Von Thomas Hauser
Abstract: Digitalisierung und Ökonomisierung verändern nicht nur den öffentlichen Raum und damit den öffentlichen Diskurs. Alle können heute mit allen kommunizieren. Das ermöglicht theoretisch einen herrschaftsfreien Diskurs, führt aber aktuell eher zu einem babylonischen Medienmix: Fake News, Propaganda und PR stehen gleichrangig neben seriösen Informationen. Viele reden, aber kaum jemand hört zu. Diese Entwicklung unterhöhlt die Geschäftsmodelle klassischer Medien und stürzt den Journalismus in eine Legitimitätskrise. Der Text analysiert diese Entwicklung und benennt die großen Herausforderungen für Medien und Gesellschaft.
Keywords: Bürgerbeteiligung, Demokratie, Digitalisierung, Deliberative Öffentlichkeit, Habermas, Journalistische Medien, Medienbildung, Soziale Netzwerke
»Knapp vier von fünf Bürgerinnen und Bürgern sehen […] die Demokratie in Deutschland zunehmend gefährdet. 78,9 Prozent stimmen […] der Aussage zu, dass die Demokratie heute stärker angegriffen wird als noch vor fünf Jahren. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten repräsentativen Bevölkerungsbefragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung hervor. Nur 3,4 Prozent finden, dass die Demokratie weniger angegriffen wird als noch zuvor. Der Umfrage nach wünscht sich die Bevölkerung, dass den Angriffen stärker entgegengewirkt wird.« (o. V. 2023a[1])
Über diese Meldung stolperte ich im Mai 2023. Warum? Weil uns das sorgen muss? Sicher, aber das allein hätte mich nicht stolpern lassen. Solche Meldungen gibt es derzeit fast täglich, ich hätte diese längst aktualisieren müssen. Alarmiert hat mich die zweite Feststellung in der Meldung über diese Umfrage, nach der 84,9 Prozent der Befragten meinen, es sei Aufgabe der Bundesregierung, etwas dagegen zu tun (vgl. o. V. 2023a). Das hatte ich anders gelernt. Eine Demokratie ist dann stark und lebendig, wenn sie von einer starken und lebendigen Bürgergesellschaft, gewiss auch Bürgerinnengesellschaft getragen und entwickelt wird. Die aber ist bequem geworden. Wenn der Staat den Alleinunterhalter geben soll, tendiert das in Richtung autoritärer Herrschaftsformen oder wahlweise in eine gefährliche Überforderung. Natürlich kann und muss auch der Staat die Zivilgesellschaft dabei unterstützen. Vor allem durch eine kluge Politik. Dazu gäbe es viel zu sagen.
Man könnte auch länger über die Fehlentwicklungen der Demoskopie, ihre Überhöhung im politischen Prozess und über die Fallstricke falscher oder suggestiver Formulierungen und deren Folgen räsonieren. Das wäre ein eigener Beitrag. Obwohl, ein Seitenstrang unserer Fragestellung ist das schon. Denn auch die Demoskopie ist Akteur in jenem öffentlichen Raum, in dem sich heute alle zu übertönen suchen, aber kaum jemand mehr zuhört.
Um die Herausforderungen zu verstehen, braucht es einige wenige grundsätzliche Vorbemerkungen. Danach wende ich mich kurz dem Phänomen Öffentlichkeit zu und der Frage, was es mit dem Strukturwandel auf sich hat, der seit der Habilitationsschrift von Jürgen Habermas (Habermas 1971) nicht nur durch die Feuilletons geistert. Dann richten wir den Blick auf die Entwicklung der Medien, wobei ich mich auf die Zeitungen und ihre digitalen Ausformungen konzentrieren möchte, auch wenn die verschiedenen Mediengattungen heute ineinanderfließen. Aber eine Betrachtung, die auch die Entwicklung des (öffentlich-rechtlichen) Rundfunks einbezöge, wäre in der Kürze seriös nicht zu leisten. Schließlich werfen wir noch einen Blick auf die Gesellschaft und wollen nachspüren, was die Entwicklung der Medien mit ihr und der Demokratie macht. Und wir halten auch noch nach dem Rettenden Ausschau.
1. Demokratie braucht Öffentlichkeit
Am Anfang soll Ernst-Wolfgang Böckenförde stehen, der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Staatsrechtler. Es geht um das nach ihm benannte Diktum, das ein Dilemma beschreibt:
»Der freiheitliche, säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. […] Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her aus der moralischen Substanz des Einzelnen oder der Homogenität der Gesellschaft reguliert. Andererseits kann er diese Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwangs und autoritativen Gebots zu regulieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben.« (Böckenförde 1976: 92ff.)
Die Bibliotheken sind gefüllt mit Beiträgen, in denen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an diesem Diktum abgearbeitet haben. Für unsere Zwecke genügt es, Böckenförde um Habermas zu ergänzen, um die aktuelle Herausforderung deutlich zu machen. Habermas kommt in seiner Kommunikationstheorie zu der Erkenntnis, dass moderne Gesellschaften sich nicht mehr auf diesen verbindlichen Hintergrundkonsens verlassen können. Aufkommende Konflikte müssten deshalb über das Medium der Kommunikation bewältigt werden. Gefunden werden müsse ein konstruktives Zusammenspiel zwischen den entscheidungsorientierten Beratungen, die durch demokratische Verfahren reguliert sind, und den informellen Meinungsbildungsprozessen einer informierten Öffentlichkeit (vgl. Habermas 1992: 13).
Damit wird nebenbei die Basis für die deliberative Demokratie enttarnt, die als »Politik des Gehört-Werdens« im Regierungsprogramm von Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg einen wichtigen Platz fand (vgl. Kretschmann u. a. 2011) und die Gisela Erler, die lange dafür zuständige Staatsrätin für Zivilgesellschaft, in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig ergänzte: »gehört werden, nicht erhört werden« (z. B. Hauser/Winkler 2022: 44).
Dem jetzt aber nachzugehen, würde aus den Augen verlieren, dass mit Habermas jene ominöse »Öffentlichkeit« als zentrale Akteurin die Bühne betritt. Sie verlangt unsere volle Aufmerksamkeit, wenn wir nach Gefährdungen der Demokratie fahnden.
Wer oder was ist diese »Öffentlichkeit«? Alles, was nicht privat ist, wäre die scheinbar einfache Antwort. Dann aber müssten wir privat definieren. In Zeiten des weltweiten Datennetzes geraten wir dabei jedoch schnell in Treibsand. In diesem Zusammenhang ist schon einmal über das Ende der Privatheit diskutiert worden (vgl. z. B. Whitaker 1999).
