von Peter Welchering
Abstract: JournalistInnen müssen eine Haltung haben, so wird gefordert. Mitunter wird gar das Ende der Neutralität im Journalismus festgestellt. Auf der anderen Seite wird ihnen genau das vorgeworfen: Nicht mehr zu berichten, was ist, sondern die Wirklichkeit so darzustellen, wie sie sie gerne hätten. Was also soll zählen: Haltung, Fakten oder sogar die Gesinnung? Tatsächlich findet der Gesinnungsjournalismus aus den 1920er Jahren wieder größeres Interesse. Ausgehend vom Tendenzschutz und der verlegerischen bzw. publizistischen Tendenz sowie der historischen Unterscheidung zwischen Geschäftspresse und Gesinnungspresse spürt dieser Beitrag[1] der Entideologisierung der verlegerischen Tendenz nach, die mit einer zunehmenden Forderung nach Wahrnehmung einer journalistischen Haltung einhergeht. Dabei wird Haltung oftmals mit Gesinnung verwechselt. Das führt wiederum zu einer Kritik am Objektivitätsideal des Journalismus, die Haltung auf weltanschaulichen Aktivismus zu verkürzen droht. Deshalb muss die journalistische Arbeitshaltung sich in ihrer Selbstkritik auch immer wieder die Frage nach der Konstitution journalistischer und damit gesellschaftlicher Wirklichkeit stellen. Von dieser Konstitutionsfrage her lässt sich die Aufgabe journalistischer Selbstkritik als Haltung in ihrer erkenntnistheoretischen Dimension genauer fassen und begründet das Objektivitätsideal als Grenzwert. Ausgehend von einer der Husserlschen Phänomenologie verpflichteten Medienkritik wird aufgezeigt, wie die Haltungsdiskussion in eine Gesinnungsfrage wegzugleiten droht und wie wir dieser Gefahr begegnen können.
Über das Verhältnis von Haltung, Gesinnung und Faktendarstellung wird derzeit heftig gestritten. Das Thema hat die gesellschaftliche und die medienpolitische Diskussion in den vergangenen Monaten, sogar während der vergangenen fünf Jahre, ganz massiv bestimmt. Neutralität und Objektivität als Leitidee für die Berichterstattung sollen aufgegeben werden, wird da mitunter gefordert.[2] Auf der anderen Seite wird der »Haltungsjournalismus« kritisiert, der nur noch Meinungsbeiträge hervorbringe und die Faktenlage dabei überhaupt nicht mehr berücksichtige (Bittner 2019).
Wir haben es in dieser Diskussion mit mehreren Fragen zu tun. Und es ist enorm wichtig, diese Fragen deutlich zu unterscheiden und die in diesen Fragekontexten auftauchenden Begriffe klar zu differenzieren.
Zunächst müssen wir in diesem Zusammenhang klären: Wie kam die Tendenz in den Journalismus? »Tendenz« und »Gesinnung« weisen zwar unterschiedliche Zusammenhänge auf, müssen aber sauber voneinander getrennt werden, obschon dies in der aktuellen Diskussion zu selten gemacht wird. Danach muss es um die Frage gehen: Wo und warum haben wir Gesinnungsjournalismus beobachten können?
Tendenz und Journalismus
Ganz wesentlich ist in dem Zusammenhang dann die Klärung, was das Ganze mit journalistischer Haltung zu tun hat. Dabei muss deutlich zwischen der Gesinnung des Journalisten und einer journalistischen Haltung unterschieden werden. Denn allzu oft verläuft die Frontlinie der Diskussion hier in einem üblen Zickzack.
Wenn wir klären wollen, wie Tendenz in den bundesdeutschen Journalismus kam, dann haben wir es unter anderem mit den Alliierten zu tun. Zwar wurde die Tendenzschutzbestimmung bereits in der Weimarer Republik eingeführt[3], doch ist die Tendenz-Situation unserer Tage im Wesentlichen durch das Betriebsverfassungsgesetz aus dem Jahre 1972 bestimmt. Das Betriebsverfassungsgesetz wiederum wurde unter Berücksichtigung der Tendenzschutzpraxis im Rahmen der Vergabe von Presselizenzen verabschiedet, die die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 1945 also, ins Werk gesetzt haben.
In der frühen Phase »entschied sich die Information Control für eine relativ große Zahl von Herausgebern unterschiedlicher politischer Einstellung« (Welsch 2002:42). Damit wollten zumindest die britischen und amerikanischen Militärbehörden sicherstellen, dass Tageszeitungen, Nachrichtenmagazine oder Zeitschriften von möglichst unbelasteten Verlegern herausgegeben werden, und dass durch die Vergabe von Lizenzen an ein Verlegerkollegium, dessen Mitglieder von sehr unterschiedlicher politischer Couleur waren, auch die verschiedenen politischen Tendenzen in der Presse zu Wort kommen. Doch rasch änderte sich diese Lizenzvergabepraxis, »da sich mehrere Lizentiaten häufig nicht zur kollegialen Zusammenarbeit entschließen konnten« (Welsch 2002: 43).
