Frankreichs eigener Murdoch Geld, Medien und Wahlkampf

von Valérie Robert

Abstract: In Frankreich gab es in den vergangenen Jahren nicht nur einen Umbruch im Parteiensystem, auch die Medienlandschaft veränderte sich. Der Einfluss großer Konzerne und Unternehmer kann dabei die innere Pressefreiheit gefährden und eine politische Bewegung nach rechts verstärken. Der Beitrag analysiert vor dem Hintergrund des einsetzenden Wahlkampfs die aktuellen Entwicklungen auf dem französischen Medienmarkt, insbesondere die Bedeutung des Mischkonzerns TF1 und des Milliardärs Vincent Bolloré.

Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Frankreich an 34. Stelle. Auf den ersten fünf Plätzen liegen die skandinavischen Länder und Costa Rica, Deutschland rangiert auf Platz 13. Was erklärt die vergleichsweise schlechte Position Frankreichs? Als Grund dafür wird unter anderem Polizeigewalt gegen Journalist:innen während Demonstrationen angeführt, besonders während der Proteste gegen das Gesetz zur globalen Sicherheit (vgl. Balmer 2020; Pantel 2020). Dieses Gesetz ist mittlerweile in Kraft getreten, jedoch ohne den Paragrafen, der es unter Strafe gestellt hätte, Aufnahmen von Polizeieinsätzen zu veröffentlichen, mit der Absicht, Polizist:innen psychisch oder physisch zu schaden. Journalistenorganisationen sowie zahlreiche Abgeordnete hatten diese Vorschrift als Eingriff in die Pressefreiheit bewertet, weil damit das Filmen jedes Polizeieinsatzes de facto verboten wäre. Nun hat der Verfassungsrat den Paragrafen gekippt, allerdings nur aufgrund seiner zu großen Vagheit; auf den notwendigen Schutz der Pressefreiheit hat er dabei nicht hingewiesen.

Reporter ohne Grenzen (2021) zeigt sich aber auch über die innere Pressefreiheit besorgt: »Editorial independence continues to be a sensitive issue because media ownership is concentrated and media outlets tend to be integrated into business groups with interests in other areas of the economy. This encourages conflicts of interest that feed mistrust of the media.«

Will man die Lage des Journalismus in Frankreich verstehen, müssen in der Tat die Eigentumsverhältnisse, die Macht industrieller Konzerne und deren Verflechtung mit Staat und Politik berücksichtigt werden. Auch der Erfolg neuer Medien wie »Mediapart«, die als Identitätsmerkmal ihre Unabhängigkeit von Konzernen und von der Werbung betonen, lässt sich dadurch erklären (Robert 2011: 128-129). Um die Beziehungen innerhalb des Dreiecks Geld, Medien und Politik zu veranschaulichen, sollen hier drei wichtige Akteure im Fokus stehen, nämlich der Mischkonzern TF1, der Milliardär Vincent Bolloré und Staatspräsident Macron. Aktueller Anlass dazu ist der (nicht vollständige) Rückzug des deutschen Bertelsmann-Konzerns aus dem französischen Markt, der dadurch stark aufgemischt wird.

Prisma Media, ein ehemals deutscher Verlag

Prisma Media, der 1978 von Gruner + Jahr gegründete größte Zeitschriftenverlag in Frankreich, hat den französischen Markt stark geprägt (vgl. Robert 2013: 367). In diesem Jahr wurde der Verlag nun an Vivendi verkauft. Dessen Großaktionär ist Bolloré. Mit seinem eigenen Konzern wiederum ist Bolloré primär in den Bereichen Transport und Logistik tätig (er ist der größte Hafenbetreiber Afrikas), hat aber in den letzten 15 Jahren parallel stark in Medien investiert. Mittlerweile ist er an Fernseh- und Radiosendern, Zeitschriften und Gratiszeitungen beteiligt. Durch Vivendi entscheidet er über Programm und Ausrichtung der Groupe Canal Plus, zu der nicht nur der Bezahlsender Canal+ gehört, sondern unter anderem auch der kleine Sender CNews.