Habermas entwickelt den Begriff aber genau in dieser Abgrenzung aus dem griechischen Stadtstaat, in dem er die Sphäre der Polis, die den freien Bürgern gemeinsam ist, streng von der Sphäre des Oikos trennt, die jedem einzelnen zu eigen ist. Auch wenn sich, so Habermas, das öffentliche Leben, bios politicos, auf dem Marktplatz, der agora abspielt, ist es nicht lokal gebunden, sondern entwickelt sich aus dem Gespräch (vgl. Habermas 1971: 15ff.).
Vereinfacht und in die Gegenwart transformiert könnte man sagen: Öffentlichkeit ist der Beziehungsraum von Individuen zu sozialen Gebilden. In liberalen Gesellschaften meint Öffentlichkeit aufseiten des Staats die Transparenz seines Tuns, aufseiten der Gesellschaft interessierte und aktive Bürgerinnen und Bürger, die sich durch allgemein zugängliche Quellen eine kritische Meinung bilden und teils mittelbar – z. B. durch Wahlen –, teils unmittelbar – mit Hilfe von Parteien, Bürgerinitiativen, Bürgerräten und ähnlichem – an der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung des Staates teilnehmen.
In diesem öffentlichen Raum vollzieht sich ein permanenter Wandel. Jürgen Habermas hat den für die Zeit bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts beschrieben – von der repräsentativen Öffentlichkeit vordemokratischer Zeiten über die bürgerlich-literarische Öffentlichkeit bis zu deren Auszehrung durch Ökonomisierung und Konzentration (vgl. Habermas 1971). Dass seine Analyse an einem Punkt endet, an dem diese bürgerliche Öffentlichkeit und ihre Medien vor einer ihrer raren Blütezeiten standen, ist eine andere Geschichte. Der Grundbefund blieb richtig: Idealerweise lenken professionelle Medien den Blick auf »wichtige« Themen und organisieren die Diskussion darüber. Sie erzwingen im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger Transparenz. Sie helfen so den Bürgerinnen und Bürgern, sich informiert entscheiden zu können.
In diesem Modell stecken Voraussetzungen, Anmaßungen und Zumutungen: Journalismus maßt sich an zu wissen, welches Thema wichtig ist und öffentlich diskutiert werden muss. Er lebt davon, dass ihm Leser:innen, Hörer:innen und Zuschauer:innen vertrauen, dass sie ihm glauben, selbst keine anderen Ziele zu verfolgen als zu informieren und Argumente zu liefern; dass er also ehrbarer Dienstleister der Bürgergesellschaft ist.
Auf der anderen Seite stehen Journalistinnen und Journalisten im Zentrum vielfältiger Beeinflussungsversuche. Man braucht sie, man hofiert sie, man bedrängt sie. Leider wurden und werden sie auch immer wieder eingesperrt oder sogar getötet. Der Schriftsteller Gustav Freytag hat diese Herausforderung vor mehr als 170 Jahren so formuliert: »Alle Welt klagt über ihn [den Journalismus], und jedermann möchte ihn für sich benutzen.« (Freytag 1988: 71) Die Journalist:innen selbst aber sollen davon unbeeindruckt und objektiv bleiben.
Das kann nicht gut gehen und tut es auch immer wieder nicht. In der Geschichte finden sich nicht nur exzellente Recherchen, Reportagen und Analysen, sie ist auch voll von journalistischer Hybris, Fehlern, Fehlverhalten und Geringschätzung des Publikums. Helmut Schmidt hatte recht:
»Politiker und Journalisten. Das sind beides Kategorien von Menschen, denen gegenüber größte Vorsicht geboten ist: Denn beide reichen vom Beinahe-Staatsmann zu Beinahe-Verbrechern. Und der Durchschnitt bleibt Durchschnitt.« (zit. n. Raue 2015[2])
Aber, so möchte ich ergänzen, mit dem unabhängigen, professionellen Journalismus ist es wie mit der Demokratie, er ist die schlechteste Möglichkeit, außer allen anderen.
2. Journalistische Medien in der digitalen Krise
Journalistische Medien waren immer Kulturgut und Wirtschaftsgut zugleich. Natürlich auch Machtinstrument. Aber es galt lange, was Habermas nur bis Mitte des 19. Jahrhunderts gelten lassen wollte:
»Die Verleger sicherten der Presse die kommerzielle Basis, ohne sie jedoch als solche zu kommerzialisieren. Eine Presse, die sich aus dem Räsonnement [der vernünftigen Erwägung] des Publikums entwickelt […] hatte, blieb durchaus Institution dieses Publikums selbst: wirksam in der Art eines Vermittlers und Verstärkers, nicht mehr bloßes Organ des Informationstransportes und noch kein Medium der Konsumentenkultur.« (Habermas 1971: 219)
Das war möglich, weil die strikte Trennung zwischen Redaktion und Verlag noch weitgehend galt. Bis in die 1990er-Jahre konnten selbstbewusste Redaktionen ihre Rolle ausfüllen, ohne den Geschäftsinteressen ihrer Verleger zu schaden. Dann aber begann sich die Bindung zwischen Medien und Publikum zu lockern, die Auflagen der gedruckten Zeitungen sanken – zunächst langsam, dann immer schneller. Und als 2001 die dot.com-Blase platzte, rauschten auch die Anzeigenerlöse nach unten. Die großen Internetkonzerne sogen durch ihren wachsenden Erfolg den finanziellen Sauerstoff aus den journalistischen Newsrooms. Heute entfallen auf sie über 50 Prozent der weltweiten Werbeumsätze. Google allein erzielt in Deutschland mehr Anzeigenerlöse als alle Tageszeitungen zusammen.
Besonders schwer hatten es die Regionalzeitungen, über Jahrzehnte eine wichtige Säule der deutschen Demokratie. Ihr Einnahmenmix, zwei Drittel Werbung, ein Drittel Abo- und Verkaufs-Erlöse, war plötzlich Geschichte. Im Internet herrscht das Discounter-Prinzip: kleine Marge, große Stückzahl. Dafür fehlt den meisten Zeitungen Größe und Reichweite. Redaktionen haben es immer dann leichter, unabhängig zu sein, wenn es ihren Verlagen finanziell gut geht.