Meinungsvielfalt und Tendenzschutz
Daraus entwickelte sich des Öfteren, wie etwa in Frankfurt am Main, eine Lizenzierungspraxis, bei der dann neben einer Zeitung mit klarer linker Tendenz wie der Frankfurter Rundschau auch eine Zeitung mit rechter (in diesem Fall der CDU und der katholischen Kirche zugeneigter) Tendenz eine Lizenz erhielt (vgl. Welsch 2002: 103-107). Diese sollten zwar nicht als Parteizeitungen auftreten, aber durchaus ihre weltanschauliche Tendenz pflegen.
So stellt der – allerdings nach Aufhebung der Lizenzpflicht im Jahre 1949 erstellte – 7. Bericht über Deutschland des Amerikanischen Hochkommissars für Deutschland, 1. April – 30. Juni 1951, fest: »Nur wenige dieser Zeitungen sind das direkte Sprachrohr irgendeiner politischen Partei vergleichbar den Blättern, die das Zeitungswesen zur Zeit der Weimarer Republik beherrschten. Trotzdem stehen natürlich viele von ihnen in ihren Kommentaren der einen oder anderen maßgebenden politischen Gruppe nahe. Diese Art politischer Tendenz ist besonders für die wichtigsten Zeitungen der britischen Zone charakteristisch, in der abweichend von der in der französischen und amerikanischen Zone getroffenen Regelung anfangs sowohl politische Gruppen als auch Einzelpersonen eine Zeitungslizenz von der Militärregierung erhalten konnten« (Office of the US High Commissioner for Germany 1951: 74).
Der Tendenzschutz wurde zwar von den Alliierten nicht direkt kodifiziert – so verzichtete auch das Gesetz Nr. 22 des Kontrollrates der Alliierten im Jahr 1946 (Betriebsrätegesetz) auf eine entsprechende Tendenzschutzklausel (vgl. Wienert 1981:35) –, als Indiz einer Tendenzschutzpraxis dürfen jedoch die ab 1946 geänderte Praxis der Lizenzvergabe an nur ein oder zwei Lizenzträger mit entsprechender Abgrenzung der politischen Tendenz und nicht mehr an ein Kollegium gesehen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Forderung einer antifaschistischen und später antikommunistischen Tendenz. Ob diese Praxis Ergebnis einer strategischen Überlegung der Alliierten war oder als Reaktion auf die Politik deutscher Verleger zu sehen ist, die durchaus an die Tradition des Gesinnungsjournalismus der 1920er Jahre anschließen wollten, kann letztlich nicht geklärt werden.
Der faktische Tendenzschutz der britischen und amerikanischen Kontrollbehörden hatte Auswirkungen auf die spätere Tendenzschutzpraxis und -gesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland. So gelangte der Tendenzschutz später in das Betriebsverfassungsgesetz. Praktischerweise konnte bereits die Adenauer-Regierung damit bestimmte Betriebe teilweise aus der Mitbestimmung, die erkämpft worden war, wieder herausnehmen. Die nachfolgenden Bundesregierungen haben das gern weitergeführt. Kein Wunder, dass das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 in dieser Frage ausgesprochen kontrovers diskutiert wurde.
Verlegerschutz im Betriebsverfassungsgesetz
So regelt noch heute der Paragraph 118 des Betriebsverfassungsgesetzes, dass genau dieses Betriebsverfassungsgesetz in sogenannten Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften in Teilen nicht gilt.
Auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend
1. politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder
2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Abs 1 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, dienen, finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung, soweit die Eigenart des Unternehmens oder Betriebs dem entgegensteht.
Das heißt also: Durch den Tendenzschutz im Betriebsverfassungsgesetz werden die Verlage nach wie vor geschützt. Die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Mitwirkung von Gewerkschaften werden erheblich eingeschränkt. Dass dieser Tendenzschutz abgeschafft werden solle, haben natürlich die Gewerkschaften immer wieder gefordert. Dem wurde entgegengehalten, dass es selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diese Tendenzen geben müsse. Da sollten sie allerdings einer gewissen Binnenpluralität unterliegen.
Das ist der Hintergrund, vor dem wir die gegenwärtige Situation sehen müssen. Wir sind aktuell mit Forderungen konfrontiert, dass JournalistInnen eine Haltung haben müssten. Zugleich müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass inzwischen diese Haltung dann häufig nicht von einer politischen Gesinnung unterschieden wird, mitunter werden die beiden Begriffe auch schlicht verwechselt.
Gleichzeitig haben sich aber die großen Zeitungen gesellschaftlich gesehen so stark angenähert, dass man doch eigentlich von einer Auflösung der klassischen verlegerischen Tendenz sprechen kann. Der Tendenzschutz ist – so gesehen – eigentlich nur noch ein Herrschaftsinstrument, um die Mitbestimmung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Medienbetrieben ein Stück weit abzuwehren.
Entideologisierung und Gesinnung
Das ist natürlich eine ganz bemerkenswerte Diskussion. Schauen wir uns hier zunächst die Auflösung der klassischen journalistischen Tendenz in der Presselandschaft an. In diesem Zusammenhang hat Dietrich Krauß in einem ziemlich bemerkenswerten Beitrag festgestellt:
Diese an sich begrüßenswerte Entideologisierung hat ihren Preis: Die Verengung und Homogenisierung der veröffentlichten Meinung – oft mit starker Nähe zur Perspektive der politischen Eliten. Das stabilisiert ein elitäres Weltbild und führt zu einer Berichterstattung, die mit den Lebenswirklichkeiten breiter Bevölkerungskreise immer weniger zu tun hat. (Krauß 2019: 69)
Das heißt, wer heute taz und FAZ liest, spürt mitunter gar nicht mehr, dass die sich in der Darstellung eines bestimmten Ereignisses stark voneinander unterscheiden. Beispielsweise wurde das zu Beginn der Corona-Krise sehr intensiv von Menschen erlebt, die urteilten, die Berichterstattung sei stark an die Regierungslinie angeschlossen worden. Da habe eigentlich überhaupt keine Kritik an der Regierungslinie oder einzelnen Maßnahmen stattgefunden.