Im Fernsehen kommt die Canal-Plus-Gruppe auf einen Marktanteil von 7,2 Prozent, CNews auf 2,2 Prozent, also hinter dem – immer weniger dominanten – Platzhirschen unter den Nachrichtensendern, BFMTV, mit 2,6 Prozent (BFM gehört übrigens dem Milliardär Patrick Drahi, Hauptaktionär der Telekommunikationsgruppe Altice). Als erster Aktionär der Lagardère-Gruppe (ursprünglich im Luffahrtsektor tätig), der noch einige Medien gehören, herrscht Bolloré de facto auch über den Radiosender Europe 1 (vgl. Garrigos/Roberts 2021b). Europe 1 hat in den vergangenen Jahren zwar viel an Quote eingebüßt und steckt zur Zeit mit 4,5 Prozent Marktanteil in der Krise. Der Radiosender bleibt aber eine wichtige Marke, und es wird bereits über Synergien mit CNews nachgedacht. Auch eine politische Umgestaltung ist im Gange.

Eine Verlobung

Ursprünglich wollte Bertelsmann auch seine Anteile an der Groupe M6 verkaufen, dazu gehören M6, mit 9,1 Prozent Marktanteil[1] der dritte Fernsehsender in Frankreich, sowie kleinere Sender und die Hörfunksenderfamilie RTL. Dafür hatten etliche Medienkonzerne ein Angebot gemacht: Bolloré mit Vivendi; der tschechische Kohle-Milliardär Kretinsky, der schon mehrere Zeitschriften besitzt und indirekt an Le Monde beteiligt ist; der Telekommunikationsunternehmer Xavier Niel (zusammen mit Matthieu Pigasse und Pierre-Antoine Capton; Niel und Pigasse sind Hauptaktionäre von Le Monde, und Niel besitzt auch mehrere Regionalzeitungen); der italienische Konzern Mediaset. Schließlich hat sich Bertelsmann aber anders entschieden, und die Groupe M6 soll mit der Fernsehgruppe TF1 fusionieren. Diese hat im Fernsehbereich einen Marktanteil von 27,5 Prozent, das Flaggschiff von TF1 ist der erste Fernsehsender in Frankreich mit 19,9 Prozent. Hauptaktionär von TF1 ist die weltweit tätige Baugesellschaft Bouygues. Sie soll die neue Gruppe kontrollieren, Bertelsmann bleibt aber vertreten.

Die »Verlobung« zweier lange verfeindeter oder rivalisierender Akteure des Gratisfernsehens in Frankreich muss noch von der Wettbewerbsbehörde und von der Regulierungsbehörde CSA geprüft werden, denn die neue Einheit käme im Fernsehen auf einen Marktanteil von 42 Prozent und würde somit einen Großteil des Werbemarktes beherrschen. Die öffentlich-rechtlichen Sender kommen insgesamt nur auf einen Marktanteil von 28,2 Prozent. Vermutlich erwarten Bouygues und Bertelsmann auch, einen ihrer Meinung nach in Zeiten der Dominanz von Akteuren wie Netflix unerlässlichen Linienwechsel in der Konzentrationsbeschränkung durchzusetzen (vgl. Renault 2021). Die Sender TF1 und M6 sollen zwar mit eigenem Programm weiter bestehen; gefährdet werden könnte aber der Pluralismus in der politischen Bericherstattung – zum Beispiel dadurch, dass TF1 Einfluss auf die Radiosender der Groupe M6 nimmt. Darunter ist RTL, mit 12,4 Prozent der zweite große Radiosender in Frankreich nach dem öffentlich-rechtlichen France Inter (13,3 Prozent).

Außer Bertelsmann und Mediaset spielten in diesem »Medien-Monopoly« (Klimm 2021) nur Industrielle aus anderen Branchen mit, die in Medien investiert haben. Diese Verschränkung von Information und wirtschaftlichen Interessen kann sowohl die innere Pressefreiheit als auch den Pluralismus gefährden (vgl. Chupin u.a. 2012: 105, 110; Robert 2011: 68, 156). Dass Industrielle die Berichterstattung ihrer Medien im eigenen Interesse beeinflussen, ist zum Beispiel von Bernard Arnault (LVMH) oder von Dassault (der Rüstungskonzern besitzt Le Figaro) bekannt. Zwar ist in manchen Medien wie Le Monde die Redaktion durch Statuten vor Eingriffen der Hauptaktionäre geschützt, dies ist aber die Ausnahme. Dass solche Statuten überhaupt als nötig erachtet werden, zeigt die mangelnde Autonomie des Journalismus in Frankreich.

Bei einigen dieser Konzerne ist der französische Staat (oder auch andere Staaten) ein wichtiger Kunde, und hier gilt: »Gegenüber Politikern, die eine positive Medienberichterstattung anstreben, erscheint die Akquisition von Medien in der Tat als ein Mittel, bestimmte Entscheidungen des Staates zu beeinflussen.« (Chupin u.a. 2012: 109f.).