Selbst mit steigenden Abo-Preisen ließ sich das alte Geschäftsmodell nicht in die digitale Welt übertragen. Internetnutzer:innen lernten rasch, dass Nachrichten dort kostenlos waren. Die großen Plattformen verdienten sich goldene Nasen, auch indem sie die Angebote klassischer Medien verwerteten. Für letztere blieben, wie der Verleger Hubert Burda einmal beklagte, nur »lousy pennies« (zit. n. Meier 2009[3]). Wobei der Streit darüber, ob die Verlage früher hätten Bezahlschranken errichten müssen, im Rückblick absurd erscheint. Wer das tat, hatte keine Reichweite, wer das nicht tat, zumindest Leserinnen und Leser. Einnahmen hatten beide nicht.
Bis heute können die journalistischen Erlöse aus dem Digitalgeschäft die Rückgänge von Print nicht ausgleichen. Das heißt, in der schönen neuen Medienwelt brachen die Einnahmen aus dem klassischen Geschäft ein, während die großen Kostenblöcke, Druck und Vertrieb, nicht entsprechend verkleinert werden konnten. Kräftig steigende Abonnementspreise bremsten zwar kurzfristig die Einnahmerückgänge, verschärften längerfristig aber die Krise. Denn zugleich wurde an den Kostenblöcken gespart, die man schnell beeinflussen konnte: Personal und Produkt. Das aber kommt einem Suizid aus Angst vor dem Tod gleich. Zugleich kam es zu einer Welle von Fusionen. Heute werden in einem Newsroom manchmal Dutzende Zeitungstitel nebeneinander produziert.
Besonders drastisch kann man das am Beispiel des Lokaljournalismus beobachten. Die Präsenz in der Fläche ist zeit- und personalaufwändig und damit besonders teuer. Die in der Not sinkender Erlöse als Hinwendung zu den Leser:innen verkaufte Alternative Regionalberichterstattung ist in Wirklichkeit eine Entfernung. Reportagen erzählen Geschichten, deren Relevanz sich an einem vermuteten Leserinteresse misst. Am Puls der Stadt horcht man weniger, um das Augenmerk auf wichtige Themen zu lenken, sondern vor allem, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Folge ist nicht nur eine Entpolitisierung, sondern auch eine Umdeutung des Begriffs Relevanz. Relevant ist heute das, was Nutzerinnen und Nutzer auf die eigene Plattform zieht und dort möglichst lange bindet.
Begonnen hat die journalistische Zeitenwende mit Einzug der elektronischen Datenverarbeitung in die Redaktionen zu Beginn der 1980er-Jahre. Mit ihr hat sich die Arbeit dort radikal verändert. Zunächst wanderten Satz, Layout und Korrektur in die Redaktion. Heute werden die Seiten von dort ohne Umwege an die Druckplattenherstellung geschickt. Beiträge für die digitale Ausgabe werden direkt veröffentlicht. Damit einher ging ein doppelter Wechsel der Perspektive. Konzipierten Journalist:innen ihre Beiträge früher für Print, um sie dann auch online zu stellen, so ist das in der Regel heute umgekehrt. Und adressierten sie ihre Beiträge früher an mündige Bürgerinnen oder Bürger, so umgarnen sie nun den Konsumenten oder die Konsumentin.
Menschen leben heute nicht mehr mit, sondern in den Medien. Hier wird kommuniziert, organisiert, gekauft, sich informiert, werden Beziehungen angebahnt, gepflegt und beendet. Dies führt zu einem Wettlauf um Aufmerksamkeit, dem knappen Gut der Digitalwirtschaft. Es gilt, Nutzerinnen und Nutzer zu loyalisieren, wie das entlarvend heißt. Aus diesem Grund wandert zunehmend auch das Marketing in die Newsrooms, wo das Verhalten der Mediennutzer in Echtzeit beobachtet und auf Konsequenzen für das weitere Angebot untersucht wird. Das alles verändert die Themen, die Sprache, die Erzählweise und die Tonlage.
Damit geriet auch das journalistische Konzept ins Wanken. Zeitungen – lassen wir den Boulevard außen vor – verkaufen sich in Deutschland zu gut 90 Prozent im Abonnement. Journalisten treffen hier auf Leserinnen und Leser, die schulmeisterliche Attitüden zwar beklagen, aber auch erwarten. Sie bezahlen dafür, dass ihre Zeitung aus dem Grundrauschen an Informationen die Nachrichten herausfiltert, die sie brauchen, um ihre Rolle als Bürgerin oder Bürger spielen zu können; dass sie ihnen Argumente und Hintergründe liefert, um im demokratischen Diskurs zu bestehen.
3. Journalismus in der digitalen Öffentlichkeit
Der Mensch in der digitalen Welt kann sich selbst ertüchtigen. Er will sich nichts vorsagen oder auswählen lassen. Er kann in Echtzeit Ereignisse verfolgen, ohne am Ort des Geschehens sein zu müssen, direkt auf viele Originalquellen zugreifen, mit wichtigen Akteurinnen und Akteuren chatten, er kann seinen eigenen Filter definieren oder sich seine eigene Öffentlichkeit schaffen.
Journalismus verliert hier nicht nur seine Gatekeeper-Funktion, er wird zum Bittsteller, der darum buhlen muss, wahrgenommen zu werden und seine Dienste anbieten zu dürfen. Daher überrascht es nicht, dass das weltweite Netz nach den Regeln des Boulevards funktioniert. Themen aus den Bereichen Rotlicht, Blaulicht, Flutlicht gehen immer, Politik funktioniert allenfalls als Erwartung sofortiger Lösungen. Empörung ersetzt Auseinandersetzung. Die vertiefende Darstellung und Analyse komplexer Sachverhalte wird zum Minderheitenthema, John F. Kennedys Aufforderung, zu fragen, was man für den Staat tun könne, zur Zumutung. Und die Umgangsformen sind hemmungslos. Der Kabarettist Christian Ehring hat diesen digitalen öffentlichen Raum als »Empörium« bezeichnet.[4] Bernhard Pörksen sieht uns darin als »fünfte Gewalt« in einer »mentalen Pubertät« agieren (Pörksen 2021: 26[5]). Im Ergebnis führt dies zu demselben Befund: Die Öffentlichkeit befeuert jene Entwicklung der Demokratie, die sie beklagt.
Man kann im öffentlichen Raum heute ein Phänomen beobachten, das man von Gasthöfen oder Familienfeiern kennt. Jeder und jede will sich mit jeder und jedem unterhalten. Um sich Gehör zu verschaffen, reden alle immer lauter durcheinander. Am Ende schwirrt allen der Kopf.