Geschäftspresse und Gesinnungspresse
Das ist dann später ein wenig aufgelöst worden. Aber diese Kritik, die zum Teil auch ihre Berechtigung hat, ist immer noch in der Diskussion. Ich denke, hier ist in der Corona-Krise eine Entwicklung deutlich geworden, gleichsam wie unter einer Lupe, die wir schon seit einigen Jahren haben. Was diese Kritik mit der Diskussion um die Gesinnung und Haltung von Journalisten und Journalistinnen zu tun hat, müssen wir noch genauer betrachten. Allerdings ist für die Einordnung eine historische Unterscheidung nötig, nämlich die zwischen Geschäftspresse und Gesinnungspresse, die in den 1890er Jahren besonders stark betont wurde.
Die Geschäftspresse gründete sich nämlich in dieser Zeit, weil sie wirtschaftlich relevante Fakten darstellen wollte, zum Beispiel eine bestimmte technische Entwicklung. Diese Entwicklung sollte möglichst ohne großartige, unter Umständen dahinterliegende Ideologie dargestellt werden. Sie sollte so dargestellt werden, dass jeder Leser (und damals tatsächlich nur in seltenen Fällen jede Leserin) im Wirtschaftsprozess agil sein kann, dort eingreifen kann, weil er/sie eben über alle Informationen verfügt, die für diesen wirtschaftlichen Prozess und für die entsprechenden geschäftlichen unternehmerischen Entscheidungen notwendig sind.
Verleger derartiger Zeitschriften bzw. Zeitungen – in erster Linie handelte es sich um Zeitungen –, haben sich, um sich von der Gesinnungspresse, die eine gesellschaftliche oder politische Position vertreten hat, abzusetzen, eben Geschäftspresse genannt. Das ist eine sehr interessante Abgrenzung, die auch zum Teil damit verbunden war, dass man der Gesinnungspresse einfach nicht mehr zutraute, die Probleme der Zeit sachadäquat darzustellen (vgl. Löbl 1903, Brunhuber 1907).
Forderung nach journalistischer Haltung
Heute wird gefordert, JournalistInnen bräuchten eine Haltung. JournalistInnen ohne Haltung könnten eigentlich gar nicht mehr richtig arbeiten. Es komme viel stärker als auf Fakten auf diese Haltung der JournalistInnen an.
Das wird teilweise sehr problematisch gesehen. Aber dahinter steckt in der Tat eine ausgesprochen wichtige Frage: Was muss ein(e) JournalstIn an ethischer Reflexion, zum Teil auch an aus der ethischen Reflexion abgeleiteten moralischen Orientierungen mitbringen, um in diesem Beruf arbeiten zu können?
Hier wird also nach einer journalistischen Haltung gefragt. Und da haben wir in erster Linie die Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit. Denn ohne eine Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit kann ich journalistisch nicht erfolgreich arbeiten. Dann bin ich vielleicht ein(e) Gesinnungsjournalist(in), der/die eine bestimmte Position vertritt. Dann bin ich vielleicht eine Fachkraft für Public Relations, die eine bestimmte Auftragskommunikation zu erledigen hat und mit dieser Auftragskommunikation eine Positionierung vertreten muss.
Diese Verpflichtung auf Wahrhaftigkeit unterscheidet JournalistInnen von anderen Kommunikationsfachkräften, die in der Propaganda oder in der PR arbeiten. Public Relations ist eben nicht eine Spielart des Journalismus, sondern Auftragskommunikation, also etwas ganz anderes.
Ergebnisoffene Recherchen
Wer journalistisch sauber arbeitet, muss zudem immer ergebnisoffen recherchieren. Zu Beginn eines Rechercheprozesses habe ich natürlich oft eine Arbeitshypothese. Mit dieser Arbeitshypothese gehe ich an die Recherchen heran und kläre, welche InterviewpartnerInnen ich brauche, welche ExpertInnen ich befragen, welche Quellen ich mir erschließen muss. Im Laufe der Recherche muss ich dann eben auch diese Arbeitshypothese immer wieder anpassen oder neu aufstellen, zum Beispiel weil die befragten ExpertInnen ihr widersprechen oder weil die Quellenlage darauf hindeutet.
Wir hatten das vor einiger Zeit. Ich habe mit einem Kollegen über die Digitalisierung in der Landwirtschaft recherchiert (Rähm/Welchering 2019). Die Arbeitshypothese, von der wir ausgegangen sind, war recht schlicht: Fünf oder sechs große Firmen wollen die Digitalisierung in die Landwirtschaft bringen und machen das erfolgreich. Und damit schaffen sie neue Monopole. Soweit die Arbeitshypothese.
