Wie groß ist das ›Elend der Medien‹? Ein Bericht zur ›alternativen‹ Kritik des Journalismus – aus Anlass einer Sammlung von Stimmen (auch) zur Propaganda-Schlacht um die Corona-Berichterstattung

von Siegfried Weischenberg / Niemals ist der Journalismus in Deutschland so hart attackiert worden wie in zahlreichen Publikationen einer ›alternativen‹ Medienkritik, die in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Die Schärfe des Tons, der hierbei angeschlagen wird, hat aber noch einmal erheblich zugenommen, seit die ›Mainstream-Medien‹ auf breiter Linie über die Bewältigung der Pandemie berichten. Ihnen wird totales fachliches Versagen vorgeworfen, die weitere Verengung des Meinungskorridors und eine einseitige Propaganda zugunsten der (Impf-) Maßnahmen sowie die völlig fehlende Ausgewogenheit bei der Auswahl der Experten, die zu Wort kommen. Bei aller Radikalität unterscheiden sich die ›alternativen Medienkritiker‹ freilich insofern nicht völlig vom ›Mainstream‹, als auch sie im Rudel die Selbstreferenz pflegen und sich ebenfalls darauf verstehen, durch Zuspitzung Aufmerksamkeit zu erregen – auch wenn die Fakten dies nicht hergeben.

Journalist*innen im Unruhestand Eine Bestandsaufnahme von Rentner*innen im Journalismus in Zeiten der Prekarisierung und der Corona-Pandemie

von Jana Rick / Journalistisch tätige Rentner*innen blieben bisher in der Forschung weitgehend unbeachtet. Doch Studien liefern Hinweise darauf, dass diese Akteursgruppe in Deutschland einen Großteil freiberuflicher Journalist*innen ausmacht, weshalb es gilt, die Rentner*innen in den Untersuchungsfokus zu rücken. Der vorliegende Beitrag basiert auf einer Befragung von 102 Journalist*innen aus ganz Deutschland, die Rente beziehen und im Journalismus haupt- oder nebenberuflich tätig sind. Die Daten ermöglichen eine erste Beschreibung von Rentner*innen im Journalismus und geben Auskunft über ihre soziodemografischen Merkmale, Arbeitssituation und Arbeitsbedingungen.

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, bei Bundesligaspielen besteht das bundesdeutsche Publikum aus 82 Millionen Schiedsrichtern. In der Pandemie sind daraus 82 Millionen Virologen geworden. Und manchmal scheint es, vor allem, wenn man in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, dass es gelegentlich zu 82 Millionen Medienkritikern mutiert. Dabei gerät die professionelle Medienkritik naturgemäß etwas in den Hintergrund.

Mikrofon und Federkiel Ab den 1960er-Jahren rückte der New-Journalism-Exponent Norman Mailer der Reportage mit literarischen Mitteln zu Leibe

von Steven Thomsen / Das Werk von Norman Mailer ist im deutschsprachigen Raum bei Weitem nicht mehr so verbreitet wie in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Von denjenigen, die seine Romane heute noch rezipieren oder neu für sich entdecken, dürften die wenigsten wissen, dass der US-Amerikaner beinahe seine gesamte Karriere über auch als Journalist gewirkt hat. Der seinem Heimatland in Hassliebe verbundene Intellektuelle war ein Meister darin, journalistische Texte mit literarischen Mitteln zu vitalisieren. Der Artikel exemplifiziert an dem berühmten Parteitagsbericht »Superman Comes to the Supermarket«, wie Mailer die Grenzen der traditionellen Reportage überschritten und neu definiert hat.

Lasst uns über Utopien sprechen Zur Aktualität der ökologischen Visionen und der Medienkritik in Ernest Callenbachs Ökotopia-Roman

von Gabriele Hooffacker / Utopien erlauben, die Gegenwart aus einer als positiv ange­nom­menen Perspektive aus der Zukunft zu kritisieren. Derzeit dominieren jedoch Dystopien den Diskurs. Am Beispiel von Ernest Callenbachs Ökotopia-Roman von 1975 hat die Autorin die Aktualität einer positiven ökologischen Utopie in der Lehre erprobt: Im Rahmen einer Sommerakademie lasen Studierende Auszüge des Romans und untersuchten ihn auf seine positiven ökologischen Zukunftsvisionen einerseits, auf seine Kritik am zeitgenössischen Mediensystem andererseits.

Journalismus in Zeiten des Tech-Sponsoring? Eine These für einen stärkeren Journalismus in der digitalen Medienwelt

von Mandy Tröger / Aufbauend auf dem Beitrag von Günther und Schultz »Zehn Thesen für einen starken Journalismus in einer digitalen Medienwelt« bietet dieser Beitrag eine elfte These: Guter digitaler Journalismus problematisiert neue strukturelle Abhängigkeiten durch Tech-Sponsoring. Denn Journalismusfinanzierung durch Konzerne wie Google oder Facebook unterwirft digitalen Journalismus neuen Markt- und Produktlogiken, beispielsweise durch die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur.

Konrad Dussel: Bilder als Botschaft. Bildstrukturen deutscher Illustrierter 1905–1945 im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Publikum. Unter Mitwirkung von Patrick Rössler

Rezensiert von Ursula E. Koch / 2019 kann für die Geschichte der Presseillustrationen, vor dem Fernsehzeitalter das wichtigste allgemein zugängliche Bildmedium, als ein Bestjahr angesehen werden. In diesem Jahr erschien sowohl das faktenreiche »Künstlerlexikon« Bilder in der Presse des Kunst- und Kulturhistorikers Detlef Lorenz als auch die vorliegende Publikation des auf Mediengeschichte spezialisierten Mannheimer Historikers Konrad Dussel. Der Titel seines Werkes, eine Pionierarbeit, bezieht sich auf die vor mehr als 50 Jahren von dem kanadischen Philosophen und Kommunikationstheoretiker Marshall McLuhan aufgestellte These »Das Medium ist die Botschaft«.

Beatrice Dernbach, Beate Illg (Hrsg.)(2020): Journalism and Journalism Education in Developing Countries

Rezensiert von Guido Keel / Der Journalismus spielt eine Schlüsselrolle in der politischen, ökonomischen und sozialen Entwicklung von Ländern. Dabei sieht er sich gleich mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Erstens muss er seine Rolle in der gesellschaftlichen Transformation finden. Er muss abwägen, inwiefern er als regierungstreuer Akteur zur Stärkung politischer und ökonomischer Strukturen beitragen oder aber als kritischer Beobachter die Veränderungen hinterfragen soll. Zweitens muss er – zumindest teilweise – die nötigen (Infra-)Strukturen erst aufbauen oder diese mit Blick auf ein neues Selbstverständnis reformieren.

Peter Welchering: Journalistische Praxis: Recherche

Rezensiert von Hektor Haarkötter / Der Journalist und Hochschuldozent Peter Welchering hat in der Reihe »Essentials« bei Springer VS einen Band zur digitalen Recherche veröffentlicht. Die Essentials dienen der kurzen Überblicksinformation, haben oft praktische oder pragmatische Themen zum Inhalt und haben den begrenzten Umfang einer Broschüre, der den konzentrierten Zugriff möglich machen soll.