Bollorés Medienimperium vs. TF1, das alte Schreckgespenst

So bedenklich die Fusion von TF1 und M6 sein mag, so ist für das öffentliche und politische Leben in Frankreich das stetige Wachsen von Bollorés Medienimperium viel besorgniserregender. Dass man bei der Nachricht der Fusion eine Art Erleichterung empfinden würde, weil es noch schlimmer, nämlich in Form von Bolloré hätte kommen können, damit hat man noch vor zehn Jahren nicht gerechnet. Als 1986 der öffentlich-rechtliche Sender TF1 privatisiert wurde, wurde er an das Großbauunternehmen Bouygues verkauft. Was sich Bouygues von diesem Kauf versprach, wurde schnell klar: Profit, freilich, aber auch politischen Einfluss.

TF1 entwickelte sich zu einem konservativen Sender, der in Wahlkämpfen mit einer Angst schürenden Berichterstattung über Sicherheit und Kriminalität zugunsten der Rechten mitmischte. Diese Linie verfolgt TF1 weiterhin, nur hat man sich daran gewöhnt – und TF1 wird jetzt, im Vergleich zu Bolloré, ungefähr so wahrgenommen wie Jacques Chirac im Vergleich zu Jean-Marie Le Pen bei der Präsidentschaftswahl im Jahre 2002: als das kleinere, vertraute Übel.

Bei Bolloré ist innere Pressefreiheit nicht zu finden, stattdessen gibt es Hexenjagden. Beim Personal der Groupe Canal Plus herrscht Angst, Kritik ist unerwünscht (vgl. Garrigos/Roberts 2021a). Das Sportressort mussten im Frühjahr 2021 mehr als 20 (von 120) Journalisten wegen »Illoyalität« verlassen, nachdem sie sich mit einem Journalisten solidarisiert hatten, dem gekündigt wurde, weil er sich über Pascal Praud (CNews) lustig gemacht hatte. Nach außen hin wehrt sich Bolloré gegen alle Versuche einer kritischen Berichterstattung über seinen Konzern mit Anzeigen wegen Verleumdung und schafft dadurch einen erheblichen, auch finanziellen Druck auf investigative Medien (vgl. Aveline 2021). In Bollorés eigenen Medien wird freilich nie kritisch bzw. stets positiv über seine Geschäfte oder Geschäftspartner berichtet, bei Prisma Media fürchten sich daher besonders beim Wirtschaftsmagazin Capital die Journalist:innen vor redaktionellen Eingriffen und einer »CNews-ierung« (Cohen 2021).

CNews, ein »Meinungs-Nachrichtensender«

Der Nachrichtensender CNews ist 2016 entstanden aus dem ehemaligen Sender iTélé. Nachdem ein großer Teil der Redaktion aus Protest gegen die Einstellung eines wegen Verführung Minderjähriger angeklagten Moderators wochenlang gestreikt hatte, mussten drei Viertel der Journalist:innen gehen. Bolloré war Widerspenstige los und konnte seine Prinzipien umsetzen: Sparen, Profit, Politik.

Nachrichtensender gibt es in Frankreich viele, unter anderem CNews, BFM und LCI aus der TF1-Gruppe. Alle weisen mehr oder weniger die gleichen Charakteristika auf: News in Echtzeit, kaum Hintergründe oder Reportagen, die ja zu viel kosten, dafür aber günstige Talkshows (vgl. Eustache 2021). Der Medienhistoriker Lévrier spricht von »Kommentarsendern« (Lécuyer 2021), der CNews-Programmdirektor von einem »Meinungs-Nachrichtensender« (Ubertalli 2021). Polemiken und markante Sätze werden wiederverwertet, von anderen, vor allem den sozialen Medien übernommen und bekommen so ein Eigenleben, wodurch sowohl die Gäste als auch der Sender an Bekanntheit gewinnen und beide in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen (vgl. Eustache 2021).

Auch bei CNews sind es Talkshows, die Quote bringen und dem Sender eine Identität verleihen, nämlich: L’heure des pros mit dem ehemaligen Sportjournalisten Pascal Praud, jeden Tag um 9:00 und um 20:00 Uhr, und Face à l’info mit Eric Zemmour um 19:00 Uhr. Bei beiden gilt: »Je provokanter und hasserfüllter die An- und Übergriffe, desto besser« (Schwarz 2021). Dank dieser Strategie konnte der Sender innerhalb eines Jahres seinen Marktanteil um 0,8 Prozentpunkte steigern, im Mai 2021 hatte er zum ersten Mal an manchen Tagen einen größeren Marktanteil als BFM. Face à l’info mit Eric Zemmour kam zeitweise auf 4,9 Prozent, und Prauds Sendung erzielt oft Quoten von zirka 10 Prozent. Auch trägt das Medienecho erheblich zur Bekanntheit des Senders bei.