Im Laufe der Recherchen stellte sich nun aber heraus, dass die so skizzierte Entwicklung nur am Anfang der Projekte zur Digitalisierung in der Landwirtschaft stattgefunden hatte. Da haben einige große Unternehmen tatsächlich versucht, ein Oligopol aufzubauen, die waren an einem Monopol interessiert. Aber als dann immer mehr auch kleinere Genossenschaften und Maschinenringe erkannt haben, dass sie sich dem Werben dieser Monopolisten, dieser an einem Oligopol interessierten Unternehmen nicht ausliefern dürfen, haben die etwas ziemlich Kluges gemacht. Sie haben nämlich die entsprechenden Strukturen für eine Digitalisierung selbst aufgebaut und als Genossenschaft ihren Mitgliedern weitergereicht, so dass es eine Vielzahl von Digitalisierungsprojekten auf genossenschaftlicher Ebene gab und somit die Monopolisierungsbestrebungen dieser Unternehmen unterlaufen werden konnten.
Unsere erste Arbeitshypothese haben wir also klar falsifiziert. Sie lautete: Da baut sich ein Monopol in der Landwirtschaft auf, weil digitalisiert wird. Aus den dann recherchierten Fakten ergab sich ein anderes Bild: Wir haben es hier mit einer Digitalisierung auf mehreren Ebenen zu tun, die auch sehr stark von Genossenschaften getragen ist. Dadurch ist eben genau diese Monopolisierung in Deutschland weitgehend vermieden worden. Wir haben unsere Arbeitshypothese also im Laufe der Recherche ganz massiv verändert.
Konstitution journalistischer Wirklichkeit
Etwas Drittes sollten JournalistInnen übrigens auch immer tun, wenn sie eine journalistisch überlegte Haltung einnehmen und mit dieser Haltung veröffentlichen und arbeiten wollen: Sie sollten bei ihren Geschichten stets reflektieren, wie denn gesellschaftliche Wirklichkeit hier konstituiert wurde von den unterschiedlichen Menschen, von den unterschiedlichen pressure groups, von den unterschiedlichen Eliten. Genauso muss reflektiert werden, welchen Weltentwurf andere Beteiligte dagegen gesetzt haben, wie es dann zu einem Kompromiss und somit zu einer vermittelten Konstituierung der Wahrnehmung gekommen ist.
Diese Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit, die vor allen Dingen in der Phänomenologie immer wieder sehr stark thematisiert wurde, schlägt sich natürlich nieder auf das, was wir an realistischer Abbildung dieser Wirklichkeit leisten.[4] Denn diese Abbildung ist ein intersubjektiv vermittelter Konstitutionsprozess. Diesen Konstitutionsprozess müssen wir JournalistInnen erhellen und dabei immer folgende Fragen stellen: Wie haben wir denn tatsächlich diesen Prozess der Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit rekonstruiert? Wie haben wir darauf reflektiert? Und welchen Einfluss hatte das auf die journalistische Abbildung, auf das, was wir jetzt lesen, sehen oder hören?
Minderheitsmeinungen sind wichtig
Dabei entspricht es auch in diesem Zusammenhang der reflektierten journalistischen Haltung, Minderheitsmeinungen zuzulassen und ihnen sogar aktiv Raum zu geben. Journalistische Haltung verlangt, nicht nur immer die Mehrheitsmeinung zu vertreten und mit der Mehrheitsmeinung mitzuschwimmen, mit dem sogenannten berühmten Mainstream, sondern eben auch Minderheitsmeinungen mit all ihren Perspektiven, ihren möglichen Perspektivwechseln, in all ihrer Buntheit tatsächlich abzubilden. Und das setzt natürlich den Schutz der Minderheitenmeinung voraus, für die Journalisten und Journalistinnen sehr stark eintreten müssen. Tatsächlich verengt sich der Korridor der medial dargestellten Meinungen (vgl. Gräf/Hennig 2020).
Wir JournalistInnen verpflichten uns zudem, sehr umfassend die Fakten zu prüfen. Das heißt: Wir misstrauen erst einmal jedem und allem. Wir misstrauen dem, was die ExpertInnen, was die PolitikerInnen, was die WissenschaftlerInnen, was die Menschen uns erzählen, und prüfen das alles noch einmal nach. Erst wenn diese Prüfung ergeben hat, dass die genannten und benannten Fakten zumindest nicht falsifiziert werden konnten, dann gehen wir davon aus, dass wir nach dieser Faktenprüfung auch veröffentlichen können.
Aber das können wir dann eben auch nur tun, indem wir sehr unvoreingenommen an die ganze Geschichte herangehen, das heißt an die gesamte Recherche, an die gesamte Arbeit mit einem journalistischen Produkt und eben kein erkenntnisleitendes Interesse haben, das dann einfach in ein Produkt gegossen und im journalistischen Produkt direkt eins zu eins umgesetzt wird.
Unsere Verpflichtung lautet: Ganz unvoreingenommen nehmen wir verschiedene Standpunkte wahr. Unvoreingenommen setzen wir diese Standpunkte in Beziehung zu dem, was wir an Quellen aufgetan haben, zu den Meinungen und Darstellungen der ExpertInnen und anderer InterviewpartnerInnen, und kommen dann zu einer Gesamtbetrachtung.
