Editorial Ausgabe 1/2025
Liebe Leserinnen und Leser, drei Fragen vorab: In welchem Land werden Bücher in öffentlichen Schulen verboten, weil sie angeblich Moralvorstellungen…
Journalistik. Zeitschrift für Journalismusforschung, 1, 2025, 8. Jg.
Liebe Leserinnen und Leser, drei Fragen vorab: In welchem Land werden Bücher in öffentlichen Schulen verboten, weil sie angeblich Moralvorstellungen…
Von Horst Pöttker | Wir trauern um einen außergewöhnlichen Wissenschaftler, in dessen Lebenslauf sich die Brüche der deutschen Zeitgeschichte und besonders des Universitätsfachs Journalistik abzeichnen.
Von Alfred J. Cotton III und Jeffrey Layne Blevins | Die Ermordung George Floyds durch den Polizeibeamten Derek Chauvin am 25. Mai 2020 führte im Sommer 2020 weltweit zu Protesten. Bereits zwei Monate zuvor war Breonna Taylor bei einem Einsatz des Louisville Metro Police Department durch Polizeischüsse zu Tode gekommen. Der Hashtag #BlackLivesMatter wurde in den sozialen Medien zum Trend und entfachte eine landesweite Bewegung für soziale Gerechtigkeit neu – und das alles zeitgleich zu einer globalen Pandemie. Wir untersuchen in einer kritischen Diskursanalyse, wie Mitglieder der Black-Lives-Matter-Bewegung in Berichten vier US-amerikanischer Zeitungen zitiert, als Quellen genannt oder (mis-)identifiziert wurden.
Von Teodora Trifonova und Joy Jenkins | Untersucht werden die Berufspraktiken von Auslandskorrespondent:innen, die für mitteleuropäische Medien über den Krieg in der Ukraine berichten. Ausführliche Interviews mit Vertreter:innen führender Medienorganisationen in Bulgarien, Rumänien und Ungarn (N = 11) zeigen, dass die Korrespondent:innen den ukrainischen Behörden als Informationsquelle misstrauen und lokalen ukrainischen Fixern skeptisch gegenüberstehen. Sie sehen sich in einem Konflikt zwischen ihren persönlichen Überzeugungen und journalistischen Standards, da sie dem Krieg gegenüber nicht neutral sind, aber versuchen, in ihrer Berichterstattung objektiv zu bleiben. In allen drei Ländern sei der Einfluss Russlands seit Kriegsbeginn spürbar.
Von Roxane Biller, Seraina Cadonau und Marion Frank | Für vielfältige und sensible journalistische Berichterstattung braucht es personelle Diversität in den Redaktionen. Vorangegangene Studien (vgl. u. a. Niggemeier 2018; Hasebrink et al. 2021; Spiller 2018) zeigen die Relevanz der Thematik. Forschungsleitende Frage dieses Beitrages ist, ob die Zusammensetzung von Zeitungsredaktionen so divers ist, dass sie die Bevölkerung widerspiegelt. Dabei stehen die drei Diversitätsmerkmale Geschlecht, Alter und Herkunft im Mittelpunkt. Das Interesse gilt auch den Unterschieden zwischen Zeitungen verschiedener politischer Ausrichtung und zwischen den Ebenen Redaktion und Führungsposition. Insgesamt konnten 1503 Datensätze aus sechs Zeitungsredaktionen überregionaler Publikationen ausgewertet werden, die aus öffentlichen Sekundärdaten in Ergänzung persönlich abgefragter Primärdaten erhoben wurden. Die Auswertung ergibt, dass junge Menschen, Menschen mit Einwanderungsgeschichte und Frauen im deutschen Zeitungsjournalismus unterrepräsentiert sind. Zusammenhänge wurden zwischen der politischen Ausrichtung und der Herkunft der Mitarbeitenden sowie zwischen der Hierarchieebene und der Altersstruktur festgestellt. Folglich sind deutsche Zeitungsredaktionen derzeit nicht ausreichend divers besetzt.
Von Thomas Hauser | Digitalisierung und Ökonomisierung verändern nicht nur den öffentlichen Raum und damit den öffentlichen Diskurs. Alle können heute mit allen kommunizieren. Das ermöglicht theoretisch einen herrschaftsfreien Diskurs, führt aber aktuell eher zu einem babylonischen Medienmix: Fake News, Propaganda und PR stehen gleichrangig neben seriösen Informationen. Viele reden, aber kaum jemand hört zu. Diese Entwicklung unterhöhlt die Geschäftsmodelle klassischer Medien und stürzt den Journalismus in eine Legitimitätskrise. Der Text analysiert diese Entwicklung und benennt die großen Herausforderungen für Medien und Gesellschaft.
Von Fred Vultee | Die US-Wahl 2024 verdeutlicht, welche politische Sprengkraft eine medial erzeugte oder verstärkte Unsicherheit in der Bevölkerung hat – jenes Gefühl also, kulturelle Werte und das soziale Gefüge seien in Gefahr. Dieses Gefühl wird ununterbrochen durch episodische Nachrichten bestärkt, beispielsweise zu den Themen Migration und Kriminalität. Die einzelnen Informationen müssen nicht falsch sein, durch ständige Wiederholung und besondere Sichtbarkeit einzelner Ereignisse entsteht aber das verzerrte Bild eines Landes, das in einem Notstand und nur durch extreme politische Aktionen zu retten sei. In den USA fördern parteiische Medien wie Fox News solche Vorstellungen eines Kulturkampfes.
Von Mandy Tröger und Hendrik Theine | Die zweite Amtszeit von Donald Trump führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Medienlandschaft, der Regulierung digitaler Plattformen und der politischen Einflussnahme von Technologiekonzernen – auch in Europa. Besonders die enge Verbindung zwischen der Trump-Regierung und Akteuren wie Elon Musk verstärkt die Oligarchisierung der US-Politik. Eine Folge ist die gezielte Nutzung digitaler Plattformen zur politischen Einflussnahme. Gleichzeitig könnte sich die US-Technologie- und Medienpolitik gegen europäische Regulierungsmaßnahmen richten. Diese Entwicklungen verdeutlichen die Notwendigkeit der Stärkung unabhängiger Forschung und eines investigativen Journalismus. Dieser Beitrag analysiert die globalen Auswirkungen der Machtverschiebungen in den USA und mögliche Gegenmaßnahmen.
Von Initiative Nachrichtenaufklärung | Die Nichtregierungsorganisation Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. präsentiert gemeinsam mit der Deutschlandfunk-Nachrichtenredaktion jährlich eine Liste mit zehn in den (deutschsprachigen) Medien vernachlässigten Themen. Angestrebt ist, Journalistinnen und Journalisten auf Vernachlässigungen, Agenda Cutting und Desinformationen hinzuweisen und Vorschläge für zum Teil exklusive Themen zur weiteren Bearbeitung zu unterbreiten. Da seit längerer Zeit der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Gaza-Krieg, die US-Wahl sowie die deutsche Regierungskrise inklusive Neuwahlen die Berichterstattung beherrschen und gleichzeitig weltweit Journalistinnen und Journalisten wie auch Whistleblower verfolgt, inhaftiert und sogar getötet werden, ist die Suche nach »Vergessenen Nachrichten« besonders wichtig.
Rezensiert von Gabriele Hooffacker