Stine Eckert, Ingrid Bachmann (Hrsg.) (2021): Reflections on Feminist Communication and Media Scholarship. Theory, Method, Impact

Rezensiert von Claudia Wilhelm

Der von Stine Eckert und Ingrid Bachmann herausgegebene Band versammelt zehn Essays von bedeutenden Vertreterinnen feministischer Kommunikations- und Medienforschung. Alle zehn Autorinnen wurden mit dem Teresa Award for the Advancement of Feminist Scholarship der Feminist Scholarship Division (FSD) der International Communication Association (ICA) ausgezeichnet. Der Teresa Award würdigt Arbeiten, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung, Reichweite und zum Einfluss feministischer Forschung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft leisten. Er soll genderbezogener Forschung in der Fachgesellschaft mehr Sichtbarkeit verleihen.

Anhand der Beiträge werden die Entwicklungslinien feministischer Forschung innerhalb der Medien- und Kommunikationswissenschaft nachgezeichnet. Gleichzeitig ist der Band unter dem Eindruck einer weltweiten Pandemie entstanden. Er ist in drei Teile gegliedert, die gerahmt werden von einleitenden und resümierenden Beiträgen der Herausgeberinnen. Der erste Teil (»Reflecting the Past«) behandelt fachpolitische, ethische und theoretische Errungenschaften feministischer Kommunikationsforschung. Dafna Lemish teilt darin ihre Erfahrungen als Herausgeberin des Journal of Children and Media. Lemish versteht ihre Tätigkeit als feministisches Projekt, weil das Journal als hochrangige internationale kommunikationswissenschaftliche Fachzeitschrift der Kinder- und Jugendmedienforschung mehr Sichtbarkeit verleiht – ein Forschungszweig, der häufiger von Frauen betrieben wird.

Anschaulich zeigt Meenakshi Gigi Durham im darauffolgenden Essay anhand ihrer an Schulen durchgeführten Feldstudien zu weiblichen Medienkulturen, wie Medien als Institutionen systemische Diskriminierung fördern. Der damit umrissene Begriff der (mediatisierten) Vulnerabilität berührt grundlegende ethische Prinzipien feministischer Forschungspraxis. Neben Vulnerabilität gilt Resilienz als weiteres, zentrales Konzept feministischer Forschung. Bezugnehmend auf die COVID-19-Pandemie und die Proteste im Rahmen der Black-Lives-Matter-Bewegung diskutiert Patrice M. Buzzanell die von ihr entwickelte feministische Kommunikationstheorie der Resilienz.

Der zweite Teil mit dem Titel »Taking Stock of the Present« bündelt aktuelle, intersektionale und postkoloniale Perspektiven feministischer Forschung. Der Essay von Lana F. Rakow markiert wesentliche aktuelle Problemstellungen: die Reflektion der eigenen Privilegiertheit verbunden mit der Kritik an der Komplizinnenschaft, die weiße Frauen an rassistischer Unterdrückung haben, sowie die Notwendigkeit, eine intersektionale Perspektive einzunehmen. Daran anschließend reflektiert und problematisiert Linda Steiner ihre Forschung zur Suffragettenbewegung. Die Sufragettem nahmen für sich in Anspruch, für alle Frauen zu sprechen. Tatsächlich aber bildete die Bewegung, wie Steiner rückblickend analysiert, vornehmlich die Interessen weißer Frauen der Mittelschicht ab, während sie die Belange von Women of Color ausblendete. Eine Fallstudie zu den Massenvergewaltigungen und Morden in der St. Kizito Schule in Kenia bildet den Ausgangspunkt des Beitrags von H. Leslie Steeves. In ihrem Essay geht es um die kollektive Erinnerung an dieses Ereignis sexualisierter Gewalt und um die Rolle, welche die Medienberichterstattung dabei spielte. Radha Sarma Hegde arbeitet in ihrem Beitrag die problematischen, sowohl westlich als auch männlich geprägten Kategorien und Standards des Fachs heraus, die die feministische Kritik adressieren und hinterfragen muss. Sie verknüpft dies mit aktuellen Themen wie Datengeschwindigkeit und Datafizierung.

Der dritte Teil richtet den Blick auf theoretische und methodische Perspektiven der feministischen Medien- und Kommunikationsforschung der Zukunft (»Writing the Future«). Karen Ross beschreibt sowohl Erfahrungen in ihrer Interviewforschung zur medialen Repräsentation von Politikerinnen als auch ihre eigene Hinwendung zu neuen Themenfeldern und Methoden. Dazu zählt die Frage, wie Politikerinnen soziale Medien nutzen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. In einer intersektionalen Analyse verdeutlicht Angharad N. Valdivia anhand von Beispielen für Reverse Racial Passing – weiße Personen, die sich als People of Color ausgeben – die Folgen von immer noch vorherrschenden rassistischen Stereotypen in medialen Darstellungen, die sich unter anderem in Phänomenen wie Blackfacing und Whitewashing niederschlagen. Hiervon sind insbesondere Women of Color betroffen.

Schließlich hinterfragt Radhika Parameswaran ihre eigene globale feministische Positionierung (Global Feminist Positionality). In ihrem Essay zeigt sie, welche Forschungslücken unter Bedingungen entstehen, die von Globalisierung und ungleichen Machtverhältnissen geprägt sind. Der letzte Beitrag des dritten Teils basiert auf einer Gesprächsrunde anlässlich der ICA-Konferenz 2020. Hier diskutieren die Preisträgerinnen die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Auswirkungen der Pandemie, insbesondere mit Blick auf feministische Themen und Forschungsdesiderata.

In den Essays schildern die Autorinnen ihre zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten feministischer Medien- und Kommunikationsforschung. Insofern trägt der Band zugleich zur Aufarbeitung der Fachgeschichte und der Verortung feministischer Forschung darin bei. Der kritische Blick der hier versammelten Beiträge gilt der Ausgewogenheit und Zugänglichkeit des Fachs für nicht-westliche, feministische und postkoloniale Perspektiven. Selbstkritisch machen die Autorinnen sich und den Leser:innen bewusst, dass auch ihre Forschung sich in einem westlich, weiß und männlich geprägten wissenschaftlichen Kontext bewegt.

Das Band richtet sich an Studierende und Wissenschaftlerinnen der feministischen Medien- und Kommunikationswissenschaft. Darüber hinaus liefern die Beiträge auch interessante und lehrreiche Einblicke in die wissenschaftlichen Findungsprozesse und Karrierewege von Frauen in der Wissenschaft sowie in ihre Aneignung eines kritischen feministischen Blicks, sowohl auf ihre Disziplin als auch auf ihr eigenes Forschen: Einblicke, die über die Grenzen des Fachs hinaus für Nachwuchswissenschaftlerinnen bereichernd sein können.

Über die Autorin

Dr. Claudia Wilhelm ist Assistenzprofessorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

Über das Buch

Stine Eckert, Ingrid Bachmann (Hrsg.) (2021): Reflections on Feminist Communication and Media Scholarship. Theory, Method, Impact. New York: Routledge, 204 Seiten, ca. 33,- Euro.