Objektivitätsideal als Grenzwert
Diese Gesamtbetrachtung sollte eben auch möglichst unterschiedliche Perspektiven auf das aufzeigen, was gerade gesellschaftlich diskutiert wird. Dabei hilft uns das Objektivitätsideal (mit der Betonung auf »Ideal«). Wir berichten natürlich nicht vollkommen objektiv und unvoreingenommen. Wir sind auch niemals neutral. Wir bringen stets unsere gesellschaftliche Positionierung mit ein.
Auch wenn wir von unserer politischen Vorliebe, von unserer politischen Meinung absehen, so wirkt sie sich natürlich auch immer konkret im Alltag aus. Aber indem wir genau darauf reflektieren, indem wir uns noch einmal klarmachen, dass Objektivität als Ideal für unsere Arbeit konstitutiv ist, setzen wir diese Hinsicht als gedankliches Korrektiv ein.
Wir wollen verhindern, dass wir zu stark subjektiv an die Berichterstattung herangehen. Dann können wir genau diesen Perspektivwechsel hinbekommen. Denn das Objektivitätsideal müssen wir natürlich immer an möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen zur Geltung bringen. »Audiatur et altera pars« – immer auch den anderen Teil hören, ist deshalb ein enorm wichtiges Prinzip für unsere Arbeit. Das hat sehr konkrete Auswirkungen: Wir dürfen uns nicht nur auf eine Quelle stützen. Wir dürfen uns auch bei strittigen Themen nicht darauf beschränken nur das einzubringen, was den eigenen Standpunkt bestätigt, sondern auch das, was diesen Standpunkt unter Umständen in Zweifel zieht, in Misskredit bringt, vielleicht sogar, weil es eine andere Faktenlage hat oder auf der anderen Faktenlage aufgebaut ist.
Dovifat und sein Gesinnungsjournalismus
Genau das tun nämlich GesinnungsjournalistInnen nicht. Die reflektierte journalistische Haltung gebietet aber genau das. Deshalb müssen wir Gesinnung und Haltung im Journalismus präzise voneinander unterscheiden. Das aber geschieht nicht immer. Oft wird Gesinnung gefordert und trügerisch für Haltung ausgegeben.
Ein wesentlicher Vertreter des Gesinnungsjournalismus, der auch auf heutige JournalistInnen, Verbandsfunktionäre und Journalismus Lehrende eine gewisse Attraktivität ausübt, ist Emil Dovifat.[5] Dieser Journalismuslehrer ist bereits in den 1920er Jahren sehr aktiv gewesen, er hat in der Weimarer Zeit als Medienmann der Zentrumspartei, als Zentrumspublizist sehr stark die jüngere Journalistengeneration geprägt. 1933 ist er dann auf die Linie der damaligen Machthaber, also auf die der Nationalsozialisten eingeschwenkt. Nach 1949 wiederum hat er sich sehr stark an Adenauer und dessen Christenunions-Regierung gehängt.[6]
Emil Dovifat hat in unserer Zeit offenbar wieder eine gewisse Attraktivität für JournalistInnen entwickeln können, auch in der Journalistenausbildung. Plötzlich taucht der alte Emil mit seinen gesinnungsjournalistischen Prinzipien und Strukturen wieder auf. In der Diskussion über eine Journalistenausbildung, in der auch journalistische Haltung vermittelt wird, beziehen sich einige Protagonisten wieder auf ihn.
Auf dem Weg zum strukturellen Gesinnungsjournalismus
Dovifat ist also wieder ein diskutiertes Thema in der Journalistenausbildung, und zwar keineswegs im Sinne einer kritischen Betrachtung, wie das in den 1980er Jahren der Fall war. Das Journalistenzentrum Herne mit seinem Vorsitzenden, der zugleich Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes ist, bezieht sich auf Dovifat als Vorbild, als gute Tradition, von der man profitieren kann.
Beispielsweise hat das Journalistenzentrum Herne am 15. Februar 2020 sogar auf Twitter damit geworben, in der Tradition Emil Dovifats auszubilden. »Wir bilden Journalistinnen und Journalisten weiter unabhängig und tarifgerecht aus. Seit Januar 2020 gibt es mit @jzherne eine neue Journalistenschule in Herne, die sich in die Tradition der Volontärskurse von Dovifat stellt.«
Daraufhin wurde eine ziemlich intensive Diskussion darüber geführt, welche Tradition von Dovifat denn hier wohl gemeint sei. Und es folgte eine Debatte, ob Gesinnungsjournalismus das sei, was wir gegenwärtig wirklich brauchen. Es gab natürlich eine Diskussion über die NS-Vergangenheit von Emil Dovifat und über die Ansprüche an »Traditionsgeber« für eine moderne JournalistInnenausbildung.
Deutlich kam heraus, wie problematisch es ist, wenn dann der Gesinnungsjournalismus Dovifats als konstitutiv empfunden wird, den dieser nicht nur in der Zeit von 1933 bis 1945 vertreten hat, sondern auch für die Medien und die dort tätigen JournalistInnen in der Bundesrepublik forderte. Wenn man diesen Gesinnungsjournalismus als wichtig für die heutige Zeit in die Diskussion einbringt und als Tradition bezeichnet, auf die man sich in der JournalistInnenausbildung beziehen will, wird das problematisch, wenn das vor der Folie der Diskussion über den Haltungsjournalismus geschieht.
