Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns über ein wachsendes, auch internationales Interesse an der Journalistik und ihrem bilingualen Konzept. Als wir vor sechs Jahren, initiiert von Horst Pöttker und unterstützt vom Herbert von Halem Verlag, die erste Ausgabe herausbrachten, leitete uns die Hoffnung, die neue Zeitschrift könnte das Angebot an wissenschaftlichen Journalen gut ergänzen und sogar für Journalistinnen und Journalisten aus der Berufspraxis interessant sein. Mittlerweile sind wir zuversichtlich, dass diese Hoffnung nicht völlig überzogen war – und können heute zudem eine Erweiterung des Kreises der Herausgeberinnen und Herausgeber verkünden: Mandy Tröger und Gunter Reus verstärken unser Team. Beide verkörpern den Anspruch unserer Zeitschrift, die Journalistik als Disziplin in ihrem Profil zu schärfen und zugleich eine Vielfalt an Themen, Perspektiven und Methoden zuzulassen – gern mit direkten Bezügen zur Berufspraxis.

Mandy Tröger ist Walter Benjamin-Stipendiatin der DFG an der Universität Tübingen und vielen bekannt durch ihre Forschung zur DDR-Pressetransformation sowie durch ihre journalistische Arbeit, u. a. als Kolumnistin der Berliner Zeitung. Mandy Tröger hat für die neue Journalistik gleich einen sehr aktuellen und brisanten Beitrag geliefert: ein Interview mit dem Erfurter Kollegen Kai Hafez, der in unserer Rubrik ›Debatte‹ die Berichterstattung deutscher Medien über den Krieg in Gaza kritisiert. Allein mit dem Blick durch die Antisemitismus-Brille lasse sich der Konflikt nicht erklären. Die Vielfalt palästinensischer Positionen sei leider kaum zu erkennen. In einem zweiten Debatten-Beitrag thematisiert William Lafi Youmans (Washington) die Versuche der israelischen Regierung, die (internationale) Presse zu kontrollieren und in ihrer Arbeit einzuschränken.

Wie Mandy Tröger bringt unser neuer Mitherausgeber Gunter Reus viel Erfahrung aus dem praktischen Journalismus mit. In der Wissenschaft – als Journalistik-Professor der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover – ist er u. a. durch Studien über das Feuilleton hervorgetreten. Zwanzig Jahre lang war Gunter Reus Redakteur der Zeitschrift Publizistik und kann diese Erfahrung nun bei uns einbringen. Profitieren wird unsere Zeitschrift auch von seiner Kenntnis der Pressegeschichte. In der neuen Ausgabe schlägt sich das bereits nieder: Wir widmen uns Karl Kraus, der vor 150 Jahren geboren wurde. Horst Pöttker liefert mit einem »Gespräch« – einer Interview-Montage auf der Grundlage von Kraus-Texten – einen nicht nur in der Form spannenden Text. Pöttker fordert den streitbaren Publizisten heraus und »konfrontiert« ihn mit dem Vorwurf der politischen Wankelmütigkeit und des Verbreitens antisemitischer Stereotype. Als Ergänzung erinnert Walter Hömberg in einem Nachdruck an das Leben des großen Satirikers, Journalisten und Schriftstellers.

Das neue Heft greift noch ein weiteres brisantes Thema auf: Plagiate im Journalismus. Klaus Meier macht sich in einem Essay Gedanken darüber, welche Standards für journalistische Texte gelten sollten. Er hat an einer Untersuchung für die Süddeutsche Zeitung (SZ) mitgearbeitet, die Vorwürfe gegen die stellvertretende SZ-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid aufklären sollte.

Versäumen Sie es nicht, auch die Aufsätze zu lesen, die unsere neue Ausgabe eröffnen: Thomas Birkner sucht nach einem Weg, die kommunikationswissenschaftlichen Konzepte »Medialisierung« und »Mediatisierung« in die Journalismusforschung zu integrieren. Christina Fleischanderl analysiert, wie durch Konstruktiven Journalismus die Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen verbessert werden kann.

Wir freuen uns über Ihre Reaktionen, auch über Themenideen und Manuskripte, die Sie uns schicken können an: redaktion@journalistik.online. Bitte beachten Sie auch unseren Call for Papers zum kommenden Schwerpunktthema »Wahlen«.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Tanjev Schultz