»… einen Kampfruf gewagt« Karl Kraus (1874 – 1936) im Gespräch

Von Horst Pöttker | Karl Kraus (geboren 28.4.1874 in Jičín, damals Böhmen in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, heute Tschechien; gestorben am 12. Juni 1936 in Wien) entstammte einer Familie des wohlhabenden Mittelstands, mit der er 1877 in die Hauptstadt Wien zog. Nach abgebrochenem Jura- und Philosophie-Studium und Berufsanfängen als Journalist bei Zeitschriften und Tageszeitungen gab er von 1899 bis zu seinem Tod die kulturpolitische Zeitschrift Die Fackel heraus, die längste Zeit als deren einziger Autor. 1922 erschien die Buchausgabe seines pazifistischen Dramas Die letzten Tage der Menschheit, das wegen seiner Länge nur in teilweise vom Autor selbst bearbeiteten Fassungen aufgeführt wird. Als Publizist, Satiriker, Lyriker und Dramatiker übte Karl Kraus scharfe Kritik an der von ihm sogenannten ›Journaille‹ und ihrer Sprache. Hier äußert er sich auch über andere Probleme, u. a. den fraglichen Nutzen von intellektuellem Engagement, den Vorwurf des Antisemitismus oder die Ablehnung des Kriegs.

Der Gaza-Krieg, die deutschen Medien und die »falsche Seite der Geschichte«?

Mandy Tröger im Gespräch mit Kai Hafez | Die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) veröffentlichte vor kurzem einen »Aufruf zum diskriminierungsfreien Diskurs«. Anlass waren die Reaktionen auf ein Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten, die das Recht Studierender auf Protest gegen den Krieg in Gaza verteidigten. Die DGPuK verurteilt Anfeindungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Diffamierungen oder Bedrohungen – sowohl von außen als auch innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft (vgl. DGPuK 2024).
Dieses Positionspapier zeigt, dass der Bedarf an Wissenschaftsexpertise und -diskurs zum Krieg in Gaza, zur Berichterstattung über diesen Krieg und den Nahost-Konflikt groß ist. Kai Hafez, seit 2003 Professor für Vergleichende Analyse von Mediensystemen und Kommunikationskulturen an der Universität Erfurt, gilt als ausgewiesener Experte zu Fragen medialer Darstellungen des Nahen Ostens in den deutschen Medien. Er äußert sich kritisch zur aktuellen Kriegsberichterstattung, beispielsweise im Deutschlandfunk (Fröhndrich 2024), der Leipziger Zeitung (Allisat 2024) und dem SZ-Medienpodcast quoted (Minkmar/Zaboura 2023).
Im Interview mit der Journalistik fragte Hafez, welche Funktion Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben, »wenn nicht die, einen eigenen Gedanken zu entwickeln, der dann auch kontrovers verhandelt werden kann«. Diesem Anliegen folgend, sprachen wir mit ihm über die deutsche Berichterstattung zum Gaza-Krieg, über die Rolle der Wissenschaft und mögliche Hemmungen, sich zum Konflikt und zur Berichterstattung zu äußern, sowie über alternative Ansätze für die Kriegsberichterstattung (vgl. auch Richter 2023; Rottmann 2024).