Der Medienforscher Horst Pöttker hat das am 22. Februar 2020 auf WDR 5 als geradezu gefährlich bezeichnet. Er hat allerdings Unwissenheit der Verantwortlichen dahinter vermutet.[7] In der Diskussion über den »Traditionsgeber« Emil Dovifat, nach dem das Journalistenzentrum Herne einen Seminarraum benannt hatte, ist hauptsächlich auf dessen Tätigkeit im Sinne nationalsozialistischer JournalistInnenaus- und -fortbildung in der Zeit von 1933 bis 1945 Bezug genommen worden (vgl. Muscheid 2020a).
Im Zuge dieser Diskussion haben die Verantwortlichen des Journalistenzentrums Herne um den DJV-Bundesvorsitzenden Frank Überall zwar die Widmung des Seminarraumes an Dovifat aufgehoben (vgl. Muscheid 2020b), sich aber vom Gesinnungsjournalismus Dovifats nicht ausreichend distanziert. Im Gegenteil: Einige Indizien sprechen durchaus für einen strukturellen Gesinnungsjournalismus, dem hier nachgegangen wird.
So hat der Vorsitzende des Trägervereins des Journalistenzentrums Herne, Frank Überall, zugleich DJV-Bundesvorsitzender, gegenüber dem WDR am 19. Februar 2020 den am Journalistenzentrum Herne vermittelten Gesinnungsjournalismus wie folgt begründet:
Letztlich beziehen wir uns aber auch nicht auf das ›Lebenswerk‹, sondern auf die objektive Richtungsentscheidung in den 1960er Jahren, eine qualitativ hochwertige und tarifvertraglich mit den Zeitungsverlegern fest vereinbarte Ausbildung von Volontärinnen und Volontären zu organisieren. In diesem Sinne spreche ich persönlich auch lieber von der ›Düsseldorfer‹ Tradition, die dann über Hagen nach herne (sic!) gekommen ist. Die in Teilen der Öffentlichkeit jetzt vorgenommene Zuspitzung auf den Namen Dovifat hat mit der Realität im Journalistenzentrum Herne nichts zu tun: Es geht um die Struktur und nicht um die Person.[8]
Diese Struktur beschreibt Emil Dovifat in seinem Aufsatz »Die Gesinnungen in der Publizistik« im Jahr 1963 sehr ausführlich. Dabei wird die Gesinnung des Journalisten zum »Mittel publizistischer Führung« (Dovifat 1963: 30), die sich »in alle Produktionsphasen« einschalte, und zwar »unabdingbar« (Dovifat 1963: 36). Das hat natürlich weitreichende Folgen für die journalistische Vermittlung: »In dieser Vermittlung spielen technisches und publizistisches Können eine ebenso große Rolle wie die Gesinnungen« (Dovifat 1963: 38). Dovifats Schlussfolgerung lautet deshalb: »Auf die Gesinnung also kommt es an.« (Dovifat 1963: 33)
Das schlägt sich als Struktur auf die JournalistInnenausbildung nieder und wird infolgedessen den journalistischen Alltag mitbestimmen, und zwar letztlich als politische Publizistik, die gesinnungsbestimmt ist (vgl. Dovifat 1963:51).
Gesinnung ist nicht Haltung
Wer aufbauend auf dieser Tradition in unseren heutigen Zeiten Journalismus vermitteln, mit dieser Struktur Journalismus gestalten will, tut dies nicht aus Unwissenheit, sondern macht die klare Vorgabe: JournalistInnen sollen mit ihrer Gesinnung vorangehen und durch die Gesinnung ein Beispiel geben, und zwar im Sinne eines paternalistischen Staates.[9] Das ist natürlich äußerst problematisch!
In der aktuellen Debatte fordern Protagonisten wie Frank Überall und andere Verantwortliche des Journalistenzentrums Herne, die auch gleichzeitig als Funktionäre im Deutschen Journalisten-Verband tätig sind, journalistische Haltung ein, beziehen sich – zumindest für die Journalistenausbildung – dann aber in der Struktur auf die gesinnungsjournalistische Tradition Dovifats. [10]
Deshalb ist es auch so wichtig, journalistische Haltung und die Gesinnung der JournalistInnen deutlich und präzise zu differenzieren. Das hat Claus Richter in seinem Gastbeitrag »Wer predigen will, sollte in die Kirche gehen« auf cicero.de am 28. Juni 2020 auch getan. Er weist darauf hin, dass der neue Journalismus Haltung ins Feld führe, wenn Gesinnung gemeint sei.
Journalistische Haltung als Arbeitseinstellung
Haltung unterliegt Richter zufolge ständiger Prüfung und auch der Selbstkritik, Gesinnung hingegen nicht. Diese Verwechslung von journalistischer Haltung und Gesinnung im Journalismus hat Konsequenzen. Denn wer auf diese Weise Gesinnung und Haltung verwechselt, der oder die will Interessen durchsetzen. Klare politische Interessen.
Wer das tut, will gerade nicht das Resultat ergebnisoffener Recherchen präsentieren, bei denen sich unter Umständen noch einmal im Verlauf der Recherche auch die Arbeitshypothese geändert hat. Wer Gesinnung und Haltung verwechselt, der oder die will ideologisch, gegebenenfalls sogar moralisch verbrämt über gute und schlechte, erwünschte und unerwünschte Inhalte bzw. Positionen entscheiden und Wirklichkeit zum Teil ausblenden, nämlich die Wirklichkeit, die nicht in seine oder ihre Position passt. Er oder sie will moralisch-ideologisch urteilen, statt ethisch zu reflektieren.