Die Öffentlichkeit heute ist ein überfüllter Raum geworden. Neben Journalismus finden sich da neue und professionelle Gatekeeper wie die großen Internetplattformen mit ihren undurchsichtigen Algorithmen. Hier agieren Propaganda und PR, die personell und finanziell massiv aufgerüstet haben. Auch die Demoskopie mischt immer penetranter mit. Ebenso jene merkwürdigen Satire-Informations-Desinformations-Shows, die sich mit dem Namen Jan Böhmermann verbinden. Dazwischen tummeln sich Influencer, Bloggerinnen und wir alle mehr oder weniger intensiv in den Sozialen Netzwerken. Durch die Migration ist die nationale Öffentlichkeit auch noch global geworden. Der Migration von Menschen folgt die Migration ihrer Medien und ihrer Themen. Schließlich können sich auch Länder wie Russland oder China mit gezielten Desinformationskampagnen einmischen.
Das alles hat Folgen: Seriöse Informationen stehen neben Falschnachrichten, PR, Propaganda oder Nonsens. Wenn aber alles scheinbar gleich viel wert ist, hat nichts mehr einen Wert. Und wenn Politiker wie Friedrich Merz triumphieren »wir brauchen die nicht mehr« (zit. n. o.V. 2020)[6], gemeint sind Journalistinnen und Journalisten, weil Parteien oder Interessenverbände nun direkt mit Wählerinnen oder Anhängern kommunizieren können, dann sollten ebenso die Alarmglocken schrillen, wie wenn Elon Musk, der Eigner von X (einer Plattform, die einmal als harmlos zwitschernder Vogel Karriere machte) im russischen Gazprom-Sender NTW erklärt, dass »alle Nachrichten Propaganda sind. Die Menschen müssen selbst entscheiden« (zit. n. Shteyngart 2023: 20). Aus dem Traum vom herrschaftsfreien Diskurs im Internet, den seine Pioniere träumten und der für Jürgen Habermas die moraltheoretische Voraussetzung für eine lebendige, funktionierende Demokratie ist, ist derzeit eher ein Albtraum geworden.
Dabei sind im Internet alle Grundzutaten für einen herrschaftsfreien Diskurs angerichtet, denn die Digitalisierung birgt eine Fülle von Chancen. Mündige Bürgerinnen oder Bürger müssen Medien nicht mehr nur empfangen, sie können selbst zu Sendern werden. Ein Kern des Streits um die Pressefreiheit in England war im 18. Jahrhundert der Wunsch, aus dem Parlament berichten zu dürfen. Heute können wir alle auch viele Originalquellen einsehen, was lange nur Insidern, Politikerinnen, Wissenschaftlern oder Journalistinnen möglich war. Und wir können vom Sofa aus auf Medien in aller Welt zugreifen und uns mit Menschen in aller Welt unterhalten, vorausgesetzt wir sind der entsprechenden Sprachen mächtig oder nutzen Übersetzerprogramme. Das heißt: Wir sind so frei wie nie bei der Wahl unserer Informationsquellen. So frei, dass wir in Gefahr geraten, in der Informationsflut zu ertrinken.
Brauchten wir früher einen Dienstleister, der Themen und Quellen aufspürte, so müssen wir heute als Perlentaucher nach Themen und Informationen suchen, die wirklich relevant sind, damit wir unserer Aufgabe als Bürgerinnen und Bürger gerecht werden können. Künstliche Intelligenz, KI, kann da beim Suchen helfen, aber wie weit wollen wir sie entscheiden lassen?
Mit dem zunehmenden Einsatz von KI verschärft sich eine weitere Herausforderung: Wenn die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, Fakt und Fake so verschwimmen, dass es kaum mehr möglich ist, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, werden wir aufs Glauben zurückgeworfen. Das aber wäre das Ende der Aufklärung.
Das aktuelle Fazit ist ernüchternd: Die Digitalisierung hat die mal mehr, mal weniger gut funktionierende Symbiose zwischen Journalismus und Gesellschaft erst entzaubert und dann zerstört. Entzaubert, weil das durch sie mündig gewordene Medienpublikum plötzlich nicht nur selbst zum Sender werden und seine Informationen weitgehend barrierefrei direkt an andere verbreiten konnte. Es konnte die journalistische Arbeit nun auch scheinbar leichter überprüfen und dabei feststellen, was man eigentlich immer wissen konnte: Journalismus ist nicht objektiv. Er selektiert, gewichtet und verschweigt, macht Fehler, und manchmal verfolgt er auch eine eigene Agenda. Der Vorwurf der Lügenpresse schien so plötzlich plausibler. Auch weil viele, die ihn lautstark skandieren, ausblenden, dass die, die ihn erheben, Lügen und Betrügen zum Kern ihres Programms erhoben haben. Und dass sie unabhängige Medien bekämpfen, weil sie ihre aufklärende Kraft fürchten.
Bei so viel Durcheinander sah sich Anfang dieses Jahrzehnts der Altmeister der Kommunikationstheorie, Jürgen Habermas, von seinem Alterssitz am Starnberger See aus zu einer Intervention veranlasst.
»Ein demokratisches System nimmt im Ganzen Schaden, wenn die Infrastruktur der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit der Bürger nicht mehr auf die entscheidungsbedürftigen Themen lenken und die Ausbildung konkurrierender Öffentlichkeit, das heißt qualitativ gefilterter Meinungen nicht mehr gewährleisten kann. […] Es ist deshalb keine politische Richtungsentscheidung, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot, eine Medienstruktur aufrechtzuerhalten, die den inklusiven Charakter der Öffentlichkeit und einen deliberativen Charakter der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ermöglicht.« (Habermas 2022: 65-67[7])
Professioneller Journalismus ist öffentliche Daseinsvorsorge. Deshalb steht er auch unter dem Schutz von Artikel 5 des Grundgesetzes. Dies rechtfertigt sich aber nur dann, wenn er seine wichtigste Aufgabe erfüllt: die Zivilgesellschaft so aufzuklären, dass sie ihre Rolle in der Demokratie ausfüllen kann. Was aber, wenn die das gar nicht mehr will? Vor allem für jüngere Generationen sind Zeitungen, schon gar Lokalzeitungen mittlerweile kaum noch relevant. Sie beziehen ihre Informationen über digitale Plattformen (TikTkok, YouTube, Instagram). Wobei es spannend wäre, zu untersuchen, wo die Quellen der dort konsumierten Nachrichten liegen. Persönliche, gewiss nicht repräsentative Erfahrungen mit Studierenden lassen dabei die Arbeitshypothese zu, dass doch viele Spuren Richtung klassische Medien verweisen.
