Fixer im Krieg Die unsichtbaren ortsansässigen Journalist:innen ausländischer Medien

Von Maryna Grytsai

Abstract: Sie werden selten als Mitglied journalistischer Teams erwähnt, aber ihr Beitrag zur Auslands- und speziell zur Kriegsberichterstattung ist enorm – auch jetzt in der Ukraine. Die sogenannten Fixer:innen sind Ratgeber und »Führer« (guides) der Auslandskorrespondent:innen; sie helfen diesen, sich in einem fremden Land, einer anderen Sprache und Kultur zurechtzufinden. Zugleich sind sie oft am wenigsten geschützt. Zu den jüngsten Fällen, die das zeigen, gehört der Tod des ukrainischen Journalisten-Fixers Bohdan Bitik, der in Cherson mit einem Korrespondenten der italienischen Zeitung La Repubblica zusammenarbeitete. Nicht nur dieser Fall wirft Fragen auf: Unter welchen Bedingungen arbeiten Fixer, wie ist ihre Arbeit geregelt? Was gehört zu ihren Aufgaben und (wie) werden ihre Rechte geschützt? Der Beitrag sucht Antworten darauf und präsentiert Einschätzungen von Journalist:innen und Medienexpert:innen.

1. Arbeit auf eigene Gefahr

Mit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 nahm die Aufmerksamkeit ausländischer Medien für die Berichterstattung aus der Ukraine stark zu. Journalist:innen aus aller Welt berichteten nicht nur über die Kriegsereignisse, sie entdeckten die Ukraine als Land und Kulturraum. Nicht zuletzt aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und unzureichender Zugänge zu den Institutionen und Menschen des Landes sind viele Redaktionen bei ihrer Arbeit in der Ukraine auf sogenannte Fixer (news fixers) angewiesen. Das sind orts- und sprachkundige, in der Regel einheimische Kräfte, die mit den Auslandskorrespondent:innen zusammenarbeiten (vgl. Palmer 2019). Manchmal werden diese Kräfte auch »Stringer« genannt. In ihrer internationalen Berichterstattung verlassen sich viele Medien sehr stark auf die Arbeit journalistischer Fixer – vor allem in Regionen, in denen es keine eigenen Korrespondentenbüros gibt. Fixer übernehmen häufig originär journalistische Aufgaben. Sie helfen nicht nur beim Dolmetschen, sondern konzipieren die Berichterstattung, organisieren Termine und Kontakte, recherchieren Fakten und Hintergründe von Ereignissen, führen Interviews oder werten Dokumente aus. Ohne ihre Fixer:innen wären Auslandskorrespondent:innen oft buchstäblich verloren. So ist es auch in der Ukraine. Seit der russischen Invasion ist der Bedarf stark gestiegen. Die westlichen Medien greifen deshalb nicht nur auf Fixer:innen zurück, die schon früher für sie gearbeitet haben; viele weitere Personen wurden im Laufe der vergangenen Monate engagiert.

Die ukrainische Schauspielerin Rita Burkovska ist eine von ihnen. Seit dem vergangenen Jahr ist sie als Fixerin tätig und sagt, sie habe schon mit verschiedenen ausländischen Journalisten zusammengearbeitet. »Ich hatte das Gefühl, dass die Ukraine für sie sehr wichtig geworden ist. Sie wollen mehr über den Hintergrund des Konflikts herausfinden. Sie wollen verstehen, wer wir sind.« Auch für sie selbst war die Motivation sehr stark, der Welt vom Krieg in der Ukraine zu erzählen: »Ich will in der Ukraine, im Mittelpunkt des Geschehens, bleiben und hier etwas Nützliches tun.«

In dem Kriegsdrama Butterfly Vision (2022) des ukrainischen Regisseurs Maksym Nakonechnyi spielt die Schauspielerin eine Luftaufklärungsspezialistin, die aus der russischen Gefangenschaft im Donbass zurückkommt. »Der Film handelt von sexueller Gewalt, von Folter und Gefangenschaft«, sagt sie. »Wir haben uns schon während der Recherche mit diesen Themen auseinandergesetzt, mit den Betroffenen und ihren Familien getroffen. Das passiert in dem Krieg schon seit neun Jahren. Als mich dann eine Bekannte nach dem russischen Angriff gefragt hat, ob ich als Fixerin den Journalisten helfen kann, habe ich sofort zugestimmt.« So fuhr Rita Burkovska mit dem BBC-Reporter Joel Gunter in den befreiten Ort Butscha. Sie begleiteten dort Ermittler und Angehörige, die die russischen Kriegsverbrechen und die Massengräber dokumentierten. »Ich kann nicht sagen, dass ich oder die anderen keine Angst hatten. Aber wer wird es sonst machen?«