Die ethische Reflexion leitet uns dann zwar zu einem moralischen Urteil, aber das ist dann, wenn es gut ethisch reflektiert ist, ideologiefrei. Wer jedoch Gesinnung und Haltung verwechselt, verwechselt das Einordnen von Fakten mit dem Kommentieren von Fakten. Wer das tut, arbeitet meinungsbasiert, nicht faktenbasiert (vgl. Richter 2020). In diesem Zusammenhang liefert Gabriele Krone-Schmalz, für die ARD lange Jahre unter anderem in Moskau unterwegs, eine sehr gute Zusammenfassung: »In letzter Zeit ist viel von ›Haltung‹ die Rede. Man brauche eine Haltung als Journalist, die auch durchscheinen oder gar die Arbeit bestimmen dürfe. Ich bin skeptisch. Wenn Haltung darauf hinausläuft, dass ich mich als Journalist berufen fühle, die Mediennutzer auf den ›richtigen‹ Weg zu führen, dann ist Haltung aus meiner Sicht unprofessionell und im Grunde auch reichlich arrogant.« (Krone-Schmalz 2019: 217)
So sind wir also gut beraten, auf diesem unsicheren Terrain deutlich, präzise und begründet die verlegerische Tendenz, die sich mitunter als journalistische tarnt, die belehrende Haltung des volkspädagogisierenden Journalismus, den strukturellen Gesinnungsjournalismus von der journalistischen Haltung abzugrenzen. Die journalistische Haltung ist etwas ganz anderes als der Gesinnungsjournalismus.
Letzterer ist immer ideologisch bestimmt, teilweise moralisch verbrämt und führt in eine fatale Engführung des Journalismus. Deshalb müssen wir sehr aufpassen, wenn wir von Haltung sprechen und diese sogar für JournalistInnen einfordern, dass wir nicht in einen Gesinnungsjournalismus (womöglich Dovifatscher Prägung) verfallen.
Denn nur wenn wir diese Unterscheidungen sorgfältig treffen, kann es uns auch gelingen, faktenbasiert zu berichten und unseren Aufgaben als Journalistin, als Journalist auch gerecht zu werden – unvoreingenommen und der Wahrhaftigkeit verpflichtet und dabei die eigene Berichterstattung auf ihre Konstitutionsbedingungen reflektierend.
Über den Autor
Peter Welchering (*1960) arbeitet seit 1983 als Wissenschaftsjournalist für Radio, Fernsehen und Print. Er ist zertifizierter Trainer im Journalismus (KfJ) und hat viele Volontäre ausgebildet. Er lehrt Online/Offline-Investigation an der Merz-Akademie in Stuttgart und unterrichtet »Recherche« und »Digitale Formate« an Journalistenschulen. Er hat Philosophie studiert und meint, dass ihm das dort erworbene Rüstzeug seiner journalistischen Arbeit an der Schnittstelle von Informationstechnik und Politik durchaus hilft. Für die Fortentwicklung des Journalismus stellt er eine eher düstere Prognose. Kontakt: peter@welchering.de
Literatur
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Brunhuber, Robert (1907): Das moderne Zeitungswesen. Leipzig: Göschen.
Dovifat, Emil (1963): Die Gesinnungen in der Publizistik. In: Feldmann, Erich; Meier, Ernst (Hrsg): Film und Fernsehen im Spiegel der Wissenschaft. Gütersloh: Bertelsmann, S. 25-41.
Dovifat, Emil (1976): Zeitungslehre I und II, hrsg. von Jürgen Wilke (6. Aufl.). Berlin, New York: Göschen.
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Oehmke, Philipp (2020): Die Zeit der Neutralität ist vorbei. In: Spiegel.de, 11.6.2020. https://www.spiegel.de/kultur/new-york-times-die-zeit-der-neutralitaet-ist-vorbei-a-5ccaa4e4-eca2-4a2e-b2d7-22e6a484f8ce (6.9.2020)
Office of the US High Commisioner for Germany (1951): 7. Bericht über Deutschland des Amerikanischen Hochkommissars für Deutschland, 1. April – 30. Juni 1951. https://books.google.de/books?id=UxwUAAAAIAAJ&lpg=PA74&ots=SNydnfN-on&dq=Zeitungslizenz%20Alliierte%20Tendenz&hl=de&pg=PA74&ci=105%2C74%2C844%2C1264&source=bookclip (2.10.2020)
Rähm, Jan; Welchering, Peter (2019): Daten säen, Daten ernten. Wissenschaft im Brennpunkt, In: DLF, 10.11.2019 https://www.deutschlandfunk.de/digitalisierung-der-landwirtschaft-daten-saeen-daten-ernten.740.de.html?dram:article_id=462957 (7.9.2020)
Richter, Claus (2020): Wer predigen will, sollte in die Kirche gehen. In: Cicero.de, 28. 6.2020. https://www.cicero.de/kultur/journalismus-haltung-gesinnung-glaubwuerdigkeit (6.9.2020)
Schneickert, Christian (2013): Die Wurzeln von Bourdieus Habituskonzept in der Phänomenologie Edmund Husserls. In: Lender, Alexander; Schneickert, Christian; Schumacher, Florian (Hrsg): Pierre Bourdieus Konzeption des Habitus. Wiesbaden: Springer VS, S. 75-89.
