Inhaltsverzeichnis
Aufsätze
Der Weg zur Versöhnung Wie Leser:innen auf die Entschuldigungen von sieben Zeitungen für ihre rassistische Berichterstattung reagieren
Von Anna E. Lindner, Michael Fuhlhage, Keena Shante Neal und Kirby Phillips | Im Zuge der »Abrechnung mit dem Rassismus« im Jahr 2020 entschuldigten sich viele Institutionen für ihre Mitschuld am systemischen Rassismus. Die Nachrichtenbranche bildete da keine Ausnahme. Dieser Beitrag untersucht die Entschuldigungen der Zeitung Montgomery Advertiser, die sich bereits zwei Jahre vor dem Jahr der »Abrechnung« entschuldigte, sowie die sechs weiterer Blätter, die zwischen 2020 und heute Entschuldigungen veröffentlichten: Los Angeles Times; Kansas City Star; Baltimore Sun; Philadelphia Inquirer; Seattle Times; and Oregonian. Die vorliegende Studie untersucht die Entschuldigungen dieser Publikationen für ihre rassistische und andere problematische Berichterstattung unter dem Blickwinkel der christlichen Grundsätze der Versöhnung. Deren Ziel ist, vergangenes Unrecht auf den Tisch zu bringen und die Beziehungen zwischen Tätern und Geschädigten wiederherzustellen. Darüber hinaus untersuchen wir, wie die Öffentlichkeit auf diese Erklärungen und Entschuldigungen reagiert hat. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Meinungsäußerungen in öffentlichen Foren, insbesondere von People of Color jener Gemeinschaften, die durch diese Medien geschädigt wurden; von Journalist:innen, die selbst Minderheiten angehören, Redaktionsmitgliedern und anderen an der Berichterstattung Beteiligten sowie von prominenten Vordenker:innen zum Thema Rassismus. Die Analyse der breitgefächerten Reaktionen auf die Entschuldigungen zeigt, welches Meinungsbild in den durch Rassismus geschädigten Gemeinschaften vorherrscht und welche künftigen Schritte hin zu einer gerechteren und faireren Berichterstattung möglich sind.
Gehaltlose Kritik Wie Journalismus Überwachungstechnologien fördert
Von Robert W. McMahon | Konsumgüter mit Überwachungsfunktionen verbreiten sich immer mehr, während zugleich der Journalismus unter stetig stärker werdenden wirtschaftlichen Druck gerät. Daraus ist ein fruchtbarer Boden entstanden, in dem Überwachungskapitalismus gedeiht und Journalismus zu seinem Erfüllungsgehilfen wird. Wie die Untersuchung eines Korpus mit journalistischen Texten nahelegt, lässt sich diese Komplizenschaft an einem Berichterstattungsstil erkennen, den wir hier als »gehaltlose Kritik« konzipieren.
Frauen an Fakultäten für Journalismus und Massenkommunikation Wie ergeht es Nachwuchswissenschaftlerinnen in der akademischen Welt der USA?
Von Lillian Lodge Kopenhaver, Dorothy Bland und Lillian Abreu | Frauen machen mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung aus und stellen heute zwei Drittel der Absolvent*innen von kommunikationswissenschaftlichen Fakultäten an Hochschulen (York 2017). Dennoch sind sie oft nicht in gleichem Maße in Lehr- und Führungspositionen an US-Hochschulen vertreten. Das »Lillian Lodge Kopenhaver Center for the Advancement of Women in Communication« an der Florida International University untersuchte 2019 in seiner ersten nationalen Studie über Teilnehmerinnen des Programms »Women Faculty Moving Forward« (WFMF), wie effektiv dieses Programm die Karrieren von Frauen an Fakultäten für Journalismus und Massenkommunikation an Hochschulen unterstützt. Ziel war, Geschlechterungleichheiten und Karrierehindernisse in diesem Bereich aufzuzeigen. Die Befragten schätzten zwar das Mentoring-Programm, nannten aber als ihre Hauptanliegen Problembereiche wie Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben, mehr Zeit für Forschung, mehr Mentoring-Möglichkeiten und mehr Transparenz und Gerechtigkeit in Bezug auf Gehälter.