Fast jede:r, die oder der zumindest Grundkenntnisse einer Fremdsprache hat, um sich mit den Auslandskorrespondent:innen verständigen zu können, sei schon als Fixer angefragt worden, sagt Oksana Romaniuk, die Direktorin des ukrainischen Institute of Mass Information (IMI), eines von der Regierung unabhängigen Instituts, das die Medien und die Zivilgesellschaft in der Ukraine stärken will. Im Laufe der Zeit flaute allerdings das Interesse an den Nachrichten über den Krieg allmählich ab, und vielen Fixer:innen sind mittlerweile auch die Risiken ihrer Arbeit bewusst geworden. Denn in der Regel arbeiten sie auf eigene Gefahr. Wenn es ernst wird, können sie sich nicht unbedingt auf die Unterstützung der Medienunternehmen verlassen – eine Erfahrung, die Fixer:innen schon in anderen Krisen- und Kriegsregionen machen mussten (vgl. Palmer 2019: 142-168). Das alles hat dazu beigetragen, dass die Zahl der kurzfristig angeheuerten Fixer:innen in der Ukraine wieder zurückgegangen ist, wie das IMI beobachtet. Heute würden sich die internationalen Redaktionen in der Regel durch professionelle einheimische Journalist:innen oder Produzent:innen unterstützen lassen. Doch auch diese haben teilweise nur den prekären Status eines Fixers. Oksana Romaniuk sagt: »Das Leben und die Gesundheit sind ständig gefährdet. Es ist schon passiert, dass Fixer entführt und gefoltert wurden, während ausländische Medien sie einfach zurückgelassen haben.«

Eines der größten Probleme wird darin gesehen, dass die Arbeit von Fixer:innen nicht allgemein und verbindlich geregelt ist. Es ist oft eine sehr individuelle Angelegenheit. Die Tätigkeit ausländischer Medien liegt außerhalb der Zuständigkeit der ukrainischen Gesetzgebung. Die Zusammenarbeit zwischen einem Fixer oder einer Fixerin und den ausländischen Medien wird durch individuelle Vereinbarungen gestaltet – und darin werden meistens keine Entschädigungen im Falle von Verletzung oder Tod festgehalten.

Ohne schriftliche Verträge und Vereinbarungen sei es sehr schwer, in Not geratene Fixer:innen zu unterstützen. Manchmal helfe es nur, Öffentlichkeit herzustellen, berichtet Oksana Romaniuk. Ein Beispiel dafür ist der Fall des ukrainischen Journalisten und Fixers Bohdan Bitik, der im April 2023 in der Nähe von Cherson getötet wurde. Er hatte für die italienische Zeitung La Repubblica gearbeitet. Sein Tod wurde zunächst gar nicht erwähnt, stattdessen nur das Schicksal des italienischen Korrespondenten, der verwundet worden war. Erst unter dem Druck der ukrainischen Mediengemeinschaft, die den Fall skandalisierte, erkannte das italienische Unternehmen das Schicksal des ukrainischen Journalisten an und zahlte seiner Familie eine Entschädigung.

Zahlungen im Falle einer Verletzung oder eines Todesfalls eines Journalisten sind in der Ukraine zwar sogar gesetzlich vorgeschrieben (in vielen anderen Staaten, Kriegs- und Krisenregionen ist das nicht der Fall) – man muss aber den Status eines Medienschaffenden nachweisen. So wird den Fixer:innen empfohlen, ihre Arbeitsbeziehungen mit dem jeweiligen Auslandsmedium zu formalisieren und zu legalisieren. Außerdem ist eine Akkreditierung beim Militär wichtig. Nach einer Akkreditierung könne ein:e Fixer:in mit der Unterstützung des ukrainischen Staates rechnen, so Romaniuk. Zu den Unterlagen, die dafür benötigt werden, gehört eine Bestätigung der jeweiligen Redaktion bzw. des Medienunternehmens, dass der/die Fixer:in dem journalistischen Team angehört. Das sei ein zusätzliches Instrument, das den/die Fixer:in schützen könne. Was eine Versicherung betrifft, sei die Situation komplizierter: »Ausländische Journalisten sind versichert, aber ukrainische Fixer müssen sich leider um ihre eigene Sicherheit kümmern. Ich kenne nur sehr wenige, die über eine Versicherung durch das Auslandsmedium verfügen. Meistens handelt es sich um ein Arbeiten auf eigene Gefahr.«