Schulze, Volker (1981): Tendenzschutz. In: Koszyk, Kurt; Pruys, Karl Hugo (Hrsg): Handbuch der Massenkommunikation. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, S. 310-312.
Tröger, Mandy (2020): Journalismus in Corona-Zeiten: Eine Kritik der Kritik. In: Michael Meyen (Hrsg.): Medienrealität 2020. https://medienblog.hypotheses.org/9371 (7.9.2020)
Welchering, Peter (2011): Wissenschaft als Grenzwert. Die noematische Phänomenologie in ihrer wissenschaftsbegründenden Funktion. München: AVM.
Welchering, Peter (2020): Was »Neutralität im Journalismus« heißt – Eine Entgegnung auf Philipp Oehmke. https://www.youtube.com/watch?v=WIEE8zy5PQ0 (6.7.2020)
Welsch, Eva-Juliana (2002): Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen. Inauguraldissertation zur Erlangung des Doktorgrades in der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Dortmund.
Wienert, Johannes (1981): Tendenzschutz und Pressefreiheit. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde einer Hohen Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln.
Fussnoten
1 Eine inhaltlich leicht anders ausgerichtete Vorabversion erschien am 11.9.2020 auf www.riffreporter.de.
2 Vgl. Oehmke 2020; meine Antwort im Video darauf: Welchering 2020 sowie Gathmann 2020.
3 Die verfassungsgebende Versammlung hatte im Jahr 1919 ausgeführt, »daß politisch anders gesinnte Arbeitnehmer niemals für das wirtschaftliche Gedeihen eines Unternehmens eintreten könnten, dessen politische Richtung sie bekämpfen« (Ausschussbericht vom 18. Dezember 1919, Drucksache der verfassunggebenden Nationalversammlung Nr. 1838, zit. nach: Schulze 1981: 311).
4 Vgl. Schneickert 2013, zur erkenntnistheoretischen Einordnung der Frage nach »intentional konstituierten Bezugsgegenständen«, als welche auch journalistische Produkte eingeordnet werden müssen, vgl. Welchering 2011: 29f.
5 Dovifats Zeitungslehre gilt noch immer als Standardwerk und wird in jüngerer Zeit ohne kritische Distanz zu dem auch hier zu Tage tretenden Gesinnungsjournalismus als Grundlage für die Volontärsausbildung verwendet, vgl. Dovifat 1976.
6 Siehe dazu: Köhler 1995, Kapitel 2: Große Kunst der Camouflage – Ein Zeitungswissenschaftler im Wechsel seiner Auflagen: Emil Dovifat, S. 58-88.
7 Siehe: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-toene-texte-bilder/audio-zeit-im-osten—falsche-vorbilder—das-medienmagazin-100.html (6.9.2020)
8 Mail von Frank Überall an den Autor des Beitrages »Journalistenzentrum hat falsche Vorbilder« auf WDR 5 vom 19. Februar 2020.
9 Vgl. dazu: Hachmeister 1987, insbesondere: Kapitel VI: Publizistik als normative Elitetheorie
10 In der oben zitierten Mail Überalls an den Autor des Beitrages »Journalistenzentrum hat falsche Vorbilder« auf WDR 5 vom 19. Februar 2020 wird das für die Journalistenausbildung sehr deutlich, die gesinnungsjournalistische Tendenz reicht aber über den Bereich der Journalistenausbildung hinaus.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Kritik Überalls an BürgerInnen, die die Deutungsangebote der Medien ablehnen würden, weil sie selbst Deutungshoheit beanspruchten. So vorgetragen auf dem Campfire-Festival am 31. August 2020 vor dem Düsseldorfer Landtag, vgl.: https://journal-nrw.de/gesellschaftliche-debatten-und-nutzwertiges-wissen/ (5.9.2020). Auch Überalls am 3. Mai 2020 in der Tagesschau vorgetragene Forderung auf Kritikverzicht an Regierungsmaßnahmen in der Corona-Krise geht in diese Richtung eines strukturellen paternalistischen Gesinnungsjournalismus, begründet er diese Forderung auf Kritikverzicht doch mit dem berühmten Ausnahmezustand, denn »in Notsituationen geht es eben erstmal darum, die Informationen zusammenzutragen, aufzubereiten und an die Öffentlichkeit auszuliefern«. Nach Krüger 2020. So lässt sich auch Überalls Einschätzung, Public Relations sei eine Spielart des Journalismus, die er gegenüber dem NDR-Medienmagazin Zapp erklärte (vgl.: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Eine-Gratwanderung-PR-oder-Journalismus,journalismus144.html), einordnen. PR als Auftragskommunikation unterscheidet sich natürlich nicht mehr wesentlich von einem strukturellen Gesinnungsjournalismus, der Journalismus eben auch als Auftragskommunikation (heißt bei Dovifat »Mittel publizistischer Führung«) begreift.
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Zitationsvorschlag
Peter Welchering: Gesinnung oder Haltung. Klärung in einer journalistischen Werte- und Erkenntnisdebatte. In: Journalistik, 3, 2020, 3. Jg., S. 234-249. DOI: 10.1453/2569-152X-32020-10980-de
ISSN
2569-152X
DOI
https://doi.org/10.1453/2569-152X-32020-10980-de
Erste Online-Veröffentlichung
Dezember 2020
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