Editorial

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind zurecht öffentlicher Kritik und Kontrolle ausgesetzt. Ihr Auftrag und die Finanzierung durch Beiträge erfordern, dass sie sich sehr viel stärker erklären und Rechenschaft über ihren Public Value ablegen müssen als privat-kommerzielle Medienunternehmen. Auch in dieser Ausgabe der Journalistik geht es im Debatten-Beitrag und in zwei weiteren Aufsätzen um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Echt jetzt?! Sophie Scholl auf Instagram Eine Analyse des journalistischen Diskurses

Von Martina Thiele und Tanja Thomas | Knapp achtzig Jahre nach ihrer Hinrichtung lässt das Projekt @ichbinsophiescholl die Widerstandskämpferin Sophie Scholl (1921-1943) medial auferstehen: Eine fiktionalisierte Version von Sophie Scholl, verkörpert von der Schauspielerin Luna Wedler, lässt im Jahr 2021 ihre Follower:innen auf ihrem Instagram-Account @ichbinsophiescholl ›live‹ an den letzten Monaten vor ihrer Verhaftung und Ermordung teilhaben. Nahezu alle deutschen Medien berichten über das gemeinsame Projekt von Südwestrundfunk und Bayerischen Rundfunk. @ichbinsophiescholl ist exemplarisch für einen sich verändernden Umgang mit Geschichte und für neue Formen der Vergegenwärtigung von Vergangenheit in digitalen Medienkulturen. Die Analyse rekonstruiert diskursive Muster, Diskursstränge und Diskurspositionen in der Berichterstattung über das Projekt vom 1. Mai 2021 bis 30. Juli 2022 und diskutiert, inwieweit ›der‹ Journalismus seiner öffentlichen Aufgabe und den verschiedenen ihm zugewiesenen Funktionen gerecht geworden ist.

Repräsentativität in Rundfunk- und Fernsehrat Eine vergleichende Analyse der Diskrepanz von Besetzung und Demografie

Von Jasmin Koch, Sabine Schiffer, Fabian Schöpp und Ronja Tabrizi | Die Rundfunkräte sind eine wichtige Kontrollinstanz der öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Zusammensetzung soll die Gesellschaft abbilden. Doch welche Gruppen und Interessensvertretungen sind derzeit gesellschaftlich relevant – und sind diese in den Räten vertreten? Der Beitrag untersucht auf Basis bundesweiter Demografiedaten die Zusammensetzung der Kontrollgremien von ARD und ZDF im Hinblick auf ihre Repräsentativität.

Medieneigentum und Journalismus Eine Diskursanalyse zur Medienberichterstattung über Eigentum am Beispiel von Kevin Kühnerts Enteignungsdebatte

Von Silas Ketels | Im Jahr 2019 trat Kevin Kühnert, damals noch Vorsitzender der Jusos, durch ein Interview, in dem er mit der Zeit über Eigentumsverhältnisse und Enteignungen sprach, eine mediale Debatte los. Mithilfe einer wissenssoziologisch fundierten Diskursanalyse zeichnet der Beitrag nach, welche Diskurspositionen diese Debatte dominierten, und überprüft, ob die Eigentumsform des publizierenden Mediums im Zusammenhang mit der eingenommenen Diskursposition steht.

Wie das Internet in Russland unschädlich gemacht wird Chronik der staatlichen »Versicherheitlichungs«-Maßnahmen

Von Yulia Belinskaya | Immer restriktivere Mediengesetze schränken die Presse- und Meinungsfreiheit in Russland ein. Yulia Belinskaya zeigt, wie der russische Staat mit Manipulation und Zensur die »Versicherheitlichung« der Öffentlichkeit vorantreibt und diese legitimiert, und geht der Frage nach, ob (digitaler) Aktivismus und Widerstand derzeit überhaupt noch möglich sind.

»Verteidigt die Institutionen!« Öffentlich-rechtliche Medien sichern Demokratie

Von Barbara Thomaß | In der aktuellen Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden die Rufe nach Reformen lauter. Aber: Wenn von Reformen die Rede ist, sind meist Budgetkürzungen gemeint, warnt Barbara Thomaß. Auch wenn das kurzfristig zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung führen mag, werden die Probleme der öffentlich-rechtlichen Medien damit langfristig verschärft.

Content Creation Eine neue Phase des Journalismus?

Von Gabriele Hooffacker | Neben die klassischen Anbieter von Nachrichten und Journalismus sind neue Akteure getreten, die mit Begriffen wie »Influencer« oder »Content Creatoren« beschrieben werden. Während unter der Stellenbeschreibung »Content Creator« meist Berufe aus dem Umfeld des Content-Marketing verstanden werden, finden sich unter den erfolgreichen Content Creatoren solche mit journalistischem Anspruch, die auch entsprechend rezipiert werden. Am Beispiel des »Computerspiele-Journalismus«, der in den 1990er- und 2000er-Jahren in Printmedien betrieben wurde, zeichnet Hooffacker Entwicklungsphasen nach, die auch für andere journalistische Themen und Ressorts vorstellbar sind.