4. Gesellschaft und Politik in der digitalen Kultur
Zeit für einen Perspektivwechsel: Es gilt, die Gesellschaft in den Blick zu nehmen. Dass Staat und Gesellschaft in multiplen Krisen stecken, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Die erste Erschütterung gab es mit dem Platzen der dot.com-Blase und den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001. Da hieß der Kanzler noch Gerhard Schröder. Der Krisenmodus prägte dann fast die gesamte Kanzlerinnenzeit von Angela Merkel. Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, der Überfall Putins auf die Krim, Flucht und ungeplante Migration, Afghanistan, Syrien, die erste US-Präsidentschaft Donald Trumps, Corona, das Erstarken der Rechtspopulisten weltweit und hierzulande – das alles fand schon vor der Regierungszeit von Olaf Scholz statt. Ebenso wie der Klimawandel, die Digitalisierung oder der wachsende globale Führungsanspruch Chinas.
Die Welt, an die wir uns gewöhnt hatten, geht unter, die Zukunft verschwimmt und viele Probleme können bestenfalls beherrscht werden. Die Öffentlichkeit aber erwartet, dass Politik diese Probleme löst, und zwar schnell und so, dass sich möglichst wenig verändert und vor allem niemand etwas verliert. Angela Merkel war meisterhaft darin, uns glauben zu machen, dass sie alles im Griff hat, auch wenn, wie wir heute wissen, vieles liegen blieb und manche Herausforderung heute umso wuchtiger zurückgekehrt ist. »Sie kennen mich«. Mit diesem Slogan hat sie Wahlen gewonnen, wenn auch mit schrumpfenden Mehrheiten. Asymmetrische Demobilisierung wurde das genannt. Olaf Scholz schien vielen diesbezüglich als ihr logischer Nachfolger.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der Blick auf das Wahlergebnis von 2021 zeigte bereits, dass die Gesellschaft genauso uneins ist wie die Ampel, die sie gewählt hatte. Moderne liberale Gesellschaften, zumal solche mit hoher Zuwanderung, sind keine homogenen Gemeinschaften, sondern komplexe und daher fragile Gebilde. Der Soziologe Andreas Reckwitz diagnostizierte zunächst eine Gesellschaft der Singularitäten (vgl. Reckwitz 2017) und dann eine neue Klassengesellschaft (vgl. Gerwien 2018). In ihr dominiert eine neue Mittelklasse mit hohen Bildungsabschlüssen, die vorwiegend in Städten lebt, von der Globalisierung profitiert und viel Wert auf Selbstverwirklichung und Lebensqualität legt. Sie verdrängt die alte Mittelklasse des Industriezeitalters, die eher regional verwurzelt war und Wert auf Ordnung, Disziplin und Status legte. Dieser Verdrängungsprozess löst Entwertungserfahrungen und Verlustängste aus, die sich in Konflikten entladen und Populist:innen vielfältige Geschäftsmodelle für ihr »Verlustunternehmertum« (vgl. Jakobs 2023) bieten.
Hinzu kommt ein wachsendes Dienstleistungsproletariat mit nur geringen Chancen für einen sozialen Aufstieg. In ihm versammeln sich unter anderen viele Migrant:innen, was deren Integration erschwert und ebenfalls zu Konflikten führt. Multiethnische Gesellschaften wie unsere importieren zudem internationale und reanimieren national verdrängte historische Konflikte. So angreifbar solche Gesellschaftsmodelle sind, der Befund der Komplexität und Fragilität ist kaum zu bestreiten. Solche Gesellschaften müssen ihre Gemeinsamkeit immer wieder in schwierigen Prozessen aufs Neue mit sich selbst aushandeln; wenn eine solche Gemeinsamkeit überhaupt noch möglich ist.
Mit dieser brisanten Gemengelage sah sich Olaf Scholz bereits bei seinem Amtsantritt konfrontiert, sowie mit riesigen Erwartungen und latentem Misstrauen. Moderne Konsumbürgerinnen und -bürger erwarten von Politik alles, trauen ihr aber nicht über den Weg. Ausgestattet wurde Scholz für diese Mission mit dem schwächsten Wählermandat aller Kanzlerinnen und Kanzler seit 1945. Und mit zwei Koalitionspartnern, deren Ziele nicht unterschiedlicher sein konnten. Ein Basta-Kanzler, wie ihn sich viele wünschen, würde bei solchen Mehrheitsverhältnissen schnell zum »Vati« im Lied Vatis Argumente von Franz-Josef Degenhardt, in dem Vati permanent wütend ist, weil er merkt, dass ihn keiner mehr ernst nimmt.
Die Analyse der Ampelkoalitionäre hatte dies alles vermutlich schon im Blick, bevor sie ihr Abenteuer begannen. Erinnert sei an das Selfie, das ihre Entschlossenheit dokumentieren sollte. Was sie hätten leisten müssen, davon gibt der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda in seinem Buch Mehr Zuversicht wagen mit Verweis auf die Mitbegründerin der Black-Lives-Matter-Bewegung, Alicia Garza, eine Ahnung:
»Die einzelnen Gruppen sind mittlerweile zu klein, um sich nur auf sich selbst zu beziehen und Solidarität aus Ähnlichkeit und Identität zu verspüren. Es kommt darauf an, über Unterschiede hinweg Allianzen zu bilden, weil wir alle von ähnlichen Herausforderungen betroffen sind. Wir brauchen politische Bewegungen, die Komplexität aushalten können, denn nur so lernen wir, wie wir einander erreichen können, selbst wenn uns das Unbehagen bereitet.« (Brosda 2023: 323)
Es geht also darum, Dissens konstruktiv zu nutzen, um neue Lösungen zu finden.
Dann kam Putins Einmarsch in die Ukraine – die Zeitenwende, wie Olaf Scholz diagnostizierte. Mit ihr lag nicht nur die globale Nachkriegsordnung in Trümmern, sondern geriet auch das Wohlstandsversprechen ins Wanken. Die Erzählung aller Reformer, dass hinter den Anstrengungen des Veränderungsprozesses eine bessere, erfolgreiche Zukunft warte, wurde unglaubwürdig. Und das Mantra des Kanzlers, man sei auf einem guten Weg, wurde nicht nur wegen handwerklicher Fehler und politischer Schaukämpfe in seiner Koalition merkwürdig surreal. Das Ergebnis ist eine Stimmung, die die reale Lage weit schlechter redet als sie ist.