Essay
Friedensjournalismus reloaded Plädoyer für eine bessere Berichterstattung über Debatten, Streit und gesellschaftliche Konflikte
Von Sigrun Rottmann | Eine Gesellschaft, die von einer multiplen Krisensituation mit vielen Umbrüchen und Konflikten herausgefordert wird, braucht Journalist*innen mit Konflikt-Know-how. Sie braucht Journalist*innen, die versachlichen, einordnen, ausgewogen und lösungsorientiert berichten. Medien – auch »Qualitätsmedien« – berichten zu häufig emotionalisierend, undifferenziert und nach Gut-Böse-Schema über Debatten oder Konflikte. Sie stellen zudem immer öfter zweifelhafte Spaltungs- und Polarisierungsdiagnosen. Vorschläge von Konfliktforscher*innen für einen Friedensjournalismus bzw. Konfliktsensitiven Journalismus können Inspiration und Grundlage für einen interdisziplinären Wissenstransfer sein, der eine gute Berichterstattung über Krisen und soziale Konflikte im Inland unterstützt. Sie geben außerdem Impulse für eine Debatte über journalistische Werte und die Frage: Welche Rolle will und soll Journalismus in unsicheren Zeiten einnehmen? Dies ist ein wichtiges Thema für die Aus- und Fortbildung – gerade angesichts der kommunikativen Strategien populistischer und rechtsextremer Akteur*innen, die Konflikte für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Debatte
Von Sendern zum offenen Ökosystem Zur Reform und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Von Leonhard Dobusch | Im Zeitalter digitaler Plattformen wird demokratische Öffentlichkeit zunehmend von privaten, primär profit-orientierten Unternehmen strukturiert. Öffentlich-rechtliche Medien stehen in diesem Kontext vor der Herausforderung, in Fortführung eines dualen Mediensystems relevante Öffentlichkeit nach alternativen, primär einem demokratischen Auftrag folgenden Logiken zu etablieren. Um diese Herausforderung zu bewältigen, müssen öffentlich-rechtliche Medien selbst zu Plattformbetreibern werden und ihre Kommunikationsinfrastruktur vor allem ihrem Publikum gegenüber, aber auch anderen gemeinnützigen und, in bestimmten Bereichen, auch kommerziellen Medien gegenüber öffnen. Anders als in den medial dominanten Narrativen sind öffentlich-rechtliche Anstalten in Deutschland bereits durchaus fortgeschritten in der Entwicklung entsprechender Angebote. Eine öffentlich-rechtliche Ökosystemstrategie auf Basis offener Software, Protokolle und Plattformen erfordert demnach keinen radikalen Umbruch, sondern primär die logische Weiterentwicklung bereits begonnener Digitalisierungspfade.
Initiative Nachrichtenaufklärung
Top Ten der Vergessenen Nachrichten Medial unterrepräsentierte Themen 2024
Von Initiative Nachrichtenaufklärung | Die Nichtregierungsorganisation Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. präsentiert gemeinsam mit der Deutschlandfunk-Nachrichtenredaktion jährlich eine Liste mit zehn in den (deutschsprachigen) Medien vernachlässigten Themen. Angestrebt ist, Journalistinnen und Journalisten auf Vernachlässigungen, Agenda Cutting und Desinformationen hinzuweisen und Vorschläge für zum Teil exklusive Themen zur weiteren Bearbeitung zu unterbreiten. Da seit längerer Zeit der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Gaza-Krieg die Berichterstattung beherrschen und gleichzeitig weltweit Journalistinnen und Journalisten wie auch Whistleblower getötet und verfolgt werden, ist die Suche nach »Vergessenen Nachrichten« besonders wichtig.
Rezensionen
Die Top 10 des Buchjournalismus Hinweise auf lesenswerte Bücher von Journalist:innen
Von Fritz Hausjell und Wolfgang R. Langenbucher | Die Idee, die besten Bücher von Journalist:innen auszuwählen und vorzustellen, ist ein Projekt des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, mitbegründet von Hannes Haas (1957-2014), zusammengestellt von Wolfgang R. Langenbucher und Fritz Hausjell. Es startete mit der ersten Ausgabe im Jahre 2002 in der von Michael Haller begründeten Vierteljahreszeitschrift Message. Nach deren Einstellung wurden die Auswahlen ab 2015 im Magazin Der österreichische Journalist dokumentiert. 2020 und 2021 kam es in Folge der Covid-Pandemie zu einer Unterbrechung. Mit der Journalistik ist 2022 ein neuer Publikationsort gefunden worden.
Michael Stahl (2023): Der Platz der Freiheit und sein Denkmal. Gedenkort des Widerstands in München-Nehausen
Rezensiert von Horst Pöttker | Vermutlich handelt es sich bei diesem durchaus aufschlussreichen Buch um eine akademische Abschlussarbeit, was aber weder dem Vorwort noch den Fußnoten zu entnehmen ist. Unter anderem die methodologischen Turnübungen zur Inhaltsanalyse sowie der manchmal jugendlich-flapsige, manchmal auch akademisch verkrampfte Stil lassen darauf schließen. Aufschlussreich ist die Arbeit, weil sie in dreifacher Hinsicht Aufmerksamkeitsmängel sichtbar macht.
Sammelrezension Kriegspropaganda
Rezensiert von Sabine Schiffer | Christian Hardinghaus tritt mit dem Anspruch an, seine Leserinnen und Leser darüber aufzuklären, wie man Propaganda entlarven und so der (beabsichtigten) Manipulation entgehen könne. Das Buch von Jonas Tögel hat das Ziel, die Strategiepapiere und -überlegungen der NATO in einem öffentlichen Diskurs sichtbar zu machen und damit die menschliche Sphäre als möglichen sechsten Kriegsschauplatz – neben Wasser, Land, Luft, Space (Weltraum) und Cyberspace (Internet) – auszuleuchten.