichtenpraxis, insbesondere forscht er zu Konstruktionen von nationaler und gesellschaftlicher Sicherheit. Zuvor war er 25 Jahre lang Redakteur bei US-amerikanischen Zeitungen. Kontakt: vulteef@wayne.edu
Übersetzung: Kerstin Trimble
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Zitationsvorschlag
Fred Vultee: »Fear and balanced« – ausgewogene Berichterstattung für Angstbürger*innen. Die Welt, wie foxnews.com sie sieht. In: Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung, 2, 2023, 6. Jg., S. 164-185. DOI: 10.1453/2569-152X-22023-13380-de
ISSN
2569-152X
DOI
https://doi.org/10.1453/2569-152X-22023-13380-de
Erste Online-Veröffentlichung
Juli 2023