Auch die Schauspielerin und Fixerin Rita Burkovska hat das so erlebt. Ihrer Erfahrung nach sind Versicherungen und Verträge die Ausnahme (von der BBC sowie von einem Dokumentarfilmemacher eines spanischen Senders wurden sie ihr beispielsweise angeboten). Oftmals werde darüber gar nicht gesprochen. Das Problem betreffe jedoch nicht nur die Fixer:innen, die ausländischen Redaktionen übernähmen oft auch keine Verantwortung für freie Journalist:innen – und die Fahrer der Teams seien noch weniger abgesichert. Den Fahrern werde zum Teil nicht einmal eine Sicherheitsausrüstung gestellt. Sie selbst oder die Fixer müssten sich darum kümmern. Die Situation ist jedoch nicht hoffnungslos. Im Mai 2022 haben sechs öffentliche Organisationen den International Insurance Fund for Journalists gegründet (https://war-correspondent.info/en). Die Stiftung bietet Versicherungen für Fixer*innen, Journalist*innen, Filmemacher*innen, Redakteur*innen und Fotograf*innen unabhängiger ukrainischer Medien; es wurden bereits 100 Medienschaffende versichert, die in gefährlichen Gebieten tätig sind (Stand 31.Oktober).

2. Risiken für Fixer – und für den Journalismus

Die Gefahr physischer Verletzungen ist das größte, aber nicht das einzige Risiko bei der Arbeit von Fixern. Abit Hoxha von der Adger University in Norwegen untersucht, wie die Konfliktberichterstattung in den internationalen Medien zustande kommt; er unterscheidet verschiedene Risiken: physische, finanzielle, psychologische und digitale.

Fixer:innen verdienen zwar in der Regel vergleichsweise gut, gemessen am Verdienst der Bevölkerung des jeweiligen Landes. Es ist aber kein auf die Dauer sicheres, nachhaltiges Einkommen, mit dem sie für ihr Leben und ihre Familien planen könnten. Sie haben wenig soziale Sicherheit und müssen Risiken in Kauf nehmen, deren Folgen auch nach ihrer Beschäftigung noch zu spüren sein können, beispielsweise eine Traumatisierung. »Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Menschen oft den Tod ihrer Mitbürger sehen. Es kann langfristige Auswirkungen auf sie haben, denn ihnen fehlt eine entsprechende psychologische Vorbereitung (Training)«, sagt Abit Hoxha. Das bestätigt auch Rita Burkovska. Es sei für sie am schwierigsten, wenn Menschen im Krieg sterben, die sie gut kannte. Wenn sie sich mit schweren Themen beschäftige, spüre sie die Folgen oft erst nach dem Einsatz. »Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, wie man in einer Welt leben kann, in der so eine unglaubliche Grausamkeit möglich ist, wie sie Russland gegenüber der Ukraine verübt«, sagt Bukovska. »Wie kann man dabei das innere Licht, das Vertrauen in die Menschen und in die Zukunft nicht verlieren?« Ihr helfe es zu meditieren. Unterstützung finde sie auch in der recht großen Gemeinschaft der Fixer:innen, die ähnliche Erfahrungen machten. Durch ihren Beruf als Schauspielerin und ihre frühere Beschäftigung mit Kriegsthemen gelinge es ihr, eine gewisse Distanz zu halten. »Wie schwierig es auch sein mag, es passiert nicht mit mir, sondern mit anderen Menschen, denen es viel schlimmer geht als mir. Umso wichtiger ist es aber, über ihre Schicksale zu berichten«, sagt Rita Burkovska. Sie besucht auch spezielle Trainings, beispielsweise zum Umgang mit Opfern von Gewalt und deren Angehörigen, zur ethisch verantwortungsvollen Berichterstattung oder zu Methoden, einer eigenen emotionalen Erschöpfung vorzubeugen.