Gescheitert ist diese Koalition am Streit um die Staatsfinanzen. Eine zentrale Ursache liegt aber wahrscheinlich darin, dass sie keine Linie im Umgang mit jenem »Empörium« entwickelt hat. Die ruhige Hand des schweigsamen Kanzlers prallte je heftiger auf das ungeduldige Profilierungsgerangel der Koalitionspartner und die überzogene Erwartungshaltung vieler Bürgerinnen und Bürger, desto deutlicher wurde, dass die Herausforderungen der Gegenwart nicht mehr mit dem Fastnachtsmotto »Allen Wohl und niemand Weh« beantwortet werden können. Allianzen über Unterschiede hinweg zu bilden, wie Brosda es fordert, ist spätestens seit dem Verfassungsgerichtsurteil zum Haushalt vom 15. November 2023 nicht mehr mit dem Scheckbuch zu leisten.
Aber hier soll ja weniger der Zustand der Politik als die Entwicklung von Medien und Journalismus beleuchtet werden. In Situationen wie heute wäre ein Journalismus gefragt, der wirklich Relevantes von Aufgeregtheiten und Befindlichkeiten trennt, komplexe Sachverhalte sorgfältig beschreibt und die hitzigen öffentlichen Debatten verbal abrüstet und versachlicht.
Die Wirklichkeit läuft in die entgegengesetzte Richtung: Medien, die darauf starren, was ihre Nutzer:innen wollen, die zuspitzen (müssen?), um sich Gehör zu verschaffen, verstärken Sorgen und Aggressionen, statt sie durch sachliche Aufklärung zu rationalisieren. Sie werden zum Pranger und Alarmgeber und verstärken so die Hysterie in der politischen Auseinandersetzung. Sie unterstützen auch die Konsumentenhaltung der Bürgerinnen und Bürger, die von Politik rasche Problemlösung verlangt. All das mündet in jener Politiker- und Demokratieverdrossenheit, die man dann mit Umfragen belegt, um sie zu beklagen. Das Ergebnis hat der französische Schriftsteller Silvain Tesson für sein Land so treffend beschrieben, dass es auch Eingang in den zweiten Teil der Filmkomödie Monsieur Claude fand: »Frankreich ist ein Paradies, das von Leuten bewohnt wird, die sich in der Hölle glauben.« (zit. n. Kuper 2022) Dieser Befund könnte auch für Deutschland zutreffen.
Sind also doch mal wieder »die Medien« schuld? Solch reflexhafte Polemik ist dem Ernst der Lage nicht angemessen und für die Suche nach Lösungen nicht hilfreich. Zu der aktuellen Lage haben viele, hat vieles beigetragen, und die meisten waren dabei Getriebene und nicht Treiber. Die Frage »Wer ist schuld?« führt nur dazu, dass alle auf alle anderen zeigen.
Mir schwirrt ein Bild durch den Kopf. Danach kann man sich Politik als großes Mobile vorstellen, in dem viele Widersprüche ausbalanciert werden müssen. Freiheit und Sicherheit ist so ein Paar, Individualität und Solidarität ein anderes. Man könnte Tausende solcher Paare nennen. Die Aufgabe wird noch dadurch erschwert, dass beim Versuch, ein Paar auszubalancieren, plötzlich etwas an ganz anderer Stelle in Schieflage gerät, das man überhaupt nicht im Blick hatte.
Viele von uns hatten das Glück, in eine Zeit geboren worden zu sein, in der dieser Balanceakt ganz gut gelungen ist. Auch weil wir Risiken und Nebenwirkungen unseres Wohlstands ausgelagert oder verdrängt haben. Wir lebten Jahrzehnte in stabilen und friedlichen Verhältnissen und haben vergessen, dass dies in der Geschichte eher die Ausnahme als die Regel ist. Allzu oft blies nämlich ein Wind der Veränderung, der das Mobile durcheinanderwirbelte.
Eine solche Phase erleben wir gerade. Wir stehen in multiplen Krisen, von denen die meisten nicht lösbar, sondern bestenfalls beherrschbar sind. Wir stecken in Transformationsprozessen, in denen es nicht nur Gewinner geben wird. Wir haben eine Politik, in der die Parteibindung der Wählerinnen und Wähler schwindet und die Parteien deshalb versucht sind, »Triggerpunkte« (früher hießen sie Reizworte) zu bespielen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, wie der Soziologe Steffen Mau und andere analysieren (vgl. Mau/Lux/Westheuser 2023). Und wir haben Medien, bei denen auch die seriösen verstärkt zuspitzen, emotionalisieren, personalisieren und skandalisieren, um im anschwellenden Lärm der digitalen Öffentlichkeit Gehör zu finden. Zugleich ist klar: Wir werden die Herausforderungen nicht meistern mit Konsum- und Wutbürger:innen, nicht mit einer populistischen, aber auch nicht mit einer umfragegetriebenen Politik des allen Wohl und niemand Weh, nicht mit einer Ökonomie, in der Profit vor Moral geht, und nicht mit Medien, die sich als Teil der Konsumkultur begreifen.
Bisher habe ich analysiert, was schiefläuft oder nicht hilft, und mich des Privilegs der Schwarzmalerei bedient, hinter dem es sich Wissenschaftler und Journalistinnen manchmal etwas zu bequem machen. Aber nur wer richtige Fragen stellt und die Wirklichkeit genau beobachtet und beschreibt, vermag richtige Schlüsse zu ziehen. Auch wenn er so manchmal zur Kassandra wird, wie Andreas Reckwitz im August 2023 im Handelsblatt. Ohne wachsenden Wohlstand drohe westlichen Demokratien die Implosion, sagte er da (vgl. Jakobs 2023).
Dann ist es wohl höchste Zeit, ein Apfelbäumchen zu pflanzen. Nicht, weil plötzlich Optimismus angebracht wäre. Optimismus, so analysierte Anfang Januar 2024 die Philosophin Susan Neiman in der Zeit mit Verweis auf Immanuel Kant, der am 22. April 2024 seinen 300. Geburtstag gefeiert hätte: »Optimismus ist nicht Hoffnung. Optimismus ist die Verkennung der Tatsachen. Hoffnung zielt darauf, Tatsachen zu ändern.« (Neiman 2024)
5. Ausschau nach rettenden Möglichkeiten
Was also kann gegen die demokratiegefährdende Krise der liberalen Öffentlichkeit helfen? Oder anders gefragt: Wie zivilisiert man die digitale Öffentlichkeit? Ein Patentrezept gibt es nicht. Trauen wir also niemandem, der uns ein solches verkaufen will. Gefordert sind alle Ebenen von Politik und Gesellschaft.
