Neue Wege im Journalismus, Weichenstellung in der Ausbildung

von Konstantin Schätz und Susanne Kirchhoff / Das Berufsfeld Journalismus ist einem rasanten Wandel unterworfen. Das wirkt sich auch auf die Ausbildung der Journalist_innen aus. Die vorliegende Studie zeigt am Beispiel der österreichischen Aus- und Weiterbildungslandschaft, vor welchen Herausforderungen diese derzeit steht und wie die Institutionen darauf reagieren. In der Bestandsaufnahme der Kursprogramme wird außerdem deutlich, welche Folgen der Digitalisierung aufgenommen worden sind und wo vor dem Hintergrund der internationalen Diskussion über eine adäquate Aus- und Weiterbildung Defizite bestehen.

The Commercial Advertiser im US-amerikanischen New Journalism um 1900 Journalistischer Unternehmergeist zwischen Kommerzialisierung und gesellschaftlicher Aufgabe

von Hendrik Michael / Der Commercial Advertiser gilt zwischen 1897 und 1901 als journalistisches Experiment des New Journalism. Unter der redaktionellen Leitung von Lincoln Steffens versuchte man ein Lokalblatt zu produzieren, welches mit ungewöhnlichen Ansprechweisen und stilistischer Qualität den Informations- und Unterhaltungsbedürfnissen bürgerlicher Schichten und einer neuen Generation von Einwanderern zu entsprechen vermochte. Der Aufsatz untersucht die situativen Handlungskontexte dieses Experiments und beleuchtet den journalistischen Unternehmergeist in der Redaktion des Commercial Advertiser in Bezug auf eine kommerzielle Medienlogik des New Journalism sowie dessen etablierte Recherche- und Darstellungsroutinen.

›Spotify für Journalismus‹, ›Verlagsplattform‹, › Digitales Pressegrosso‹ Drei Szenarien für eine anbieterübergreifende Journalismusplattform

von Christian-Mathias Wellbrock / Informationstechnologie ermöglicht die Ausbreitung digitaler Plattformen in vielen Wirtschaftszweigen, auch in der Medienbranche. Wesentliche Teile der Verbreitung von Inhalten in den Bereichen Film, Musik und Games erfolgt bereits auf diese Weise. Im Bereich des digitalen Journalismus steht diese Entwicklung noch aus. Als Erklärung hierfür werden oftmals Vorbehalte der Verlage angeführt, die auf der Annahme basieren, dass eine solche Plattform von einem Drittunternehmen betrieben und entsprechende Nachteile mit sich bringen würde. Zudem wird meist davon ausgegangen, dass der Zugriff auf Inhalte verschiedener Anbieter an einer zentralen Stelle geschehen würde und die Inhalte somit aus dem Markenumfeld des jeweiligen Anbieters gerissen würden. Dieser Beitrag diskutiert drei Szenarien einer anbieterübergreifenden abonnementbasierten Journalismusplattform, die sich hinsichtlich des Betreibers unterscheiden (Technologieunternehmen, eine Kooperation deutscher Verlage und ein ›öffentlich-rechtlicher‹ Anbieter).

Schadet Corona dem rechten Populismus? Die Hoffnungen, dass die Pandemie auch den politischen Populismus zerstört, sind verfrüht

von Nina Horaczek / Zahlreiche politische Kommentator*innen sehen angesichts der Corona-Epidemie das Ende des politischen Populismus nahen. Tatsächlich befinden sich die Beliebtheitswerte populistischer Parteien seit Ausbruch der Coronakrise im Sinken. Doch das Virus bietet für den medialen Diskurs der Populist*innen auch große Chancen. Sie framen Corona, das unsichtbare, staatenlose Virus in einen greifbaren Sündenbock. Nicht ohne Grund spricht US-Präsident Donald Trump von einem ›chinesischen Virus‹. Zur Verbreitung ihrer Botschaft können sich die Populist*innen diesseits und jenseits des Atlantiks auf ein mediales Netzwerk stützen, das sie und ihre Vertrauten in den vergangenen Jahren sehr geschickt aufgebaut haben.