Offenbar kann eine solche professionelle Vor- und Nachbereitung den Fixer:innen helfen, einige Risiken zu vermeiden oder wenigstens zu mindern. Unerfahrenheit hingegen kann sehr gefährlich sein, sowohl für die Fixer:innen selbst als auch für andere.

Was die digitale Sicherheit angeht, hätten Fixer:innen – vor allem diejenigen, die noch über keine journalistische Erfahrung verfügen – weniger Kenntnisse als geübte Journalist:innen, sagt Hoxha. Sie wüssten manchmal nicht, wie sie ihre Privatsphäre schützen könnten. Im Krieg kommt es auch darauf an, mit den Gefahren digitaler Desinformation und persönlicher Diskreditierung im Netz umgehen zu können. Anders als Auslandskorrespondent:innen sind die einheimischen Fixer:innen eingebunden in das lokale soziale Leben, sie haben Freund:innen und Familien in der Region, sind Mitglied in Vereinen, haben vielleicht einen weiteren Beruf – und sind damit in vieler Hinsicht angreifbar und vulnerabel.

Fixer:innen begeben nicht nur sich selbst in Gefahr, sie können auch andere Menschen in eine schwierige oder bedrohliche Lage bringen. Unzureichende journalistische Erfahrung und unzureichendes Training können hier ebenfalls zum Problem werden, nicht zuletzt für die Anwendung und Einhaltung professioneller und ethischer Standards in der Berichterstattung. Als im vergangenen Jahr eine russische Rakete in der ukrainischen Stadt Winnyzja ein vierjähriges Kind tötete, wollten die Ärzte die schwer verletzte Mutter des Kindes zunächst nicht über den Tod informieren, um ihren Zustand nicht zu gefährden. Das Team eines italienischen Senders und der ukrainische Fixer kamen aber ins Krankenhaus, haben der Frau von dem Tod des Kindes erzählt und die Reaktion der Mutter gefilmt, was später einen Skandal auslöste. »Der Fixer war kein professioneller Journalist und hatte keine Ahnung von ethischen Berufsstandards. Fixer ohne Vorerfahrung wissen möglicherweise nicht genug über die Besonderheiten der journalistischen Arbeit im Krieg«, sagt Oksana Romaniuk.

Unter Kriegsbedingungen gibt es in der Ukraine gesetzliche und exekutive Einschränkungen in der Arbeit der Journalist:innen (z. B. den Erlass N 73, der die Beziehungen zwischen den Medien und der ukrainischen Armee regelt). Manchmal sind Fixer und Filmteams trotzdem in verbotene Zonen gelangt: »Der Fixer wollte ausländische Journalisten beeindrucken, aber aufgrund von Verstößen verloren sie ihre Akkreditierung«, berichtet Romaniuk. Ihrer Meinung nach kann Unerfahrenheit für Zwecke genutzt werden, die mit gutem Journalismus wenig zu tun haben: »Es passierte schon, dass Fixer angefangen haben, mit den Leuten zusammenzuarbeiten, die russische Propagandisten waren, was man erst später herausgefunden hat. Wenn ein professioneller Journalist als Fixer arbeitet, analysiert er, wer sein Kunde ist, und kann schnell herausfinden, ob er es wirklich mit Journalisten zu tun hat.«

3. Nur »technische« Mitarbeit?

Wie lässt sich das Sicherheitsproblem lösen? Unsere Gesprächspartner:innen haben darauf keine eindeutige Antwort. Selbst den Begriff »Fixer« und was zu diesem Beruf dazugehört, interpretieren sie unterschiedlich, die Merkmale und Grenzen der Tätigkeit sind nicht klar umrissen. Einigkeit besteht darin, dass sich die Einstellungen zu diesem Beruf und die Arbeitsbedingungen der Fixer:innen ändern sollten.