»Kompetitive Symbiose«

Weil er rechtsextremes Gedankengut banalisiert, wird CNews oft mit Fox News verglichen (vgl. Cassini 2021). Es wird gegen die üblichen Feindbilder jedes rechten Stammtisches gewettert: Islam, sogenanntes »Islamo-gauchisme«, angeblich zu einem Bürgerkrieg führende (Ausländer-)Kriminalität, Political Correctness, vermeintliche Cancel Culture, Feminismus, Dekolonialismus, Gender usw. Der Sender stellt sich als »Thermometer der Gesellschaft« (Sallé 2021) und als Sprachrohr einer »schweigende Mehrheit« dar, als Verfechter der Meinungsfreiheit gegenüber einer vermeintlichen Sprach- und Denkpolizei. Tatsächliche Einschränkungen der Pressefreiheit durch Staat und Polizei dagegen werden begrüßt, betreffen sie doch nur linke bzw. »islamo-linke« Agitatoren.

Ein Star von CNews ist der Publizist Eric Zemmour, der »in kaum noch verhüllten Begriffen den Bürgerkrieg gegen Muslime beschwört« (Minkmar 2020) und wie besessen wirkt von einem vermeintlichen Untergang Frankreichs im Zuge eines fantasierten »grand remplacement« (Bevölkerungaustauschs). Durch Zemmour ist der Marktanteil von CNews stark gestiegen, anders gesagt: »Die Quote steigt dank Hass und Aufrufen zum Hass« (Garrigos/Roberts 2019). Dass der Publizist mehrmals wegen Anstachelung zum Rassenhass verurteilt wurde, schadet ihm nicht – er ist da, weil Bolloré selber das will (vgl. Garrigos/Roberts 2019).

So ist CNews zu einem Akteur der politischen Debatte geworden und macht keinen Hehl daraus, beim kommenden Wahlkampf eine große Rolle spielen zu wollen. Ist er deswegen dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron »ein Dorn im Auge« (Wüpper 2021)? Nur teilweise. CNews verbreitet zwar rechtsextreme Thesen, aber gerade dies kommt Macron nicht ungelegen. Damit Macron sich, wie auch 2017, linken oder gemäßigten rechten Wählern gegenüber als Bollwerk gegen den Rechtsextremismus und daher als einzige Wahloption inszenieren kann, muss dieser Rechtsextremismus stark hörbar sein. Das ist er eben auf CNews. Der Medienhistoriker Alexis Lévrier meint dazu: »Der Macronismus, das ist der Anti-Lepenismus. Daher braucht er Le Pen, um existieren zu können.« (Lécuyer 2021)

Gleichzeitig – »en même temps«, wie der Staatspräsident gerne sagt – besetzt Macrons Regierung zum Beispiel bei Themen der inneren Sicherheit und des Islam Themen Le Pens, und auch dafür braucht er CNews – um rechte Wähler anzusprechen. Das Verhältnis zwischen Macron und CNews kann als »kompetitive Symbiose« (Lachenmeier 2007: 62) bezeichnet werden. Übrigens steht Macron mit Journalisten von CNews in Kontakt, mit Praud tauscht er sogar Textnachrichten aus (vgl. Chemin 2021). Dass die öffentliche Debatte stark in Richtung rechtsradikal abdriftet, lässt sich zwar nicht leugnen. Aber verantwortlich dafür sind nicht nur das eindeutig rechtsextreme Magazin Valeurs Actuelles oder CNews oder Le Figaro: Macrons Regierung, besonders Innenminister Gérald Darmanin, macht kräftig mit.

»Unser Stammtisch«

Mitglieder der Regierung und von Macrons Partei sind immer mehr auf CNews zu sehen, sogar bei Zemmour. Die Überlegung ist folgende: »CNews ist der Sender von 2022. Von Praud mag man halten, was man will, aber es ist unser Stammtisch, daher muss man hin und sich der Debatte stellen.« (Le Courrier picard 2021) Den Sender zu boykottieren, wird für alle Parteien immer schwieriger. Auch die linksradikale Partei LFI ist oft bei Praud repräsentiert, die Grünen meiden nur die Sendungen von Praud und Zemmour. Konservative wiederum begrüßen, dass die »Wähler von rechts endlich einen Sender haben, der sie anspricht« (Vigogne 2021) – als sei das nicht schon mit TF1 und BFM der Fall.

