Beatrice Dernbach, Beate Illg (Hrsg.)(2020): Journalism and Journalism Education in Developing Countries

Rezensiert von Guido Keel

Der Journalismus spielt eine Schlüsselrolle in der politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung von Ländern. Dabei sieht er sich gleich mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Erstens muss er seine Rolle in der gesellschaftlichen Transformation finden. Er muss abwägen, inwiefern er als regierungstreuer Akteur zur Stärkung politischer und ökonomischer Strukturen beitragen oder aber als kritischer Beobachter die Veränderungen hinterfragen soll. Zweitens muss er – zumindest teilweise – die nötigen (Infra-)Strukturen erst aufbauen oder diese mit Blick auf ein neues Selbstverständnis reformieren. Dazu gehört auch die Ausbildung des journalistischen Personals.

Wie es um den Journalismus und die journalistische Ausbildung in ausgewählten Entwicklungsländern steht, beschreibt der Sammelband von Beatrice Dernbach und Beate Illg. Er umfasst fünf allgemeine und 13 länderspezifische Beiträge von Schreibenden aus Wissenschaft und Entwicklungspraxis. So vielfältig die Herkunft der Beiträge ist, so unterschiedlich ist auch deren Art. Dies trifft besonders auf die fünf einleitenden Beiträge zu.

Gleich zu Beginn beschreibt Christoph Schmidt den Stand der Journalismus-Ausbildung in Entwicklungsländern. Dabei kommt er zunächst zu der Erkenntnis, dass diese vornehmlich im universitären Umfeld stattfindet. Damit verbunden ist das Problem, dass die Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten oft Gefahr läuft, zu theoretisch angelegt zu sein. Als Fazit identifiziert er drei Verbesserungsansätze, die direkt oder indirekt damit zusammenhängen und die sich in den folgenden länderspezifischen Beiträgen wiederfinden lassen: Dozierende bzw. Trainer müssen für ihre Aufgaben gezielt geschult werden, die Balance zwischen Theorie und Praxis ist stets zu beachten und technische Infrastrukturen müssen mit den Entwicklungen in der Medienwelt Schritt halten, um angehende Medienschaffende angemessen auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten zu können.

Im zweiten Einleitungs-Beitrag gehen Barbara Thomass und Inge Drefs auf die Rolle von NGOs in der Journalismusausbildung ein. Werner Eggert, ein erfahrener Journalismustrainer, beschreibt anschließend die Möglichkeiten und Grenzen von Blended Learning und E-Learning, während Helmut Osang im darauffolgenden Beitrag als ehemaliger Leiter der Media-Development-Abteilung der Deutschen Welle von seinen persönlichen Erfahrungen in der Journalismusausbildung berichtet. Den Abschluss dieser allgemeinen Beiträge bildet der Bericht von Christoph Spurk und Michael Schanne über ein Projekt, in dem sie den Erfolg eines Ausbildungsprogramms mit wissenschaftlichen Methoden zu messen versuchen.

So unterschiedlich diese fünf Beiträge sind, gemeinsam ist ihnen, dass viele Fragen in den Ohren von Journalismus-Ausbilderinnen und -Ausbildern sehr vertraut klingen mögen: Wer soll ausbilden? Wie sehen die Kompetenzmodelle aus? Wie schafft man die Balance zwischen Theorie und Praxis? Welche didaktischen Formen eignen sich? Und wie überprüft man den Erfolg?

Die darauffolgenden Beiträge zeigen dann, wie diese Fragen in verschiedenen Kontexten konkret angegangen und gelöst wurden, und welche landesspezifischen Herausforderungen sich jeweils stellen. Der geografische Fokus liegt dabei auf Ländern in Zentral- und Süd(ost)asien, ergänzt durch je einen Beitrag aus der arabischen Welt und Lateinamerika sowie zwei Beiträgen aus Afrika. Die Artikel zeigen: Bei allen Unterschieden in den verschiedenen Ländern gibt es doch Gemeinsamkeiten.