Abit Hoxha sieht nichts Negatives im Begriff »Fixer«, ist aber davon überzeugt, dass diejenigen, die als Fixer arbeiten, es verdient haben, anders betrachtet und in der Wahrnehmung und im Ansehen aufgewertet zu werden. Das seien Menschen mit Erfahrungen und Fähigkeiten, die etablierte Journalist:innen nicht hätten, die aber von diesen dringend gebraucht würden. Er empfiehlt, die Rolle der Fixer breiter zu fassen. Schließlich seien es nicht nur diejenigen, die bei der Konfliktberichterstattung die Journalist:innen unterstützen. Es könne sich auch um Spezialist:innen handeln, die zum Beispiel große Datenmengen analysieren und damit wichtige journalistische Recherchen überhaupt erst ermöglichen. Deshalb sei es wichtig, die Rolle der Fixer:innen im Journalismus stärker anzuerkennen – eine Hilfsrolle, die aber nicht weniger wichtig sei.

Oksana Romaniuk ist anderer Meinung. Im Kontext des Krieges in der Ukraine hätten die Fixer keine Zeit zu warten. Es würde Jahre dauern, bis sich die Einstellungen und der Blick auf den Beruf ändern würden, glaubt die Medienexpertin. Ihrer Meinung nach ist es notwendig, das Konzept des Fixers ganz aufzugeben: »Ein Fixer im Verständnis der westlichen Mediengemeinschaft ist ein technischer Mitarbeiter, der kein Mitglied des Medienteams ist. Daher ist es nicht nötig, ihn öffentlich zu erwähnen oder eine Entschädigung für ihn zu zahlen. Es ist ›nur‹ eine Person, die ein Paar Nummern angerufen hat, nicht mehr. Um diese Einstellung zu ändern, müssen wir das Konzept ändern, wir müssen diese Menschen nicht als Fixer, sondern als Produzenten bezeichnen. Denn der Produzent ist ein Mitglied des Journalistenteams, das die gleichen Rechte hat und Respekt verdient.«

Als Ausdruck dieses Respekts erwarten Fixer-Produzenten, dass ihre Namen im fertigen Material bzw. den Veröffentlichungen erwähnt werden (vgl. Palmer 2019: 185-190). Bei diesem Thema hängt bisher vieles von dem jeweiligen Medium oder den zuständigen Journalist:innen ab. »Manchmal kommt ein erfahrener Journalist, der in Afghanistan gearbeitet hat, und benimmt sich so, als wüsste er alles, weil er im Krieg war. Aber der Krieg hier ist völlig anders«, sagt Rita Burkovska. Manchmal werde die Weigerung, die Namen der Fixer:in zu nennen, auch damit begründet, dass dies zu gefährlich sei – auch wenn das nicht unbedingt zutreffe. Burkovska hat aber auch positive Erfahrungen gemacht. Es gebe viele Journalist:innen, denen ein anständiger Umgang mit den ukrainischen Kolleg:innen wichtig sei. Am liebsten arbeite sie, wenn sich ihr die Möglichkeit biete, einerseits von erfahrenen ausländischen Journalist:innen zu lernen und andererseits auch eigene Ideen einbringen zu können, nach ungewöhnlichen Charakteren zu recherchieren, ein Thema zu entwickeln oder redaktionelle Aufgaben zu übernehmen, wie Interviews mit Soldaten in einer psychiatrischen Klinik zu führen (für einen Artikel der New York Times über posttraumatische Belastungsstörungen). Zum Glück gebe es Journalist:innen, die den Ideenaustausch schätzten und eine professionelle Zusammenarbeit suchten.

Das Bestreben, als »Produzent:innen« anerkannt zu werden, ist unter ukrainischen Medienschaffenden weit verbreitet. Viele Fixer:innen übernehmen heute Aufgaben, die über ihre klassischen Pflichten hinausgehen. Oksana Romaniuk zählt auf: »Sie organisieren Reisen, sind für den Kontext verantwortlich. Sie holen Genehmigungen ein, helfen bei der Kommunikation, suchen Protagonisten. Sie sind für einen Großteil der journalistischen Arbeit verantwortlich.« Ihrer Meinung nach suchen ausländische Kolleg:innen deshalb immer häufiger keine unerfahrenen Fixer:innen mehr, sondern routinierte Journalist:innen und Produzent:innen, wenn sie in die Ukraine kommen.

