Editorial

Liebe Leser*innen,

das Schwerpunktthema dieser Doppelausgabe könnte aktueller nicht sein: Wahlen. Im Jahr 2024 war gut die Hälfte der Weltbevölkerung aufgerufen, an Wahlen teilzunehmen. In Europa führte die Europawahl im Sommer 2024 zu einer deutlichen Verschiebung nach rechts. Im Herbst brachten auch die Landtagswahlen in den deutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie die Nationalratswahl in Österreich ähnliche politische Verschiebungen. Jüngst bot die Präsidentschaftswahl in den USA wiederholt Anlass, um kritisch über politischen Populismus und Extremismus in Wahlen sowie deren Bedingungen und Folgen für (demokratische) Gesellschaften und den Journalismus zu diskutieren. Diesen Fragen widmen sich drei Beiträge dieser Doppelausgabe.

Mit Blick auf die Wahlen in Österreich geht Mitherausgeberin Martina Thiele zunächst ins Gespräch mit der österreichischen Journalistin Nina Horaczek. Die Chefreporterin des Wiener Falter spricht über die Rolle der Medien im Wahlkampf in Österreich und diskutiert die möglichen Folgen des Wahlergebnisses für die Medienfreiheit im Land. Unabhängiger Journalismus, so ein Fazit des Interviews, hat es nicht leicht in einem Land, das als europäischer Kleinstaat mit den Folgen eines hochkonzentrierten Medienmarkts zu kämpfen hat.

In Zusammenhang mit den jüngsten Wahlen in den USA und Deutschland schließt Mitherausgeber Tanjev Schultz hier an und fragt nach Sinn (und Unsinn) von TV-Duellen im Wahlkampf. Anhand von fünf Thesen erörtert er die Wirkungsmacht dieses Formats, seine Rolle für die politische Personalisierung und die Vermittlung von Wahrheit und Lüge. Der Beitrag unterstreicht die Wichtigkeit der kritischen Begleitung von TV-Duellen durch gut informierten Journalismus und wissenschaftliche Institutionen. Er regt damit auch zum Nachdenken über neue Formate und Strukturen für Wahlsendungen an.

Last but not least widmet sich der Jurist Jochen Zenthöfer dem Thema des Plagiats im Wahlkampf. Zenthöfer schlägt damit nicht nur den Bogen zur letzten Ausgabe unserer Zeitschrift, in der Klaus Meier das Plagiat im Journalismus diskutierte. Vielmehr erweitert Zenthöfer das Themenspektrum und fragt nach der Rolle von Plagiatsvorwürfen im Wahlkampf. Diese Vorwürfe, so der Autor, seien inzwischen zu einem Bestandteil politischer Auseinandersetzung geworden. Sein Beitrag bietet praktische Tipps für Journalist*innen, wie mit Verdachtsberichterstattung und dem politisch motiviertem Vorwurf des Plagiats umzugehen ist.

Im Anschluss untersuchen Sophie Wannenmacher und Timo Rieg aus unterschiedlichen Perspektiven die Qualität des deutschsprachigen Journalismus: Sophie Wannenmacher fragt, wie verständlich deutsche TV-Nachrichten sind; Timo Rieg diskutiert Qualitätsdefizite im Medizin- und Gesundheitsjournalismus am Beispiel deutschsprachiger Berichterstattung zu Covid-19 und der Corona-Pandemie. Beide Beiträge sind lesenswert und spannend. Sophie Wannenmacher zeigt, dass die Nachrichtensendung tagesschau im Durchschnitt und innerhalb des von ihr beobachteten Zeitraums am wenigsten verständlich ist. Timo Rieg diskutiert hingegen die praktische Bedeutung verschiedener journalistischer Qualitätskriterien, wie beispielsweise Richtigkeit, Genauigkeit oder formale Vollständigkeit. Er kommt zum Ergebnis, dass die von ihm identifizierten Probleme in der Berichterstattung ohne nennenswerten Mehraufwand behoben werden könnten. Beide Autor*innen geben uns also Impulse für die Selbst- und Fremdreflexion journalistischer Praxis und Tipps für eine bessere journalistische Kommunikation.

Verpassen Sie auch nicht unsere Hinweise auf lesenswerte Bücher von Journalist*innen in der Rubrik Buchjournalismus oder unsere Rezensionen aktueller Werke, wie Peter Pistorius’ Buch Rudolf Breitscheid 1874–1944. Kampf um Wahrheit und Macht (2024), den Band Game-Journalismus. Grundlagen – Themen – Spannungsfelder (2024), herausgegeben von Benjamin Bigl und Sebastian Stoppe, und Das Moderationshandbuch. Alles, was Radio-Profis wissen (2022), von der Moderatorin und Radioexpertin Yvonne Malak.

Wie immer freuen wir uns über Reaktionen zu unseren Beiträgen, über Themenideen und Manuskripte. Bitte schicken Sie diese an: redaktion@journalistik.online.

Eine gewinnbringende Lektüre trotz dieser politisch herausfordernden Zeit wünscht Ihnen

Mandy Tröger