Der Journalismus-Beruf und die entsprechende Ausbildung sind trotz aller Schwierigkeiten bei jungen Menschen beliebt. Weiter stellt sich in allen Ländern die Frage, wie das Verhältnis von Theorie und Praxis passend gestaltet werden kann. Damit zusammen hängt die Problematik der Ausbildenden: Oft sind sie zu alt oder zu akademisch, weshalb ihnen das Wissen über die aktuellen Entwicklungen in der Medienwelt fehlt. Oder sie sind nicht vertraut mit den lokalen Realitäten, sei es sprachlich oder kulturell, weil sie entweder aus Zentren des Landes oder gleich ganz aus dem Ausland kommen oder zumindest dort wissenschaftlich sozialisiert wurden. Oder aber sie stammen aus der Praxis und verfügen weder formal noch inhaltlich über die wissenschaftliche Qualifikation, um die Studierenden reflektiert und nachhaltig auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten. Eine weitere Problematik in den jeweils sehr unterschiedlichen Ländern ist die Abgrenzung zu Kommunikationsberufen und der PR. Einerseits sind viele Journalismusprogramme aus den staatlichen Kommunikations- um nicht zu sagen Propaganda-Abteilungen bzw. -Schulen hervorgegangen, andererseits bietet der Kommunikationssektor gerade in Entwicklungsländern zahlreiche und attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten für angehende Journalistinnen und Journalisten, in starker Konkurrenz zu journalistischen Arbeitsangeboten.

Schließlich ist vielen Ausbildungsprogrammen auch gemein, dass ihnen die nötigen infrastrukturellen Mittel fehlen, um Studierende auf ihre berufliche Zukunft in einer sich rasch wandelnden Medienwelt vorzubereiten. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern Ausbildungsstätten für zukünftige Medienschaffende die neuen Technologien überhaupt in den Fokus stellen sollen, oder ob es bei der Ausbildung nicht viel mehr um die Entwicklung eines journalistischen Grundverständnisses und einer Haltung geht – oder wie es Wilson Ugangu für Kenya fordert: »…it is important that journalism training is guided more by a resilient frame of thinking rather than the transient nature of the technologies« (S. 213) – auch das ein Thema, das Journalismusausbildnerinnen und -ausbildner in der westlichen Welt stets begleitet.

Mit diesem Blick in die Ferne eröffnen sich dem Leser und der Leserin bei der Lektüre dieses Sammelbandes einerseits spannende Einblicke in andere Mediensysteme, andererseits zeigt gerade auch das Thema Technologie versus Haltung, wie die Beiträge und Überlegungen aus aller Welt den Blick für die Verhältnisse im eigenen Land schärfen können. Man betrachtet die Anderen und erfährt mehr über sich selbst. In diesem Sinn ist dieses Buch allen zu empfehlen, die sich mit Journalismusausbildung befassen, egal ob in fernen Entwicklungsländern oder im eigenen Land. Das Buch liefert keine systematischen Systemvergleiche, sondern individuelle Zugänge zu Fragen der Journalismusausbildung. Es ist, je nach Autorin oder Autor, mehr oder weniger wissenschaftlich, und von sehr unterschiedlichem Sprachniveau – teilweise schwankt dieses so sehr, dass man dem Buch das Lektorat einer Muttersprachlerin oder eines Muttersprachlers gegönnt hätte. Aber es liefert in seiner Vielfalt an Perspektiven und Gegenständen einen Fundus von Erkenntnissen und auch Gedankenanstößen zur Frage, wie Journalistinnen und Journalisten – in Entwicklungsländern, aber auch bei uns – ausgebildet und für ihre wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben vorbereitet werden können und sollen.

Über den Rezensenten

Prof. Dr. Guido Keel ist Leiter des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Zu seinen Schwerpunkten in der Forschung gehören Qualität im Journalismus, Wandel im Journalismus und Journalismus in nicht-europäischen Kontexten.

Diese Rezension erschien zuerst in rezensionen:kommunikation:medien, 2. September 2021, abrufbar unter https://www.rkm-journal.de/archives/22950

Über das Buch

Beatrice Dernbach, Beate Illg (Hrsg.)(2020): Journalism and Journalism Education in Developing Countries. Manipal Universal Press, 256 Seiten.