Beginnen wir mit der Politik. Die steht vor der Herausforderung, für die großen digitalen Plattformen nicht nur Regeln zu definieren, sondern diese auch durchzusetzen. Diese Plattformen sitzen in den USA oder in China, agieren weltweit und fühlen sich im Zweifel für die von Ihnen transportierten Inhalte nicht zuständig. Auch die Daten fließen weltweit und liegen meist auf Servern außerhalb Europas. Regeln definieren muss Politik trotzdem, aber damit sie damit ernst genommen wird, sollte das besser zumindest europaweit geschehen. Die EU hat deshalb verschiedene Gesetze beschlossen, 2022 zum Beispiel den »Digital Service Act«. In Gänze ist er Mitte Februar 2024 in Kraft getreten.
Aber wie schwierig es ist, solche Regeln durchzusetzen, zeigt sich z. B., wenn es darum geht, Hass und Fakes zu löschen. Eigentlich sind die Plattformbetreiber verpflichtet, das zu kontrollieren, auf Hinweise zu reagieren und tätig zu werden. Aber was machen sie, wenn die, wie im Fall des russisch dominierten Messenger-Dienstes Telegram, in Malta sitzen und auf rechtliche Verfügungen einfach nicht reagieren? Wenn die Internetriesen mit Beginn der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump sich mit der Macht verbünden und alle Regulierungen bekämpfen oder ignorieren? Wenn, wie im Fall Twitter, das jetzt X heißt, der Besitzer Elon Musk selbst Hass und Fake News verbreitet? X, so beschreiben es Insider, sei ein ungemütlicher, unwirtlicher Ort geworden (vgl. z. B. Kühl 2023; o.V. 2023b; Cohen 2023). Aber er ist ein zentraler Marktplatz für die Kommunikation zwischen Politik und professionellen Medien.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Primat der Politik und der Herrschaft des Rechts auf der einen und der Unverfrorenheit libertärer Turbokapitalisten auf der anderen Seite könnte man interessiert verfolgen, wenn sie nicht das Potential hätte, der rechtsstaatlichen Demokratie den Garaus zu machen. Wobei die Frontlinien nicht immer so eindeutig sind, wie wir z. B. im Ringen um Regeln für künstliche Intelligenz in Europa gesehen haben. Es geht schließlich auch um Milliardenmärkte und drohende Abhängigkeiten von China und den USA. Politik und Recht stehen also vor schwierigsten Abwägungen und Auseinandersetzungen. Als Gesellschaft sollten wir die beiden mit ihrer Verantwortung nicht allein lassen. Die Gesellschaft muss als Ganze ihre mediale Pubertät überwinden und erwachsen werden. Und dabei ist jeder und jede auch persönlich gefordert.
Helfen könnte dabei die Bildung. Wir leben heute in den Medien und können sie – vielleicht – bedienen, aber wir beherrschen sie nicht. Wir müssen unseren Kindern und Enkeln nicht erklären, wie die Technik funktioniert. Da sind sie uns längst überlegen. Was fehlt ist Medienbildung. Sie müsste in der Ausbildung von Erzieher*innen und Lehrer*innen beginnen, eine massive Aufrüstung von Technik und Personal in den Schulen umfassen und den kritischen Umgang mit Chancen und Risiken zum Querschnittsthema im Unterricht machen. Das weiß man seit langem in den Ministerien von Bund und Ländern. Geschehen ist erschreckend wenig. Wir diskutieren noch über Basisfragen, aber mit der rasanten Entwicklung von KI-Anwendungen rollt schon die nächste Riesenwelle auf uns zu.
Was muss sich in den Medien ändern? Nichts weniger als die Grundeinstellung. Medien, die sich als Instrument der Konsumkultur verstehen, sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Sie müssen politischer werden, auch um Politik zwingen zu können, seriöser zu werden. Aufmerksamkeit verdient nicht der, der am lautesten Skandal schreit, sondern der, der sich der Komplexität der Herausforderungen stellt und zumindest versucht, sie zu verstehen und zu erklären. So betrachtet waren die Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz – Habecks Heizungshammer –, aber auch die um das Verfassungsgerichtsurteil zur Schuldenbremse Tiefpunkte des öffentlichen Diskurses.
Medien müssen auch wieder lokaler werden. Demokratie lebt von unten. Und wer Demokratie will, muss sie leben. Ein wesentlicher Grund für den Niedergang der Volksparteien ist, dass sie ihre lokale Basis verloren haben. Sie sind zu anonymen Unternehmen geworden, die mehr von Politikberatern oder Meinungsumfragen beeinflusst werden als von einem lebendigen Austausch mit ihrer Basis wenn sie denn überhaupt noch eine haben.
Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich aktuell bei den Regionalzeitungen, die über Jahrzehnte ein wichtiger Stabilisator der Demokratie waren. Ihrer Funktion als Agora der Demokratie beraubt, fristen sie vielfach ein Dasein als Empörer und Unterhalter. Das Lokale war immer Lernort der Demokratie. Wenn Lokaljournalismus schwindet, und das tut er, auch wenn uns das Marketing anderes glauben machen will, dann schadet das der Demokratie. Medien müssen deshalb wieder Informant, Diskussionsplattform und gesuchter Nachbar werden. Aber wie?
Wenn richtig ist, dass moderne Gesellschaften sich schwertun, mit Verlusten umzugehen, und dass Gesellschaften wie die unsrige wahrscheinlich in den kommenden Jahren eher nicht mit einer Steigerung ihres Wohlstands rechnen können, zumindest nicht in ihrer Breite, dann leidet diese Gesellschaft nicht zuletzt am Verlust einer positiven Perspektive.
Konstruktiver Journalismus ist deshalb folgerichtig eine Antwort aus der Branche. Diesen Ansatz aber als Aufforderung zur Schönfärberei misszuverstehen, wäre fatal. Er ist eher eine Rückbesinnung auf lange vernachlässigte Wurzeln. Journalismus sollte nicht nur das Negative suchen und das Problem oder das Versagen beschreiben, sondern die Herausforderungen in ihrer Komplexität darstellen und sich an der Suche nach Lösungen beteiligen. Oder nach Beispielen des Gelingens.