Übrigens ist unter Bollorés Medien nicht nur CNews zum Treffpunkt der Politik geworden. Im Sender C8 ist die allabendliche Sendung TPMP, die bis zu 1,5 Millionen Zuschauer erreicht, sehr begehrt. Moderator Cyril Hanouna ist für dumm-bösartige, frauenfeindliche oder homophobe Scherze bekannt; dafür musste der Sender sogar ein Bußgeld von drei Millionen Euro zahlen. Nichtsdestotrotz hält Bolloré an ihm fest. Er ist zum unumgänglichen Gesprächspartner der Politiker und besonders der Macronisten geworden, die sich von ihm den Anschluss an die Jugend sowie an das »normale« Frankreich erhoffen. Die Ministerin für Staatsbürgerschaft, Marlène Schiappa, ist nahezu Stammgast bei TPMP und meint, das traditionelle Fernsehduell nach dem ersten Wahlgang der Präsidentenwahl sollte am besten Hanouna moderieren.

Nun hat auch Macron bei all dem seine Hand im Spiel – als ehemaliger Investmentbanker und ehemaliger Minister für Wirtschaft, Industrie und Digitales kennt er sich mit den beteiligten Industriekonzernen aus und ist bestens vernetzt, unter anderem auf Milliardäre wie Bernard Arnault und Xavier Niel kann er zählen (Cassini/Faye 2021). Im Kontext des kommenden Wahlkampfes versucht die Macronie, ein weiteres Wachstum von Bollorés Imperium zu stoppen. So wurde die Option einer Fusion von TF1 (die Gruppe ist Macron nicht abgeneigt) und M6 hinter den Kulissen unterstützt. Auch wenn diese wegen Bedenken der Wettbewerbsbehörde nicht stattfinden sollte, so sind M6 und RTL in der Zwischenzeit vor Bolloré geschützt. Allerdings hat es Macron nicht geschafft, auch Europe1 vor Bolloré zu retten (Rose u.a. 2020), und es stellt sich die Frage, ob die Lagardère-Titel Le JDD und Paris Match auch unter den Einfluss von Bolloré geraten werden. Dies wäre ein schmerzhafter Verlust für die Macron-Seite, ist die Sonntagszeitung JDD in den letzten Jahren doch zu einem inoffiziellen Verlautbarungsmedium geworden (vgl. Klimm 2021).

Und was sind Bollorés Motive? Profit oder Überzeugung? Bestimmt beides. Die politische Linie seiner Medien ist nicht nur durch wirtschaftliches Kalkül zu erklären, sondern enstammt zweifellos dem Willen, politisch mitzumischen (vgl. Eustache 2021). Dass Bolloré den Wahlkampf zugunsten der Rechtsextremen beeinflussen will, steht außer Zweifel. Ob er Marine Le Pen bevorzugt oder eventuell den noch radikaleren Zemmour unterstützen würde (einer Umfrage von Februar 2021 nach könnte dieser als Kandidat 13 Prozent der Stimmen bekommen), bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat Frankreich nun seinen eigenen Murdoch – oder gar seinen Hugenberg?

Über die Autorin

Valérie Robert (1968), Dr., ist Wissenschaftlerin an der Université Sorbonne Nouvelle in Paris. Dort ist die Germanistin verantwortlich für den deutsch-französischen Master-Studiengang »Transnationaler Journalismus«, der gemeinsam mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz angeboten wird. Zu Roberts Schwerpunkten in Forschung und Lehre gehören die Mediensysteme in Deutschland und Frankreich. Kontakt: valerie.robert@sorbonne-nouvelle.fr

Literatur

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Fussnote

1 Die Zahlen stammen aus Erhebungen des Instituts Médiamétrie (im Mai 2021 für das Fernsehen, im Januar-März 2021 für den Hörfunk).


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Zitationsvorschlag

Valérie Robert: Frankreichs eigener Murdoch. Geld, Medien und Wahlkampf. In: Journalistik, 2, 2021, 4. Jg., S. 163-172. DOI: 10.1453/2569-152X-22021-11511-de

ISSN

2569-152X

DOI

https://doi.org/10.1453/2569-152X-22021-11511-de

Erste Online-Veröffentlichung

August 2021