Editorial 2/2019

Wie haben Journalisten weltweit gemeinsam an den Paradise und Panama Papers gearbeitet? Dieser Frage sind Julia Lück und Tanjev Schultz nachgegangen. In ihrem Aufsatz veröffentlichen sie die wichtigsten Ergebnisse ihrer Studie zur Arbeit von Journalisten des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). Diese waren an der Aufdeckung krimineller Finanzaktivitäten auf globaler Ebene beteiligt. Eine der größten Herausforderungen: Die riesengroßen Datenmengen analysierbar zu machen und darin für die Öffentlichkeit relevante Geschichten über Menschen, Unternehmen und deren Aktivitäten zu finden. Wie das gelang, lesen Sie in dieser Ausgabe der Journalistik.

Der globale Datenjournalismus wäre Joseph Roth (1894 bis 1939) vermutlich wie Science Fiction erschienen. Berühmt wurde er als Erzähler mit Werken wie Hiob und Radetzkymarsch. Doch er hat ein ebenso umfangreiches journalistisches Schaffen hinterlassen. Petra Herczeg beleuchtet in ihrem Aufsatz, wie er journalistisch mit dem aufkommenden Nationalsozialismus umging und diskutiert Roths Bedeutung für den aktuellen Journalismus.

Im Essay dieser Ausgabe der Journalistik setzt sich Marcus Maurer mit dem Zusammenspiel von Journalismus und der AfD auseinander. Er diskutiert drei mögliche Strategien und ihre Folgen. Maurer plädiert für einen nicht unkritischen, aber sachlichen Umgang mit der AfD.

Die Debatte dieser Ausgabe handelt von Social Bots. Eine Untersuchung von Twitter-Debatten, die Tommy Hasert und Gabriele Hooffacker präsentieren, legt nahe, dass die Bedeutung von Social Bots überschätzt wird. Die Daten sind sorgfältig erhoben und präsentiert. Allerdings: Um die Wirkung von Bots ermessen zu können, müsste zusätzlich ermittelt werden, inwieweit sie zur Verbreitung von Verwirrung, Fehlmeldungen und Falschmeldungen beigetragen haben bzw. inwieweit Inhalte von Bots dann von anderen aufgegriffen und weiter verbreitet wurden. Dazu bedarf es einer netzwerkanalytischen Untersuchung.

Was uns zudem debattierwürdig erscheint, ist der interpretierende Kontext, in den diese Daten gestellt werden: »Nur« 7,68 Prozent der an Politik- und Konsumdiskursen beteiligten Adressen lassen sich als Bots identifizieren: Kann man daraus schließen, dass von ihnen keine Gefährdung für die Demokratie ausgeht – zumal, wenn man bedenkt, wie äußerst knapp die Wahlentscheidungen waren, die zum Brexit-Votum oder zur Präsidentschaft von Donald Trump geführt haben; und wenn man das Untersuchungsergebnis berücksichtigt, dass gerade bei den US-Zwischenwahlen die Bots eine relativ negative Tendenz und große Reichweite hatten?

Läuft die Bemerkung, dass von Bots zwar theoretisch Gefahren ausgehen, es für ihre Wirksamkeit aber keine eindeutigen Belege gibt, nicht auf eine Verharmlosung der mit Bots verbundenen Risiken hinaus? Ist es sinnvoll, Journalisten vorzuwerfen, auf solche Risiken in professionell zugespitzter Weise aufmerksam zu machen? Kann eine Momentaufnahme des Ist-Zustands vom Sommer 2018 das problematische Potential der Bots überhaupt relativieren?

Macht es Bots unschädlich, wenn man sie mit Faktoren wie Privatfernsehen oder Massenpresse vergleicht, deren schädlicher Einfluss auf die demokratische Kultur in der Kommunikationswissenschaft zeitweise sehr intensiv erforscht und diskutiert wurde? Ist die Forderung nach erkennbarer Verantwortlichkeit für öffentliche Mitteilungen, die seit langem im Presserecht verankert ist, eine illegitime Einschränkung der Kommunikationsfreiheit?

Sollte man nicht, anstatt Medienphänomene für sich zu betrachten, einmal von der gesellschaftlichen Erfahrung der seit Jahrzehnten schleichenden, heute unverkennbaren »Transformation der Demokratie« (Johannes Agnoli) ausgehen und erst danach fragen, welchen Anteil Kommerzfernsehen, BILD, aber eben auch Bots und andere Phänomene des digitalen Medienumbruchs daran haben?

Solche Fragen mögen zum Nachdenken anregen. Indem wir den Aufsatz über Bots unter die Rubrik »Debatte« stellen, laden wir zur Formulierung von kontroversen oder ergänzenden Stellungnahmen ein. Direkt unter den Aufsätzen, dem Essay und den Debattenbeiträgen können Sie Ihren Kommentar hinterlassen. Oder schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion@journalistik.online.

Darüber hinaus freuen wir uns über Themenanregungen, Manuskriptangebote und Kritik. Wissenschaft lebt vom Austausch.

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