Desinfektionsjournalismus Die Corona-Berichterstattung ist kein Leuchtturm der Orientierung

von Timo Rieg / Die journalistische Berichterstattung über die Corona-Pandemie hat viele grundsätzlich bekannte Defizite gezeigt. Vor allem Recherche und Meinungsvielfalt kamen zu kurz. Entscheidende Fragen wurden vom Journalismus nicht gestellt, kritische Stimmen nicht gesucht. Gleichzeitig hat die Politik Maßnahmen ergriffen, die noch viele Jahre lang Wirkungen und Nebenwirkungen zeigen werden und für die der demokratische Souverän mangels Beteiligung keine Verantwortung tragen kann.

Ungerechte Medienkritik Die Corona-Krise ist kein Beispiel für das Versagen, sondern für den Wert des Journalismus

von Tanjev Schultz / Es sind seltsame Zeiten. Kaum ein anderes Land hat die Corona-Krise (bisher) so gut gemeistert wie Deutschland, dennoch tun einige so, als stünde dieses Land mit seinen Institutionen am Abgrund. Und so gibt es auch eine kraftmeiernde Medienkritik, die es nicht dabei belässt, die zweifellos vorkommenden Fehler und Verfehlungen der Presse aufzuspießen. Mit Getöse diagnostiziert sie ein mediales Systemversagen. Es fällt auf, dass diese Art der Medienkritik unter eben den Verzerrungen leidet, die sie selbst im Journalismus zu erkennen glaubt: Negativismus, Einseitigkeit, Übertreibung.

Vernachlässigte Medienkritik

von Timo Rieg / Tanjev Schultz sieht die Corona-Berichterstattung des deutschsprachigen Journalismus anders als ich. Das war nicht nur wahrscheinlich, sondern tatsächlich ›alternativlos‹, zumindest wenn wir bis ins letzte Detail gehen. Denn was wir beide äußern, sind Sichtweisen, – »based on individual observations and opinions«, wie es in der von Schultz angeführten Pre-Print-Studie von Quandt et. al. heißt. Eine solche Spannweite des Meinungs- oder Interpretationsspektrums habe ich in der Corona-Berichterstattung vermisst.

Thomas Hanitzsch, Josef Seethaler, Vinzenz Wyss (Hrsg.): Journalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz Rezensiert von Roger Blum

Das Buch ist eine Premiere: Schon mehrmals wurde der Journalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht, aber noch nie gemeinsam und mit identischen Fragen. Allerdings überfällt einen bei der Lektüre zunächst gähnende Langeweile, weil die Ergebnisse der Studie nichts Neues über die 41.000 deutschen, 4.000 österreichischen und 10.000 schweizerischen Journalistinnen und Journalisten vermitteln. Doch dann kommt es faustdick und brisant: Die befragten Medienleute schreiben sich zu über 90 Prozent die Rolle der neutralen Informationsvermittlung zu, stufen aber die Rolle der Kritik und Kontrolle als nahezu vernachlässigbar ein. Weiterlesen

Katherine M. Engelke: Die journalistische Darstellung von Vertrauen, Misstrauen und Vertrauensproblemen im Kontext der Digitalisierung Rezensiert von Beatrice Dernbach

Vertrauen ist das Schlagwort der Moderne. Wer vertraut wem und warum? Oder vielmehr: Warum wird wem nicht (mehr) vertraut? Wächst das Misstrauen gegenüber politischen und ökonomischen Akteuren? Seit 20 Jahren erforscht die PR-Agentur Edelman weltweit das Vertrauen in Regierungen, Nicht-Regierungsorganisationen, Wirtschaft und Medien (https://www.edelman.de/research/edelman-trust-barometer-2020). Leider ist dieser Link in der sonst sehr umfangreichen Bibliographie der Dissertation von Katherine M. Engelke nicht zu finden. Das ist nicht problematisch, hätte aber einen weiteren Blick in empirische Erkenntnisse des Forschungsgegenstandes ermöglicht. Diese Anmerkung ist allerdings angesichts der Gesamtleistung der Autorin eine Petitesse. Weiterlesen