Max Weber und das ›Trump-Zeitalter‹ Zur Relevanz und Aktualität des Soziologen und Medienforschers aus Anlass seines Todes vor 100 Jahren
von Siegfried Weischenberg / Einer der größten Deutschen aller Zeiten ist er genannt worden, wichtigster Sozialwissenschaftler überhaupt, bedeutender Inspirator und Irritierer bei Versuchen, die moderne Gesellschaft zu beobachten und zu beschreiben. Auch noch genau 100 Jahre nach seinem Tode werden seine Werke in aller Welt beachtet. In den USA, aber auch in China gilt vor allem die Protestantische Ethik als Stück mit nicht nachlassender Strahlkraft – ein bis heute unerreichter holistischer Versuch, die Triebkräfte in der amerikanischen Gesellschaft zu analysieren. Max Weber war ein Universalgelehrter: Nationalökonomie, Rechts- und Religionsgeschichte, Politik, Musik und auch die Massenmedien; über all dies und anderes hat er nach peniblen (empirischen) Studien Profundes publiziert. Die Welt-Karriere des ›bürgerlichen Marx‹ begann jedoch erst allmählich nach seinem frühen Tod im Jahre 1920. Es war zunächst vor allem seine Witwe, die durch geschicktes Publikations-Management und Networking seinen Ruhm mehrte. Inzwischen kümmert sich eine große Schar von ›Weber-Forschern und -Forscherinnen‹ in vielen Ländern um die Entschlüsselung seines Werks. Dieses ist und bleibt rätselhaft. Da gibt es zwar die knackigen Begriffe, Kategorien und Zitate, die Weber hinterließ. Doch was er wirklich meinte, ist auch nach diversen Bänden der gigantischen Max-Weber-Gesamtausgabe in manchen Teilen nicht deutlich geworden. So bleibt der ›Entzauberer‹ unser Begleiter im neuen Jahrhundert. Dies gilt gerade auch für seine Beschäftigung mit Medien und Journalismus. Wie wichtig sie im 20. Jahrhundert sind, erkannte er als einer der ersten. Die Beobachtungsstrategien und Kategorien, welche er zu ihrer Erforschung präsentierte, besitzen bis heute – im ›Trump-Zeitalter‹ der Mediatisierung und kommunikativen Penetrierung – Relevanz und Aktualität.