Mit einem professionellen ukrainischen Team arbeitet beispielsweise der Korrespondent des ZDF Dara Hassanzadeh zusammen. Er lehnt den Begriff »Fixer« ab. »Wer ist ein Fixer? Jeder, der im Journalismus arbeitet, ist ein Journalist, auch wenn er nicht an einer Universität studiert oder für die New York Times geschrieben hat«, sagt der Korrespondent. Für ihn seien die fachlichen und persönlichen Eigenschaften der Teammitglieder am wichtigsten. Ein ukrainischer Hintergrund sei von großem Vorteil in der Arbeit. Es sei wichtig, dass sowohl der Kameramann, die Cutterin als auch die Journalistin, die das Team begleitet und quasi die Rolle des Fixers übernimmt, die Sprache, die sozialen Gepflogenheiten und den Kontext verstehen könnten. Dies ermögliche nicht nur bessere Aufnahmen und einen atmosphärischen Schnitt, sondern trage dazu bei, Vertrauen in schwierigen Situationen zu schaffen, die in Kriegszeiten keine Seltenheit sind.

Journalist:innen-Fixer:innen werden zu Co-Autor:innen, wenn sie nicht nur die Arbeit ausländischer Journalist:innen organisieren, sondern einen Teil der im Kern redaktionellen Arbeit übernehmen. Manchmal erhalten sie dann sogar die ihnen gebührende Anerkennung. So listete zum Beispiel die New York Times, die für ihre Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine einen Pulitzer-Preis gewann, alle beteiligten Journalist:innen und Fixer:innen als Mitglieder des Teams auf. Darauf machte einer der Fixer, der ukrainische Journalist Stas Kozlyuk, mit diesen Worten aufmerksam: »Ukrainische Journalisten sind oft in dieser Geschichte echte Kollegen von ausländischen Journalisten. Und es ist cool, dass einige unserer ausländischen Kollegen uns so wahrnehmen.« Die Redaktion habe jeden aufgelistet, der etwas zu einem Artikel beigetragen habe, auch wenn es rund 20 Menschen gewesen seien, wie im Beitrag »Putins War«.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht für Oksana Romaniuk die Arbeit sogenannter Fallschirm-Journalist:innen, die mal eben ins Kriegsgebiet einfliegen, mit dem Kontext des Landes kaum vertraut sind oder überhaupt nur nach Sensationen suchen und sich nicht allzu sehr um die Professionalität ihrer Fixer:innen kümmern. Allerdings gibt es mittlerweile viel weniger ausländische Journalist:innen in der Ukraine als noch zu Beginn der Invasion. Der Krieg ist zu einem traurigen Alltag geworden, Kriegsmüdigkeit macht sich in den internationalen Medien breit. Deshalb halten Fixer:innen trotz aller Risiken ihre Arbeit erst recht für notwendig. Rita Burkovska sagt: »Wir tragen maßgeblich zur Berichterstattung in den Auslandsmedien bei. Durch unsere Hilfe verschwindet der Krieg nicht von der öffentlichen Agenda.« Für die Zukunft hofft Rita Burkovska darauf, wieder ihrem Beruf als Schauspielerin nachzugehen. Inzwischen wurde Rita Burkovska für ihre Rolle im Film Butterfly Vision als beste europäische Schauspielerin bei den Septimius Awards ausgezeichnet. Doch solange der Krieg andauert, will sie weiter als journalistische Produzentin arbeiten.

Über die Autorin

Maryna Grytsai, M.A., arbeitete als Korrespondentin beim Radio Ukraine International sowie als freiberufliche Journalistin und Filmemacherin. Sie studierte »International Media Studies« an der DW Akademie und der Universität Bonn, jetzt ist sie Dozentin am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie interessiert sich für Dokumentarfilme, Auslands- und Konfliktberichterstattung. Kontakt: mgrytsai@uni-mainz.de

Literatur

Palmer, Lindsay (2019): The Fixers: Local News Workers’ Perspectives on International Reporting. New York: Oxford University Press.


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Zitationsvorschlag

Maryna Grytsai: Fixer im Krieg. Die unsichtbaren ortsansässigen Journalist:innen ausländischer Medien. In: Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung, 3_4, 2023, 6. Jg., S. 360-368. DOI: 10.1453/2569-152X-3_42023-13614-de

ISSN

2569-152X

DOI

https://doi.org/10.1453/2569-152X-3_42023-13614-de

Erste Online-Veröffentlichung

Dezember 2023