Andere Antwortspuren finden sich in den USA, die viele Entwicklungen oft Jahre früher durchleben als Europa. Man kann dort unsere Zukunft beobachten und könnte so auch manche Fehlentwicklungen vermeiden. Was leider selten gelingt. In den USA gibt es mittlerweile weite Landstriche ohne professionelle lokale Medien. Aber während Medienunternehmen immer mehr Personal abbauen, erhöhen dort mittlerweile namhafte Stiftungen ihre Ausgaben für Regionalnachrichten.
In Ohio zum Beispiel hat sich so eine Initiative namens Cleveland Documenters gegründet. Sie zahlt geringe Honorare an etwa 600 Clevelander – keine erfahrenen Reporter:innen, sondern neugierige Bürgerinnen und Bürger, damit die sich bei lokalen Regierungssitzungen Notizen machen. Diese werden dann online veröffentlicht. Sie nennen es nicht Journalismus, sondern Information. Den fördernden Stiftungen geht es nicht um Journalismus um des Journalismus willen, sondern in erster Linie darum, die Wahlbeteiligung zu verbessern. Untersuchungen zeigen, dass die (und andere Formen des bürgerlichen Engagements) sinkt, wenn die Menschen das Gefühl haben, nicht genügend Informationen zu erhalten. Aus dieser Initiative ist mittlerweile nicht nur ein Netzwerk in anderen Städten entstanden, daraus hat sich auch eine vollwertige Nachrichtenredaktion entwickelt, die rund 25 Journalist*innen beschäftigt und vier »Community-Zuhörer«. Die sammeln Ideen für Geschichten aus einem Viertel, in dem zwei Drittel der Einwohner in Armut leben.
In Indianapolis soll ein ähnliches Projekt gestartet werden. Bevor Stiftungen ihre Förderung zusagten, wurden 1137 Menschen in 79 der 90 Bezirke der Stadt ausführlich befragt. Am häufigsten angesprochen wurde nicht der Wunsch nach ausführlicher Berichterstattung über die Fehler und Skandale der Regierung, sondern der Wunsch zu erfahren, was in ihrem Ort geschieht. Gerry Lanosga, Direktor des Instituts für Journalistik an der Universität von Indiana, bringt das auf den Punkt: »Eine Möglichkeit, den Bedarf an investigativen Berichten über Korruption in der Regierung zu vermeiden, ist eine reguläre Berichterstattung.« (zit. n. Greenwell 2023)
Unsere Urahnen hätten das kaum besser formulieren können, als sie die Pressefreiheit erkämpften. Wir sollten sie und die Demokratie nicht verspielen.
Über den Autor
Thomas Hauser (*1954) war 40 Jahre Redakteur bei der Badischen Zeitung in Freiburg, davon 15 Jahre als Chefredakteur und drei Jahre als Herausgeber des Blattes. Heute ist er Buchautor und lehrt gelegentlich an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Literatur
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Cohen, Julia (2023): Analysis finds hate speech has significantly increased on Twitter. phys.org, 24.4.2023. https://phys.org/news/2023-04-analysis-speech-significantly-twitter.html (26.11.2024).
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Fussnoten
1 Die Meldung nimmt Bezug auf Kleist u. a. 2023.
2 Der Satz fiel nach unterschiedlichen Medienberichten – u. a. spiegel.de, tagesthemen.de – übereinstimmend bei einer Rede vor Studierenden in Freiburg. Allerdings ist es wie bei vielen geläufigen Zitaten schwierig einzuschätzen, ob sich da nicht verschiedene Quellen gegenseitig stützen und wie der genaue Wortlaut war.
3 Hubert Burda hat das bei der Digital-Life-Design-Konferenz in München 2009 gesagt und sich ein Jahr später in seiner Eröffnungsrede bei derselben Veranstaltung noch einmal darauf bezogen.
4 In einer Sendung von Extra 3 im ARD-TV. Wer das Wort geprägt hat, ist schwer zu ermitteln. Es gibt z. B. auch einen Song von Aut of Orda auf Youtube mit dem Titel Das Empörium schlägt zurück. https://www.youtube.com/watch?v=HY54yN_mlhs (25.11.2024)
5 Das komplette Zitat lautet: »Wir leben in einer Phase der mentalen Pubertät im Umgang mit neuen Möglichkeiten, erschüttert von Wachstumsschmerzen der Medienrevolution, denen wir mit konzeptioneller Klugheit begegnen müssen.« In Interviews spricht Pörksen von einem »Zeitalter der digitalen Pubertät«, z. B. im Gespräch mit Marie-Christine Werner in SWR 2 am 19.10.2019.
6 Das komplette Zitat lautet: »Im Augenblick gibt es ja eine richtige Machtverschiebung zwischen denen, die Nachrichten verbreiten, und denen, die Nachrichten erzeugen. Und zwar zugunsten derer, die die Nachrichten erzeugen. Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne. Sie können heute über Ihre eigenen Social-Media-Kanäle, über Youtube ein Publikum erreichen, das teilweise die Öffentlich-Rechtlichen, auch die privaten institutionalisierten Medien nicht mehr erreichen. Wenn man das richtig nutzt, wenn man das gut macht, dann haben Sie über diese Kanäle eine Möglichkeit, Ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, Ihre eigene Deutungshoheit auch zu behalten über das, was Sie gesagt haben. In ganz anderer Form, als wir das früher gehabt haben. So, und das ist die gute Nachricht der Digitalisierung.« Das hat Friedrich Merz am 21. Januar 2020 beim AKV-Rittertalk in Aachen gesagt. Es gibt einen Video-Mitschnitt, aber auch zahlreiche Medienreaktionen und einen Protest des Deutschen Journalistenverbands; vgl. Der Standard, 17.2.2020. https://www.derstandard.at/story/2000114666921/cdu-politiker-friedrich-merz-haelt-herkoemmliche-medien-fuer-verzichtbar (25.11.2020)
7 Zuerst publiziert in: Seeliger, Martin; Sevignani, Sebastian (Hrsg.) (2021): Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit. Sonderband 37 der Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft Leviathan. Baden-Baden: Nomos.
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Zitationsvorschlag
Thomas Hauser: Gefährdeter Journalismus, gefährdete Demokratie. Anmerkungen zur Medienentwicklung in Zeiten der Digitalisierung. In: Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung, 1, 2025, 8. Jg., S. 76-94. DOI: 10.1453/2569-152X-12025-14976-de
ISSN
2569-152X
DOI
https://doi.org/10.1453/2569-152X-12025-14976-de
Erste Online-Veröffentlichung
April 2025